Auch wenn es nicht dem Mainstream entspricht, ich halte die IHF-Entscheidung für rechtlich in Ordnung, das ist keine Manipulation, nennen wir sportpolitisches Kalkül unter trickreicher Auslegung. Warum ?
1. Unbestritten gehören die Australier keinem offiziellen Kontinentalverband an. Unbestritten wissen die das auch, sonst wären sie nicht am überlegen, dem asiatischen Verband beizutreten. Unbestritten ist auch, dass dieser Zustand schon länger andauert. Das bedeutet aber im Gegenzug, dasss die Teilnahme Australiens an der WM auf Goodwill der IHF beruht zu Lasten der anderen Kontinentalverbände, die ihren Laden ja entsprechend organisiert bekommen. Das wiederum bedeutet, dass die ordentlichen Kontinentalverbände eine Benachteiligung erfahren.
Was haben die Australier getan, um diesen Schwebezustand zu beenden ? Nichts, sie haben schön weiter rumgedümpelt, sicherlich auch mit dem Wissen, sich im asiatischen Verband nicht so einfach für die WM qualifizieren zu können. Das dieser Zustand ewig so weitergeht, darauf darf man sich nicht verlassen, zumal ja auch die ordentlichen Kontinentalverbände gemeckert haben ( zu Recht wie ich finde).
Ob und wann die Australier sich qualifiziert haben, muss der IHF egal sein, sie sind im Endeffekt geduldete Gäste der WM.
Was genau hätten die Australier denn deiner Meinung nach machen sollen? Die Bedingung, die von der OCHF nicht erfüllt wird, ist mindestens zehn Mitglieder zu haben (IHF Statut Punkt 10.2.2). So viele nationale Handballverbände gibt es aber in Ozeanien nun mal nicht. Dieser Passus ist für die dort ansässigen Verbände also per se unerfüllbar. Selbst wenn Australien dem asiatischen Verband beigetreten wäre (und auch hierzu gehören immer zwei, ob die AHF sich jemals mit dieser Option befasst hat ist mir nicht bekannt und daß die Australier "am überlegen" gewesen wären, dem asiatischen Verband beizutreten habe ich auch noch nicht gehört. Hast Du dazu eine Quelle?), bestünde das Problem für die übrigen ozeanischen Verbände doch weiterhin. Es bedürfte außerdem der Zustimmung der IHF (Statut, Punkt VII, 5.). Dazu wäre es Verbänden wie Vanuatu, Neukaledonien oder den Cook Islands schon aus finanziellen Gründen vermutlich gar nicht möglich, an asiatischen Qualifikationen teilzunehmen. Wenn die Ozeanier die unrealistischen Bedingungen der IHF-Statuten also nicht erfüllen können, müssen sie nach deiner Meinung also draußen bleiben? Meine Vorstellung von den Aufgaben eines internationalen Dachverbandes besteht eher darin, auch den strukturell (in diesem Fall geographisch) benachteiligten Mitgliedsverbänden die Teilnahme und Teilhabe am Gesamtgeschehen zu ermöglichen.
Zur Qualifikation. Der Platz für Ozeanien ist in den Wettbewerbsregularien der IHF noch in der Fassung vom Januar 2014 ausdrücklich vorgesehen. Diese Regularien sind in dem vollen Wissen erlassen worden, daß es in Ozeanien keinen Kontinentalverband gibt, der dem IHF-Statut entspricht. Es sind die gleichen Regularien, nach denen sich Australien problemlos für die WM 2011 und 2013 qualifizieren konnte. Und schließlich nimmt Australien auch weiterhin problemlos an anderen IHF-Veranstalungen in diesem Jahr teil, namentlich der Beach-WM und dem Super Globe. Es ist also keine Lex Deutschland, sondern eine Lex Deutschland-zur-Männer-WM. Ob eine Mannschaft "mehr zieht" ist für die Qualifikation zu einem Turnier übrigens (noch) kein festgelegtes Kriterium.
Das kann man alles Diskutieren, ich habe es weiter oben schon angemerkt. Man hätte für die WM 2017 sicher einen anderen Weg suchen können, vielleicht sogar sollen. Aber für die WM 2015, deren Qualifikation schon abgeschlossen war und für die sogar schon die Lostöpfe verkündet waren, ist das einfach zu spät. Die Regeln müssen für alle vor Beginn des Wettbewerbs feststehen. Im Fall der WM 2015 sind wir aber seit Beginn der Qualifikationsphase mittendrin. Dann einfach jemanden rauszukegeln, der es geschafft hat und dafür eine Mannschaft aufzunehmen, die sich 1. für die eigentliche Qualifikationsrunde (EM 2014) gar nicht qualifiziert hat, 2. für die erste Nachrückerrunde (Gruppenspiele der nicht-EM-Teilnehmer) bereits ein Freilos bekam und dann 3. die einzigen beiden Qualifikationsspiele die sie zu bestreten hatte (alle anderen spielten mindestens acht Mal! um das Ticket zu bekommen) verloren hat, ist nicht nur unfair, sondern auch im Ergebnis ein Witz. Deutschland hat weniger Punkte in dieser Qualifikation geholt als Estland.
Und moralisch verwerflich finde ich die Annahme des Tickets ebenfalls, schon deshalb weil der DHB eine weitergehende Funktion hat als das Betreiben der Männer-Nationalmannschaft. Man stelle sich vor, es würde ein Schulkind die Versetzung in die nächste Klasse nicht schaffen. Das ist aber ausgerechnet das Kind, dessen Eltern immer die meiste Limonade für das Schulfest spendieren. Also wird das Kind nachträglich versetzt, und ein anderes, das die Versetzung problemlos geschafft hat, bleibt nicht nur dafür sitzen, sondern fliegt gleich ganz von der Schule, damit der Platz für das Limo-Kind zur Verfügung steht. Würdest Du den Limo-Eltern die Annahme dieses Vorteils auf Kosten anderer auch empfehlen?
Ich weiß, daß es bei der WM nicht um Kinder sondern um viel Geld geht, aber es geht hier auch darum, welche Werte ein Sportverband insbesondere Kindern vermittelt. Diese Vermittlung darf sich nicht nur auf Sonntagsreden beschränken, wenn ich einem Mitgliedsverein eines dieser Verbände einen Teil der Erziehung meines Kindes anvertrauen soll, sondern sie muß auch gelebt werden. Mit dieser völlig kritiklos bejubelten Annahme des Tickets ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht sind meine Ansprüche da ein bischen hoch, aber ich versuche meiner Tochter zu vermitteln, daß sie anderen Kindern nichts wegnimmt, was ihr nicht gehört und daß man sich Belohnungen und Erfolge selbst erarbeiten muß. Ich würde ich sie nicht zu einer Sportart gehen lassen, in der die höchsten Verbandsvertreter öffentlich das Gegenteil davon vorleben und preisen.