Ich finde die Diskussion erst einmal angenehm und intensiv, auch wenn ich leider nicht dazu komme mich all zu intensiv zu beteiligen. Das zeigt doch auch die Vorfreude und das Interesse kurz vor der Euro. Grundsätzlich hätte es die Diskussion in der Intensität nämlich auch schon nach der Nominierung des 28er-Kaders geben können. Denn aus meiner Sicht gibt es inzwischen mehr als 28 Spieler mit dem grundsätzlichen Potenzial für die Nationalmannschaft. Und erst Recht mehr als 16 - das zeigt die Diskussion.
Von "zerfetzen" habe ich auch nichts festgestellt, aber was immer wieder auftaucht ist der "Hinweis" (ich vermeide bewusst den Begriff Vorwurf), dass Prokop "seine" Leipziger ohne auch generell einzelne Spieler bevorzuge. Dazu zwei Gedanken.
Zuerst zu Dahmke und Linksaußen - ich verstehe Dahmkes Enttäuschung, war er doch vor zwei Jahren einer der großen Gewinner der EURO. Da war Gensheimer verletzt, Sigurdsson hatte die Qual der Wahl und die (für ihn, für das DHB-Team, für Dahmke) richtige Entscheidung getroffen. Damals waren übrigens andere enttäuscht. Dass aber an Gensheimer kein Weg vorbeigeht steht für mich fest. Und dass Gensheimer in der Vorbereitung die hauptsächlichen Spielanteile erhält ist für mich auch logisch - die Vorbereitung dient primär der Vorbereitung und nur sekundär der Sichtung. Mal rein hypothetisch hätte Prokop ja auch drei LA über jeweils 20 Minuten testen können - dann wäre Gensheimer aber nicht eingespielt. Es war jetzt die Entscheidung von Prokop das Risiko mit einem LA zu gehen.
Ich verstehe die Leipzig-Entscheidung nicht, was aber daran liegt, dass ich mich über die bisherige Saison hinweg zu wenig mit den einzelnen Spielern beschäftigt habe. Aber eine "Lex Leipzig" kann ich absolut nachvollziehen. Es geht eben im Teamsport und bei der Mannschaftszusammenstellung eben um weit mehr als nur um die Zusammenstellung der nominell besten Spieler. Selbst das ist nur schwer objektiv zu beurteilen, wie die Diskussionen hier zeigen. Aber selbst eine Objektivität vorausgesetzt, dann reicht das nicht. Der Seitenhieb sei mir gestattet - über Jahre hinweg haben das Hamburg und die RNL ohne Erfolg versucht, ebenso Paris St. Germain. Es geht auch um andere Faktoren - beispielhaft, willkürlich, aber nicht abschließend gehören dazu Teamfähigkeit, Hierarchie, Stressbewältigung, Umgang mit Druck, Charakter, Lagerkoller ... Auch das muss ein Prokop beurteilen und das ist in einer kurzen Vorbereitung und mit den wenigen Maßnahmen seit seinem Amtsantritt sehr schwer. Die Spieler Leipzig kann er in der Hinsicht einfach besser einschätzen - das spricht nicht (automatisch) gegen die Spieler, die deshalb das Nachsehen haben.
Speziell zu Roschek und dennoch als Beispiel: vielleicht hat Prokop auch noch irgendwelche Spieltaktiken oder Innovationen im Hinterkopf, die er uns (und den kommenden Gegnern) gegen Island verheimlicht hat? Vielleicht ist das für ihn gerade der Spieler, der auch mal im entscheidenden Moment einen "raushaut"?
Wir (bzw. natürlich Prokop mit dem DHB-Team) bewegen uns hier auf einem Niveau und einer Bedeutung, da schließe ich für mich aus, dass er hier Spieler aus Freundschaft oder Gefälligkeit bevorzugt. Neben der nach außen sichtbaren Leistungsfähigkeit und dem Potenzial sind es eben die berühmten weichen Faktoren, die er offensichtlich im Rahmen seiner Kenntnisse auch mit einfließen lässt. Da war der Sigurdsson-Drux-WM-2015-Vergleich sehr gut. Sigurdsson hat Drux nicht mitgenommen, weil er Berliner war - er hat ihn mitgenommen, weil er unter mehreren sportlich vergleichbaren Optionen der Spieler für ihn war, den er am besten einschätzen und passend führen konnte.