Fragen:
1. Gäbe es überhaupt genügend Schiedsrichter, die das machen würden?
Genügend nicht, vielleicht ein paar wenige -> in der Vergangenheit haben sich die in Frage kommenden SR regelmäßig selbst dagegen ausgesprochen
2. Wieviel müssten die Schiedsrichter verdienen?
Zumindest bei den SR im Elitekader sind einige (viele) dabei, die beruflich nicht so schlecht unterwegs sind. Viele in Führungspositionen und mit weitreichenden Entscheidungskompetenzen. Über den Daumen gepeilt müsste man pro Schiedsrichter sicher mindestens 150 T€ Kosten pro Jahr (vergesst nicht die Reisekosten, etc.) ansetzen.
3. Steigt dadurch überhaupt die Qualität der Schiedsrichter?
Glaube ich persönlich nicht, ggf. bei einzelnen Gespannen kurzfristig, in der Masse langfristig nicht. Wenn man Profi-SR eine Perspektive bieten will, dann muss man ihnen eine Job-Chance bis zum Renteneintrittsalter bieten. Wer soll denn mit Mitte 20 bis Anfang 30 Profi-SR werden um sich dann 10-15 Jahre später einen neuen Job zu suchen? Das macht keiner! Und wenn ich einen aktuellen "Halb-Profi-SR" der HBL mit Anfang 30 einem Voll-Profi mit Mitte 60 gegenüber stelle, dann sehe ich eine Qualitätssteigerung skeptisch.
4. Wie wird man Profischiedsrichter?
Kann nur wie jetzt funktionieren, über Leistung und Qualität - daher auch meine Annahme, dass frühestens Mitte 20 ein SR soweit ist, dass er Profi-SR werden könnte.
5. Ist das Pfeifen internationaler Spiele dann noch attraktiv genug?
Ist es jetzt schon nicht - internationale Spiele sind weit zeitaufwändiger und deutlich schlechter bezahlt. Aus finanziellen Gründen pfeift kein HBL-SR international. Meine Einschätzung, durchaus in Gesprächen auch bestätigt: aktuell verdienen die SR am Besten, die leistungsmäßig direkt hinter den internationalen SR sind. Die können ihren Hauptjob zu 80% ausüben, haben rund 25 - 30 Spiele pro Saison und davon die meisten in der HBL.
Für Profi-SR könnten internationale Spiele ein Teil ihres Jobs sein - Erfahrung, Austausch, etc.
6. Was ist, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr pfeifen kann, oder nicht mehr die Qualität hat?
Das ist das Kernproblem - ein SR der die Voraussetzung für HBL erfüllt, wird sich nicht als Profi verpflichten lassen, ohne dass man ihm eine Sicherheit bietet. Es mag vielleicht den einen oder anderen geben, dem man eine Perspektive in einem Verbandsjob als Alternative bieten kann, aber nicht der Masse.
7. Was ist, wenn der Schiedsrichter die Altersgrenze erreicht?
Welche? Die aktuelle Altersgrenze für den Elitekader wird nicht ausreichen. Profi-SR werden das nur annehmen, wenn für sie die Altersklasse mit Renteneintritt ist. Und das kann ich mir schwer vorstellen.
8. Wären die Schiedsrichter freiberuflich unterwegs oder Angestellte der HBL?
Oder des DHB? Sie sind jetzt schon freiberuflich unterwegs. Aber die Frage ist vielleicht ein Ansatz zu einem sinnvollen Kompromiss, der aber weitere Fragen aufwirft: man könnte den SR eine "Mindestzahl" an Partien/Umsatz als Freiberufler bieten und die könnten sich darauf einstellen. Aber viele machen das faktisch jetzt schon, in dem sie in ihrem Hauptjob vorübergehend nur in Teilzeit arbeiten.
Vorteile:
1. Sie können sich ganz auf das Pfeifen konzentrieren.
Die Formulierung unterstellt, dass sie das jetzt nicht könnten. Job, Familie, SR - da muss man ausgleichen und priorisieren, das stimmt. Gilt aber für Spieler (auch Familie, nebenbei vielleicht noch Studium oder Hobbys mit Prio) und jeden normalen Berufstätigen auch. Meine Einschätzung aus vielen SR-Kontakten - die können sich auf das Pfeifen konzentrieren und wenn es mal Gründe gibt, dass sie es nicht können, dann könnten sie es auch als Profi nicht.
2. Sie haben mehr Zeit sich in Form zu halten und bekommen mehr Wertschätzung.
Wenn es aktuell Diskussionen über SR-Leistungen gibt, dann liegt es nicht an der Form, fit sind die. Ob Auffassungsgabe, situatives Entscheidungsverhalten, etc. besser wird, wenn man Profi ist, das kann man kritisch diskutieren. Sicher wäre mehr Zeit für Fort- und Weiterbildung - gleichzeitig müssten Profis aber sicher 2 Spiele pro Woche pfeifen. Mehr Wertschätzung, weil Profi? Das sehe ich nicht als logischen Zusammenhang.
Nachteile:
1. Kann sich das der Handball überhaupt leisten?
Ja - wenn der Handball das will, dann kann er sich (in der HBL) auch leisten. Eine Liga mit knapp 300 Profis mit einem durchschnittlichen Netto-Einkommen von rund 10.000 € pro Monat kann sich auch 20 Profi-SR leisten.
Die Frage muss sein - will man sich das leisten? Oder noch besser: verspricht man sich da einen Qualitätssprung, der das mehr an Geld rechtfertigt?
2. Der Schiedsrichterkreis wird noch elitärer. Man muß nicht nur gut genug sein, sondern auch dazu bereit sein.
Oder genau das Gegenteil, aber auch Nachteil - es wird nicht mehr SR, wer die Qualität hat, sondern wer aktuell nen schlechten Job hat und für den (ggf. auch befristet) Profi-SR ein Fortschritt wäre.