Bush ante portas
Rüsselsheimer Echo, Abschnitt "Aus der Region", Di., 15.Feb.05
Von Harald Pleines
"Wolle mer'n eroi losse?" lautet traditionell die rheinische Frage des Sitzungspräsidenten, wenn bei der Mainzer Fassenacht der nächste Büttenredner angekündigt wird. Der Saal antwortet mit einem lautstarken Ja -- und die Sache nimmt ihren Lauf.
Die Fassenacht ist vorbei. Die Mainzer Narren haben dem Druck der Obrigkeit standgehalten und beim Rosenmontagszug auch den Wagen mit George W. Bush und Angela Merkel an seiner Hintertür durch die Stadt fahren lassen.
Jetzt steht der Leibhaftige, pardon, der Präsident der glorreichen Vereinten Staaten von Amerika, vor den Toren der Stadt: Bush ante portas. Aber niemand hat die Mainzer oder die Menschen im Rhein-Main-Gebiet gefragt, ob sie ihn hereinlassen wollen. Angst vor der Antwort?
Es muss ein toller Besuch werden, schaut man auf die Sicherheitsmaßnahmen. Noch kann Oberbürgermeister Jens Beutel nicht sagen, welche Straßen gesperrt werden, denn darüber hat er nach eigenem Bekunden "noch keine Erkenntnisse".
Fest steht allerdings bereits, dass beispielsweise die Theodor-Heuss-Brücke -- wichtige Straßenverbindung zwischen den hessischen Kommunen am Untermain und der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt -- am 23.Februar unpassierbar sein wird. Wer die täglichen Verkehrströme auf dieser wichtigen Verbindungsachse kennt, kann ermessen, welchen "Eingriff in den Straßenverkehr", sonst ein durchaus juristische Delikt, dies darstellt.
Mainz wird einen Tag lang -- bewacht auch von Kampfflugzeugen der Bundeswehr -- zu Lande, zu Wasser und aus der Luft unerreichbar sein. Aber angesichts des hohen Besuchs im alten Europa (gibt es eigentlich noch Zugbrücken, die man hochziehen kann?) muss jeder Opfer bringen. Und der Opfer sind es viele -- auch auf hessischer Seite. Die Schulen in den AKK-Vororten Amöneburg, Kostheim und Kastel bleiben geschlossen. Na ja, macht nichts, laut PISA-Studie haben die Schüler ohnehin nichts zu verlieren. Auch die Kindertagesstätten, Kindergärten und Jugendzentren sind am 23. Februar in den AKK-Gemeinden sowie in Wiesbaden-Biebrich und Erbenheim zu.
Schön, dass die Jugend frei bekommt, um den Führer der einzig verbliebenen Weltmacht mit Stars-and-stripes-Fähnchen zuzujubeln. Aber warum werden in ganz Wiesbaden keine Mülltonnen geleert? Ziehen die Müllwerker mit Konfettikanonen über den Rhein? Und warum bleiben die Sporthallen von Kostheim/Kastel und das Hallenbad von Kostheim zu?
Mit den Krankenhäusern, Ärzten und Apotheken wurden ebenso Gespräche geführt wie mit der Industrie- und Handelskammer, dem Hotel- und Gaststättenverband, dem Einzelhandelsverband, der Kreishandwerkerschaft, dem Taxiverband und anderen, teilt die Stadtverwaltung von Wiesbaden mit. Dabei kommt Bush doch gar nicht nach Wiesbaden, sondern nach Mainz, wo sich große Arbeitgeber wie die Firma Schott darum sorgen, wie an jenem Tag ihre Mitarbeiter zur Arbeit kommen. Ein Tag Bush entspricht volkswirtschaftlich einem zusätzlichen Feiertag. So wird es natürlich nichts mit dem Wirtschaftswachstum.
Was steht eigentlich auf der Habenseite des Großereignisses? Gibt George W.Bush anlässlich seines Mainzer Besuches die Festnahme Osama Bin Laden in einer Mombacher Weinstube bekannt? Wurden in der Altstadt die lange gesuchten irakischen Massenvernichtungsmittel -- getarnt als Spundekäs' -- entdeckt? Bietet Bush im kurfürstlichen Schloss Gerhard Schröder das Du an?
Wir wissen es nicht. Wir kennen nur die Antwort auf die Frage "Wolle mer'n eroi losse?".