Weniger Prellen = mehr Attraktivität ?!?!
Anstoß meines Beitrags ist der Artikel in der aktuellen HT (3-2004) von Thorsten Schulte. Der Handballkreis Iserlohn/Arnsberg hat als Vorgabe in der E und F Jugend eine Prellbeschränkung (max 2x) und eine Manndeckung vorgegeben.
Dieser Thread sollte sich lediglich mit der Prellbeschränkung beschäftigen, da zum Thema Manndeckung schon ein Thread existiert, und eigentlich sollte mitlerweile auch im letzten Bezirk die Manndeckung als klare Vorgabe angekommen sein. Für Überlegungen sollten wir die Manndeckung als Abwehrform allerdings miteinbeziehen.
Zum Thema: Für alle die noch kein HT-Abo haben hier nochmal die Kernsätze des Beitrags:
In der E und F Jugend wird Manndeckung und eine Prellbeschränkung vorgegeben mit max. 2 maligen prellen des Balles. Da keine Angaben zum weiteren Spiel gemacht werden, gehe ich mal von 7 vs 7 auf "normalen Feld" aus, im F sowie im E Bereich.
Als Vorteile werden genannt:
1. Spiel in Tiefe und Pässe in den Lauf werden gefördert.
2. Spieler ohne Ball müssen sich ständig bewegen. (freilaufen und anbieten)
3. In 40min mehr Angriffe durch erhöhte Anzahl von Fehlpässen und technischen Fehlern (Prellen). Notsituationen würden of falsch gelöst werden.
4. Spieler entwickeln "Auge" für ihre Nebenspieler.
Als Nachteile werden genannt:
1. Zuschauer berichten oft von einem nicht mehr handballähnlichen Spiel.
2. Spielanfänger erleiden massive Reizüberflutung und werfen überhastet Bälle weg.
3. Vorrausschauende Spielweise, besonders das Abfangen von Bällen wird nicht belohnt, da der Spieler nicht allein einen TG (Tempogegenstoß) laufen kann.
4. Der SR hat mehr auf Regeln zu achten.
Folgende Auswirkungen sind dem Autor nach zu beobachten:
1. mehr Tore pro Spiel, weil nach einfachen Überlaufen eines Abwehrspielers keine Absicherung nach hinten besteht. Die anderen Abwehrspieler sind mit ihren eigenen Angreifern beschäftigt und oftmals weit im Mittelfeld verstreut. (Also meint er niemand hilft aus? Beim Überlaufen im Halbfeld (Mittelfeld).
2. ein unübersichtlicheres Spiel für SR (wohl dann auch für Eltern, Zuschauer, (??? KINDER ???)).
3. höhere Niederlagen gegen gute Mannschaften, weil schwächere Spieler im Raum leicht überlaufen werden.
4. Einen kollektiven Balltransport auf die andere Seite, wenn ein Ball angefangen wurde. (Quasi "Doppelpass Tempogegenstoß")
5. einem vermehrten Spiel im Halbfeld, nahe der Mittellinie, also keinem klassischen Handballspiel.
6. eine extrem offensive Spielweise.
Folgende Denkanstöße möchte ich geben:
1. Handball ist ein Teamsport, aber immer nur einer kann letzendlich auf das Tor werfen!
2. Jedes Kids ist anders, Unterschiede zu erkenne, zu verstehen und zu akzeptieren sind Aufgaben unserer Erziehung und gehören zum Findungsprozeß einer eigenen Identität unserer jungen Menschen (Gerade in unserer leider viel zu leistungsorientieren Welt).
Warum Manndeckung ? Siehe http://www.handballecke.de/forum/thread.p…eadid=4944&sid=
Folgende Aspekte möchte ich dazu nochmal aufgreifen:
Durch die Manndeckung ergeben sich für den Angreifer mit Ball folgende Möglichkeiten:
Pass zum Mitspieler, Torwurf, und/oder Durchbruchsversuch mit anschließendem Torwurf, Pass und falls der Spieler vorher nicht geprellt hat, kann er noch Raumgewinn erzielen durch 2 maliges Prellen, anschließend Pass oder Torwurf.
Der sog. Durchbruchsversuch, das Spiel 1vs1 (hier mit Ball) ist der wichtigste "LERNMOMENT" für die Kids. Die Manndeckung soll möglichst viele "LERNMOMENTE" im Spiel 1vs1 für Angreifer und Abwehrspieler ermöglichen. Betrachten wir den Spielort auf dem Feld, wo diese "Zweikämpfe" geschehen, so ist durch die weite Entfernung zum Tor die Anschlußhandlung "Torwurf" (hier: vor oder nach Durchbruch) kaum möglich, da wie ja bereits beschrieben, die 1vs1 Situationen im Mittelfeld passieren.
Was bleibt also nach einem "LERNMOMENT" wenn ein Angreifer mit Ball 1vs1 einem Durchbruch geschafft hat? Er kann max. 2 mal prellen, aber durch die Distanz zum Tor (Mittelfeld-Nahwurfzone), fällt die Anschlußhandlung Torwurf weg. Durch die Prellbeschränkung kann er nurnoch einen Pass spielen, zu einem hoffentlich sich freilaufenden Mitspieler. (Hat auch "Lernmoment" durch 1vs1 ohne Ball, ist aber bedingt durch die Manndeckung!).
Fazit:
Somit stelle ich in Frage, ob sich bei einer Prellbeschränkung überhaupt eine 1vs1 "LERNSITUATION" einstellt. Da die Folgehandlungen sehr beschränkt sind, und ein Pass durch eine relativ simple Passtäuschung in anderer Richtung realisiert werden kann. Ein 1vs1 mit Ball, "lohnt" sich an der Mittellinie nicht mehr für den Spieler !!! Die wichtigen 1vs1 mit Ball "Lernmomente" werden weniger, und ein basketballähnliches "Give and go" entsteht. ![]()
Und was man immer schnell vergißt:
Angriff schult Abwehr, und Abwehr schult Angriff !
Sollte sich also durch die Prellbeschränkung ein "Give and go" artiges Spiel entwickeln, haben die Abwehrspieler auch kaum noch Erfahrungen im Spiel 1vs1 mit Ball. Der Schwerpunkt liegt dann eher beim Spiel 1vs1 ohne Ball (Lauftäuschungen, Lauftäuschungen erkennen, antizipieren). Freilaufen in Breite und Tiefe. Im Hinblick auf das Zielspiel ist aber gerade das 1vs1 mit Ball oft entscheidend. Und durch die Manndeckung wollte man gerade in diesem Bereich eine bessere Ausbildung der Kids erreichen.
Zum Abschluß folgende Überlegung:
Ich behaupte aus Erfahrung, dass im Spiel 3 vs 3 (altersgerecht wegen entwicklungsbedingter Einschränkung des Gesichtsfeldes ect., der Autor schreibt selbst, dass das Spiel unübersichtlich werden würde), oder sogar im Spiel 6 vs 6 man bei relativ gleichstarke "Manndeckungspäarchen" (*A1) viele "Lernmomente" im Spiel 1vs1 MIT SOWIE auch ohne Ball erkennen kann.
DENN:
Durch eine Prellbeschränkung nehme ich dem Angreifer ein Folgehandlung nach einem Durchbruch 1vs1. Und weiterhin, behaupte ich, duch eine Prellbeschränkung nehme ich schnellen Abwehrspielern die Chance, einem prellenden Angreifer den Ball herauszuspielen! Das Abschirmen und Herausspielen eines Balles beim prellen kommt quasi überhaupt nicht mehr vor.
*A1 Anmerkung:
Sollte es im Spielbetrieb nicht möglich sein gleichstarke Päarchen zu bilden, so hat der "schwächere" Spieler auch mehr "Lernmomente" und der Entwicklungsvorsprung legalisiert sich auf lange Sicht, da der "stärkere Spieler keine neuen Herrausforderungen mehr hat, und evtl. in der Entwicklung stagniert. Wärend der "Schwächere" (Vorsicht, Spieler darf nicht ÜBERFORDERT sein) ständig dazulernt. DENN: Aus Fehlern lernt man, sie sind wichtige Hilfen! Und wir müssen sie zulassen! Des weiteren wird ein stärkerer Spieler in allen Spielformen, egal welche Regelmodifizierungen, relativ dominante, erfolgreiche Spielsituationen erleben.
Zum Spielsystem muss ich noch anmerken, dass ich für F-Jugend das Konzept 4+1 spielen Minihandball favorisiere. Und in der E-Jugend ein Befürworter des 2 x 3 vs 3 bin. In der E und F Jugend das "große" Handballfeld für 6vs6 zu bespielen finde ich aufgrund der Unübersichtlichkeit total unpassend. Die Kinder werden "Reizüberflutet und sind überfordert".
So, das wars schon... Ist doch etwas länger geworden...
Mich würde interessieren, wie andere Jugendtrainer darüber denken, und ob weitere Erfahrungen dazu vorhanden sind.
sportlicher Gruß
Thomas Masztalerz
SG Schlüchtern