Mangelnde Motivation

  • Ich habe heute gleich zweimal in Folge den absoluten Super-GAU miterleben dürfen. Für beide von mir gecoachten Mannschaften war ein ein echtes Derby angesetzt. Die Stimmung vor dem Spiel war gut, aber dennoch konzentriert. Sobald allerdings die Teams die Halle zum Aufwärmen betraten, war es gänzlich vorbei mit der Herrlichkeit - hängende Köpfe schon vorm Spiel, Körperspannung und damit -sprache nur beim Gegner. Fast keiner meiner Spielerinnen war auchnur im Entferntesten anzumerken, daß sie gewinnen, geschweige denn überhaupt spielen will. Alle schlörten übers Parkett, als hätte ich sie unter Androhung der Prügelstrafe dazu gezwungen, sich heute ein Trikot anzuziehen und zu spielen.
    Selbstverständlich versuchte ich, dem sofort entgegezuwirken - projezierte Bilder von gewonnen Derbys oder Spielen gegen höherklassige Gegner in die Köpfe, forderte Aggressivität und Willen, vermittelte, daß es kaum etwas "geileres" gibt, als solch ein Derby vor voller Halle zu spielen. Resultat: nix!!! :nein:
    Absolute Emotionslosigkeit, niemand freute sich über Tore oder gelungene Abwehraktionen. Der Angrif war ein Totalausfall, weil niemand sich verantwortlich fühlte, mal auf die Abwehr zu gehen, Würfe aus dem Rückraum erfolgten jedoch leider auch nicht. Selbst nach anfänglichem deutlichen (!) Rückstand und plötzlich einsetzender, erfolgreicher Aufholjagd wurde nach dem Ausgleich umgehend wieder jeglicher Siegeswille abgeschaltet.

    Habt Ihr Tipps, wie ich meine Spielerinnen aus solchen Tiefs wieder herauskriege? ?(
    Denn gleich am nächsten Wochenende stehen die nächsten schweren und entscheidenden Partien an.

  • Probiere doch mal die Schiene " Spaß " !!! Lass die Woche spaßig enden ohne dabei zu lasch trainiert zu haben. Bring mal ein paar andere Sachen mit ein, vielleicht mal eine andere Sportart ausprobieren oder im Fitnessstudio so einen Kurs mitmachen, ist einfach mal was anderes.

  • Das habe ich mir auch schon überlegt - zumindest das mit dem Spaß-Training. Da ich wußte, daß allen vor dem letzten Spiel die Düse gehen würde, habe ich das auch in der vergangenen Woche schon mit einfließen lassen, um den Druck ein wenig zu nehmen, ebenso ein Trainingsspiel gegen einen klassentieferen Gegner zum Abschluß der letzten Trainingseinheit vor besagtem Spiel. Es blieb offenbar alles recht wirkungslos...

    Das größte Problem während des Spiels war ja auch, daß niemandem auch nur ein Fünkchen Siegeswille anzusehen war. Das fand ich absolut erschreckend! Denn da ich aus eigener Erfahrung weiß, wieviel Spaß es macht, solche Derbys zu spielen, konnte ich das meinen Spielrinnen nach eigenem Empfinden eigentlich auch recht glaubhaft und authentisch vermitteln, zumal es ja nicht das erste Aufeinandertreffen mit dieser Mannschaft war.

    Aber danke auf jeden Fall für Deine Antwort!

  • Schau mal in die neue Handballtraining, in den Artikel von "Peter Feddern - Coaching hat immer Saison". Da wird auch auf sowas eingegangen.

    Man kann mit einer Überbewertung derartiger Spiele auch sehr schnell das Gegenteil vom Gewünschten erreichen. Die Spieler kriegen Angst (weil die Gegner übertrieben stark gemacht werden), haben zu viel Druck (weil die Derbystimmung übertrieben wird) oder sind übermotiviert. Generell hast du in deiner Mannschaft ganz unterschiedliche Motivationstypen und man kann nicht alle mit einer Botschaft erreichen.

    Stellen wir uns mal vor, dass eine Spielerin Angst vor dem Match hat. Sie macht sich z.B. Sorgen, ob ihre Leistung ausreichend ist und wärmt sich daher in der von dir oben genannten Art auf. Jetzt kommst du auf sie zu und redest davon wie geil ein Derby ist: Viele Zuschauer, Kampf, Einsatz, gute Gegner, es geht um total viel und usw. . Danach macht die sich doch erst recht in die Hose.

    lG

  • Letztes Wochenede hatte ich eine Trainerschulung. Darin hatten wir auch einige Praxisübungen mit 10-jährigen Junioren. Es war unglaublich wie schnell unser Kursleiter gute Laune verbreiten konnte und dadurch die Jungs zu Höchstleistungen anspornen konnte.

    Die Kniffe die er dabei verwendet hatte waren sehr simpel :
    - Selbst gute Launa haben und dies deutlich zeigen
    - Mit den Spielern ein paar Spässe machen
    und erst dann den Übergang zum Training / Spiel fliessend gestalten.

    In welchem Alter sind den Deine Mädchen / Damen ?

    2 Mal editiert, zuletzt von Suomi (19. Januar 2010 um 09:55)

  • Hallo zusammen,

    entschuldigt, daß meine Antwort so lange auf sich warten ließ, ich hatte in der letzten Woche recht viel um die Ohren und nun endlich die Muße, sowohl die neue ht zu studieren als auch Euch zu antworten.

    Zunächst mal zu den Rahmenbedingungen: Meine "Damen" sind zwischen 13 und 16, also C- und B-Jugendliche.
    Der Druck dieses "Derbys" kam im Falle der C-Jugend zu (fast) 100% von den Spielerinnen selber. Das kann ich tatsächlich ruhigen Gewissens so behaupten, denn vor der Partie kannte ich weder die gegnerischen Spielerinnen noch den Trainer oder deren Art zu spielen, weil ich erst zu dieser Saison wieder beim jetzigen Verein eingestiegen bin und vorher mehrere Jahre in einer ganz anderen Region tätig war, so daß ich auch keine Erfahrungen aus der Vergangenheit hätte einbringen können. Kurzum hier war bei mir vor dem Spiel das Schweigen im Walde, keine spezielle Spielvorbereitung oder ähnliches. Jedoch sehen sich die Spielerinnen allesamt täglich in der Schule und stacheln sich dort sowie in diversen "Kommunikationsplattformen" entsprechend gegenseitig an.
    Nicht einmal die Ansprache direkt vor dem Spiel kam von mir, die hielt meine Betreuerin, da ich erst zum Anpfiff in der Halle war, weil ich zuvor mit der B-Jugend zu o.g. Auswärtsdebakel unterwegs war.
    Hier ist es mir also gänzlich rätselhaft, wie es dazu kommen konnte.

    Etwas anders sieht es bei der B-Jugend aus. Diese Mannschaft habe ich zwar auch erst zu dieser Saison übernommen, aber zu einem etwas früheren Zeitpunkt. Wegen mehr oder weniger unglücklicher Zufälle hatten wir im Rahmen der Qualirunden gleich zweimal das zweifelhafte Vergnügen auf eben diesen "Reviernachbarn" zu treffen. Beim ersten Mal ging es um fast nichts (unentschieden nach regulärer Spielzeit und in der Verlängerung kam dann der Einbruch nach zwei Gegentreffern in Folge), beim zweten Mal hieß es dann allerdings "alles oder nichts" - Resultat: Totalausfall! Damals kannte ich die Mannschatf erst seit wenigen Wochen und mir fehlten noch die Mittel, sie großartig anders einzustellen außer im Rahmen einer "Breitbandtherapie". Dies hat sich bis heute selbstverständlich geändert. Meine Mannschaft hat riesen Fortschritte gemacht, gerade im taktischen Bereich und hätte allemal die Möglichkeiten, besagte andere Mannschaft, die ihr spielerisches Konzept praktisch nicht verändert hat, komplett in den Griff zu bekommen. In der Abwehr hat dies ja auch wunderbar, wir kassierten bloß 16 Tore gegen eine Mannschaft, die im Schnitt über 25 pro Spiel wirft. Auf den 20m zwischen Abwehr und Angriff schien aber irgendwo grundsätzlich jede Energie oder jeder Wille verschütt gegangen zu sein, denn wir warfen gerade einmal neun magere Törchen (davon auch noch drei Siebenmeter) im ganzen Spiel. Dies war nicht einmal auf großes Wurfpech zurückzuführen, sondern auf die einfache Rechnung, daß man keine Tore erzielen kann, wenn man nicht aufs Tor wirft. Ich verzweifelte an dieser Stelle...

    Nun zur Nachbereitung des B-Jugendspiels: In der ersten Trainingseinheit nach dem Spiel habe ich mir die Devise "Abhaken!" zum Grundsatz gemacht. Normalerweise lasse ich meine Spielerinnen (beider Mannschaften) immer erst einmal selber über das Spiel reflektieren und tue dann meine Meinung sowie meine Schlüsse daraus und die mittelfristige Planung, wie man mögliche Fehler durch konkrete Übungen gezielt abstellen kann, kund. In diesem Fall habe allein ich etwas gesagt und dabei auch nur die wirklich sehr gute Abwehrleistung hervorgehoben (hier setzte sich wirklich jede für die andere ein, ganz anders als im Angriff), an der wir uns aufbauen wollen. Danach behandelten wir den Aspekt des "mentalen Trainings" - ein Bereich, der mich schon länger interessiert und wo ich mich auch bereits eingelesen hatte - und ich nahm das Spiel zum Ansatz, dieses Training nun endlich einmal auszuprobieren und in meine Trainingsplanung einfließen zu lassen, was von meinen Spielerinnen auch sehr positiv aufgenommen wurde. Anschließend gab es ausschließlich Wurftraining. In der zweiten Einheit standen erneut das Mentaltraining, ein bißchen Wiederholung von Abläufen sowie hauptsächlich "Spaß" und kooperative Übungen auf dem Programm. Kommentar einer Spielerin auf dem Nachhauseweg: "Das Training heute war richtig geil!"
    Die Mädels verabredeten sich zudem eigentständig, mit der gesamten Mannschaft vor dem nächsten Spiel gemeinsam zu frühstücken.

    Als ich zum Spiel in die Halle kam, waren schon alle fertig umgezogen, motiviert und sehr guter Dinge - eine ähnliche Situation wie in der Woche zuvor, im übrigen gegen einen ähnlich starken Gegner. Ich harrte also der Dinge, die da kommen sollten und kann dieses Spiel ohne Übertreibung als souveränen Start-Ziel-Sieg bezeichnen. Die gegnerische Mannschft hatte zu keinem Zeitpunkt eine Chance, zwar lief auch hier im Angriff noch nich alles rund, aber keiner machte sich nach einem Fehler selber fertig, eher im Gegenteil, man klatschte sich trotzdem ab und motivierte einander. Es geht also!
    Der für mich persönlich größte Lichtblick war, daß selbst bei meinem kleinen "Pflegefall", die sich normalerweise nichts zutraut, allerdings grundsätzlich oder vielmehr vom Potenzial her zu den Leistungsstärkeren zählt, endlich der Knoten geplatzt war und sie wirklich torgefährlich war.

    Jedoch kann ich nicht jede Trainingswoche ausschließlich Bespaßung anbieten. Außerdem denke ich, daß das grundlegende Problem nach wie vor vorhanden ist, zumal das Rückspiel gegen den Lokalrivalen bereits in drei Wochen ansteht.
    Falls Ihr also noch ein paar Tipps parat habt, immer her damit! :D


    Suomi: Kannst Du ein bißchen konkreter werden bezüglich der Übungen Eurer Schulung?

    Viele Grüße


    ...oha, ist ganz schön viel Text geworden! Ich hoffe, der Leseaufwand war trotzdem noch zumutbar.

  • Hallo Osterhase

    Unsere Schulung war ein Basiskurs für Trainer des Kinderhandballs, also für 6-12 Jährige Juniroren. Das Thema "Gewinnerinstinkt / Motivation" wurde nur am Rande erwähnt, da in diesem Alter die Ausrichtung des Handballtrainings auf eine solide Handballsusblidung und nicht Gewinnen gelegt sein sollte.

    Wenn ich Deinen Beitrag durchlese, haben Deine Girls schon verstanden was schiefgelaufen ist.

  • Verstanden sicherlich!
    Das Problem ist bloß, daß sie leider grundsätzlich nicht mit Druck umgehen können - weder wenn sie in "Alles oder nichts"-Situationen auf gleichstarke Gegner treffen, noch wenn sie eigentlich klarer Favorit sind und man von ihnen eine Leistung "fürs Torverhältnis" erwartet. Da kam es doch schon des öfteren zu leicht peinlichen Spielergebnissen.

    Ich bin auf jeden Fall froh und glücklich über den Verlauf der letzten Handball-Woche, jedoch bin ich mir auch bewußt, daß sich das ganz schnell wieder ändern kann, und würde dem gern quasi prophylaktisch entgegenwirken.

  • Ich weiß nicht ob man dem tatsächlich entgegensteuern kann. Wobei in dem Alter vielleicht schon noch... ;)

    Denn - ich weiß aus eigener Erfahrung - was nicht nur in Derbys sondern bei uns vor allem in Spielen gegen "vermeintlich schwächere" Mannschaften geschieht.
    Obwohl wir von den einzelnen Spielerinnnen her zu den stärksten Mannschaften der Liga gehören, verloren wir in der Hinrunde in einem kläglichen Spiel gegen einen Ortsrivalen. (dennoch kein richtiges Derby)

    2 Wochen später zu Hause gegen den bis dato ungeschlagenen Tabellenführer ein nicht erwarteter Sieg, mit einer super starken Leistung.

    Erklärung? - Ich habe keine! :)

  • Zitat

    Original von DerOsterhase
    Das Problem ist bloß, daß sie leider grundsätzlich nicht mit Druck umgehen können

    Vielleicht solltest du genau das, deinen Mädels vor Augen halten und ihnen Bewusst machen, dass sie gegen einen anderen, gleichstarken Gegner gewinnen, wenn sie Handball spielen und sich nicht verrückt machen.

    Wenn du tot bist,
    dann weisst du nicht,
    dass du tot bist.

    ES IST NUR SCHWERER FÜR DIE ANDEREN.

    Genauso ist es,
    wenn du blöd bist.

  • Zitat

    Original von Max88

    Vielleicht solltest du genau das, deinen Mädels vor Augen halten und ihnen Bewusst machen, dass sie gegen einen anderen, gleichstarken Gegner gewinnen, wenn sie Handball spielen und sich nicht verrückt machen.

    ...wenn das mal so einfach wär... ;)

  • Nimm den Druck von der Mannschaft weg indem Du der Mannschaft deutlich andere Ziele setzt als zu gewinnen, dass Du zum Beispiel erwartest dass alle mindestens zweimal aufs Tor schiessen oder jeder eine Finte die Ihr im Training geübt habt ausprobieren soll etc. etc. und wenn dies klappt, sollte damit das Selbstvertrauen kommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Suomi (26. Januar 2010 um 12:22)