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Ego statt GeldKofferübergabe auf dem Parkplatz, Scheinüberweisungen: Was sich anhört wie ein Krimi ist die Geschichte Wie ein betrügerischer Sponsor TuSEM Essen in die Pleite trieb
Von Ulrich HartmannTuSEM Essen geht inzwischen wieder in der Bundesliga auf Torejagd.
Kurz vor der Insolvenz war der entnervte Handballmanager Klaus Schorn sogar noch nach Bremen gefahren, um auf dem Parkplatz eines Supermarkts gegen Zahlung von 7.500 Euro konspirativ einen Koffer in Empfang zu nehmen. Er wähnte darin rettende Dollarnoten, doch er fand bloß geschwärzte Papierscheine, die ihm ein nigerianischer Spezialist gegen 800 Euro chemisch zu reinigen und in Dollars zurückzuverwandeln versprach.Das war aber nur der absurde Höhepunkt einer kuriosen Kette von betrügerischen Episoden, mit welcher der damals als Hauptsponsor aufgetretene Unternehmer Georg Weiner Schorn monatelang ausgenommen und im Frühjahr 2005 die Insolvenz sowie den Lizenzentzug des Bundesligisten TuSEM Essen provoziert hatte. Weiner ist jetzt vom Landgericht Essen wegen Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt worden. "Klaus, ich habe einen Fehler gemacht", sagte er unter Tränen. Schorn, 73, würdigte ihn keines Blickes.
Blind vertraut auf 2,7 Millionen
Am 25. Mai 2005 hatte die Handball-Bundesliga dem TuSEM nach 26 Jahren die Lizenz entzogen und ihn in die dritte Liga strafversetzt. Ein Jahr zuvor war dem Klub der Hauptsponsor Deutsche Post abgesprungen, weshalb Schorns Spielbetriebs-GmbH die Insolvenz drohte. Niemand ahnte damals, dass sich von April 2004 bis Juli 2005 ein "großes Ganovenstück mit abenteuerlichen Details" abspielte, wie es der Staatsanwalt Marc Blomenkämper nannte. Die Essener Staatsanwaltschaft hat eine Geschichte rekonstruiert, die jedem Krimiautor als unglaubwürdig abgelehnt worden wäre.
Der frühere Edeka-Manager Schorn hat sich bei der verzweifelten Suche nach einem Hauptsponsor vom Hochstapler Weiner nach allen Regeln der Kunst hereinlegen und gut 60.000 Euro abnehmen lassen. Weiner hat Schorn 2004 als Inhaber eines angeblich florierenden Bauunternehmens mit Sitz in Athen kontaktiert und vertraglich 2,7 Millionen Euro Sponsorengeld versprochen. Tatsächlich hatte sich der arbeitslose Bürokaufmann drei Monate zuvor mit gefälschten Zeugnissen in Schindhard einen Job ergaunert, weshalb er vom Amtsgericht Pirmasens später zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Der Oberhausener Weiner, 58, saß in Essen schon zum dritten Mal vor Gericht. Er hatte Talent zur Täuschung und gaukelte Schorn ein Jahr lang vor, die versprochene Millionensumme werde bald überwiesen. Doch statt mit Geld versorgte er den klammen TuSEM mit seinem Ego. Er trat großmäulig bei Medienterminen auf, putzte nach Niederlagen in der Pressekonferenz Trainer Juri Schewzow herunter und ließ sich von Schorn einen Computer für 1.500 Euro sowie teure Vip-Karten für die Arenen in Schalke und Oberhausen schenken.
Auf den TuSEM-Trikots prangte derweil der Name seines erfolg- und wertlosen Unternehmens Weinerplan. Schorn vertraute blind auf die 2,7 Millionen Euro. Er hatte keinen anderen Großsponsor an der Hand und benötigte den hochdotierten Vertrag mit Weiner auch zur Vorlage bei der Lizenzierungsstelle der Bundesliga.
Monatelang glaubte Schorn, das Geld tatsächlich zu erhalten, und war in der Not sogar mehrfach bereit, dafür in Vorleistung zu treten. Im November 2004 überwies er für den Banktransfer einer angeblich in Südafrika festgesetzten Summe von 3,5 Millionen Dollar 15.400 Euro nach Hongkong sowie 1.800 Euro nach Johannesburg. Er gab Weiner im Februar 2005 bei drei Besuchen in Brüssel zur dann trotzdem nicht erfolgten Auslösung eines ominösen Geldkoffers 28.000 Euro in bar und schickte einen Monat später insgesamt 5.300 Euro an unterschiedliche Adressen in London, um eine Überweisung zu veranlassen.
Lesen Sie auf Seite 2: Wie Weiner das fehlende Geld erklärte und welche Verbindung der heutige Manager zum Handball hat.
In jedem der Fälle erklärte Weiner das Scheitern des Geldtransfers mit fehlenden Belegen oder Bankirrtümern. Diesbezügliche Mitteilungen verschiedener Institute hatte er kunstvoll gefälscht. Der TuSEM konnte den Spielbetrieb in jener Zeit nur erhalten, weil die Förderkreis-Mitglieder Werner Hemp und Horst-Gerhard Edelmeier private Darlehen über 160.000 und 120.000 Euro gewährten.
Manager Schorn ist bedient
Weil Schorn nicht mehr wollte, überwies Hemp Mitte Juni noch eine Summe nach Großbritannien, nachdem sich auch der teure Geldkoffer von Bremen als wertlos entpuppt und Weiner gleichwohl nochmals beteuert hatte, 2,5 Millionen Dollar könnten nun kurzfristig von einem chinesischen Geschäftspartner bereitgestellt werden. Es war die letzte Täuschung. Am 1. Juli 2005 beantragte Schorn das Insolvenzverfahren für seine "TuSEM Handball GmbH".
Schorn gibt dem Betrüger Weiner die alleinige Schuld für den Niedergang des Traditionsklubs. Auch Staatsanwalt Blomenkämper sagt: "Das Verhalten des Beschuldigten hat zur Insolvenz und zum Lizenzentzug des TuSEM geführt." Weiners Anwalt Stefan Kixmöller indes nennt Schorns Verhalten in der Affäre mindestens fahrlässig: "Schorn hat Weiner mehrfach gesagt, er brauche diese Sponsoringverträge auch dringend zur Vorlage bei der Lizenzierungsstelle." Die Insolvenz habe ohnehin gedroht. "Der Konkursantrag wäre sonst wohl nur früher gestellt worden."
Der TuSEM spielt mittlerweile wieder in der Bundesliga. Für den jahrzehntelangen Manager Schorn ist das Kapitel beendet. Er besucht nicht einmal mehr die Heimspiele. Neuer Boss der Essener Handballer ist seit 2005 Horst-Gerhard Edelmeier. Ihm blieb im Prozess die Zeugenaussage erspart. Weiner hatte rechtzeitig gestanden.
(SZ vom 21.06.2008/pes)
Das ist unglaublich, was da alles passiert ist!