Wenn es hier schon vorkam, pardon.
Ein frischer Artikel von Eggers aus dem Kölner Stadt Anzeiger
http://www.ksta.de/html/artikel/1162473270130.shtml
ZitatAlles anzeigenDie ungeliebten Gegentor-Fabriken
VON ERIK EGGERS, 15.01.07, 20:38h
Verbandspolitik gegen sportlichen Sinn: Warum Australien dabei ist.
Köln - Alfred Gislason, der 47-jährige Trainer der isländischen Nationalmannschaft, ist ein kantiger Typ und bisher selten als Diplomat aufgetreten. Aber jetzt geht es um Australien, am 20. Januar in Magdeburg erster Gruppengegner Islands bei der XX. Handball-Weltmeisterschaft, und in diesem Fall will Gislason nicht arrogant erscheinen. Deshalb überlegt er eine Weile, dann formuliert er es so: „Die vertreten auch ein Land.“ Gislason sagt nicht: „Was zum Teufel haben solche Amateure, die kaum einen Ball fangen können, bloß bei einer Weltmeisterschaft zu suchen? Und wer ist dafür verantwortlich?“ So ungefähr äußerte sich Gislasons Vorgänger Gudmundur Gudmundsson bei der WM 2003 in Portugal, als Island schon einmal gegen die Freizeithandballer aus „down under“ spielen musste. Damals siegten die Isländer mit 40 Toren Vorsprung, am Ende hieß es 55:15, das war Rekord in der WM-Geschichte. Obwohl die australischen Spieler abends, am Tresen des Spielerhotels, lustige Geschichten aus ihrer Handball-Diaspora erzählten, war Gudmundsson reichlich genervt: „Dieses Spiel war nicht gut für uns, nicht gut für den Gegner und vor allem nicht gut für eine Weltmeisterschaft.“
Nun ja, viel hat sich auf dem fünften Kontinent seitdem nicht getan im Handball. Damals hatte der australische Handballverband rund 150 Mitglieder, heute kann man auf der Website unter der Rubrik „registered players“ rund 370 Namen zählen - weniger Mitglieder, als der Deutsche Tipp-Kick-Verband in seinen Reihen organisiert. Weiterhin finanzieren die australischen Handballer ihre WM-Teilnahme quasi selbst. Wie chancenlos die Australier bei der WM sind, weiß Gislason: „Die haben sogar gegen Grönland verloren.“
Weitere unsinnige Schlachtfeste auf dem Handballparkett sind demnach vorprogrammiert, spielt Australien doch außerdem noch gegen die Ukraine und den Topfavoriten Frankreich. Wenn es stimmt, was im WM-Sonderheft des Fachorgans „Handballwoche“ steht, dass nämlich der australische Kapitän Lee Schofield „niedergeschlagen“ sein wird, sollte sein Team „nicht einen oder zwei Siege aus den drei Partien mitnehmen“, dann ist an Schofield, der gleichzeitig Generalsekretär des Handballverbandes ist, ein großer Komiker verloren gegangen.
Auch Heiner Brand sieht die Teilnahme Australiens kritisch. „Gegen solche Mannschaften zu spielen, macht im Prinzip keinen Spaß“, sagt der Bundestrainer, „es sei denn, man nutzt das zur Regeneration. Bei der WM 2003 in Portugal hatten wir drei solche Gegner - Grönland, Katar und Australien - das war zu viel.“ Aber natürlich liegen die Dinge nicht immer so einfach wie im Falle Australiens: „Da hat man als Weltverband auch eine Verantwortung, auch wenn das unter Leistungssportaspekten nicht immer so erstrebenswert ist“, sagt er und verweist auf die Fortschritte beim einstigen Underdog und jetzigen WM-Geheimfavoriten Tunesien.
Der deutsche Gruppengegner Brasilien hat mit Bruno Souza (HSV) und Renato Rui (Wilhelmshaven) sogar zwei Bundesliga-Profis herausgebracht. Hier habe sich die Entwicklungsarbeit der Basler Zentrale des Welthandballverbandes IHF schließlich ausgezahlt. „Eine Diskussion wert“ sei dieses Thema aber allemal, findet Brand.
Als Problem erkannte die IHF den extremen Fall Australien schon bei der WM 2003: „Es hat einfach keinen Zweck, dass die Australier hier sind“, sagte Kjartan Steinbach, ein hoher IHF-Funktionär der Internationalen Handball-Föderation (IHF), und er kündigte „eine größere Auseinandersetzung in dieser Frage“ an. Steinbach betrachtete diese Diskussion aber schon damals als „sportpolitisch sehr heikel“; er wusste, dass die Verbände mit schwächeren Teams auf ihre Kontinentalkontingente beharren würden und außerdem der ägyptische IHF-Präsident Hassan Mustafa sich bei diesen Handball-Zwergen nicht unbeliebt machen will, die seit einiger Zeit die Mehrheit im Weltverband stellen - seitdem nämlich Mustafa, auch um seinen Einfluss auszubauen, möglichst viele Mitglieder aufgenommen hat in die IHF, selbst wenn in manchen Ländern nur theoretisch Handball gespielt wird.
Damals stellten mit Panamerika, Afrika und Asien (jeweils drei Plätze) und Ozeanien (ein Platz) insgesamt 10 Plätze des 24 Nationen umfassenden WM-Feldes. „Ich will dafür sorgen, dass Afrika, Amerika und Asien nur noch zwei Plätze bekommen“, kündigte Steinbach damals forsch an, auch der Ozeanien-Platz sollte diskutiert werden. Das Ergebnis ist: Alles ist beim Alten geblieben, die Afrikaner haben, wegen der Spielstärke Tunesiens, gar noch einen Platz dazugewonnen.
Bei Olympia sind die Exoten ja ein bisschen das Salz in der Suppe. Aber bei einer Handball-WM? Es ist wirklich sinnlos, oder?