Interview mit Viktor S. auf sportnet.at:
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Szilagyi: "Ganz andere Rolle als bei Kiel"
Viktor Szilagyi, Kapitän der österreichischen Handball-Nationalmannschaft, über den Wechsel zu Gummersbach, seine neue Rolle, die Entwicklung des Nationalteams Richtung EURO 2010 und die nächsten Schritte nach dem Trainereffekt.
Mit dem Wechsel von Kiel zu Gummersbach startete Viktor Szilagyi in der Saison 2008/09 seine vierte Deutschland-Station (nach Dormagen, Essen und Kiel). 39 Treffer, wesentlich mehr Spielanteile und ein hart erkämpfter Stammplatz stehen für den 30-jährigen, über 100-fachen Nationalteamspieler und Champions-League-Gewinner 2007 nach neun Spieltagen zu Buche. Das sportnet.at-Interview:
sportnet.at: War dein Wechsel von Kiel zu Gummersbach eine gute Entscheidung?
Viktor Szilagyi: "Ja, persönlich gesehen auf jeden Fall. Ich bin mittlerweile seit einigen Spielen Stammspieler, habe eine ganz andere Rolle als bei Kiel und auch in der Tabelle stehen wir mittlerweile ganz gut da."
Bist du mit dem Saisonverlauf bisher zufrieden?
"Nicht ganz. Wir haben einen schlechten Start hingelegt, auch momentan spielen wir noch nicht so richtig gut, haben in den letzten Runden aber wichtige Punkte geholt. Wir können den starken Kader noch nicht komplett nutzen. Persönlich wie auch mannschaftlich kann man noch von einem Findungsprozess sprechen. Es wird noch ein wenig dauern, im Training klappt es aber schon sehr gut."
In Gummersbach spielst du ja eine ganz andere Rolle als in Kiel.
"Ja, wie gesagt habe ich mittlerweile einen Stammplatz. Auch die Spielweise ist anders. Der Trainer verlangt mehr einen Spielmacher in der Mitte. In Kiel haben alle drei Rückraumspieler viel geworfen. In Gummersbach bin ich mehr der Vorbereiter, identifiziere mich auch mehr und mehr mit dieser neuen Rolle."
Was sind eure Saison-Ziele?
"Ein großer Traum ist die Qualifikation für die Champions League, die wollen aber acht bis neun andere Teams auch. Wenn die Mannschaft um einen Platz besser abschneidet als vergangene Saison (2007/08: 6. Platz, Anm.), ist es aber auch in Ordnung. Unbedingt wollen wir aber ins Final Four im Pokal- und Europapokal-Bewerb."
Solche Szenen waren für Szilagyi in Kiel rar gesät - 3x Meister, 2x Cupsieger, 1 CL-Triumph.Was sind die großen Unterschiede zwischen Gummersbach und deinen bisherigen Deutschland-Stationen Dormagen, Essen und Kiel?
"Es gibt immer sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede. Die Ostsee-Halle in Kiel ist beispielsweise einmalig, Probleme gab und gibt es hingegen in Essen und jetzt in Gummersbach mit der Heimhalle. Die Köln-Arena kommt bei den Besuchern nicht so gut an. 19.000 würden in die Halle passen, gegen Kiel waren 9.000 da, ansonsten noch weniger. In Gummersbach trauert man auch wie damals in Essen den großen Erfolgen der Vergangenheit nach. Daher ist auch ein internationaler Titel das große Ziel. Die Mannschaft muss ein neues Ausrufezeichen setzen, das die glorreiche Vergangenheit ein wenig vergessen lässt."
War das Aufeinandertreffen mit deinen ehemaligen Kollegen aus Kiel etwas Besonderes?
"Das ist schon etwas Komisches, wenn man gegen Leute spielt, mit denen man jahrelang in einer Mannschaft war, zu denen man Freundschaften aufgebaut hat. Schon beim Aufwärmen war ein komisches Gefühl da. Es war auch übrigens das erste Mal überhaupt, dass ich gleich im Jahr darauf auf meine Ex-Mannschaft getroffen bin. Sportlich ist es leider nicht so positiv verlaufen, wir haben den Sieg in der zweiten Hälfte leichtfertig verspielt."
Lesen Sie auf der zweiten Seite, was Viktor Szilagyi über die anderen drei Deutschland-Legionäre und die Entwicklung des Nationalteams denkt.
Wie beurteilst du die Leistungen der drei anderen Deutschland-Legionäre?
"Zu Konni Wilczynski braucht man nicht viel zu sagen. Er hatte letztes Jahr eine perfekte Saison. Heuer hat er es sicher schwieriger, weil sich die Mannschaften mehr auf ihn konzentrieren. Aber er ist mittlerweile einer der besten Linksaußen in der deutschen Bundesliga. Das ist schon unglaublich. Robert Weber und Max Wagesreiter spielen eine brave Saison. Für sie gab es sicher etliche neue Situationen zu bewältigen, an das muss man sich erst einmal gewöhnen. Aber bis jetzt ist das sehr in Ordnung, ich denke, der Verein ist mit ihnen sehr zufrieden."
Jubelszenen mit Dagur Sigurdsson soll es in Zukunft noch viele geben.Befindet sich das Nationalteam auf einem guten Weg?
"Mit Dagur Sigurdsson ist frischer Wind hineingekommen. Wir bewegen uns in die richtige Richtung, alle ziehen an einem Strang. Auf uns kommen jetzt richtungsweisende Spiele zu. Ich finde es aber gut, dass wir es mit Gegnern aufnehmen, die in der Europa- oder Weltrangliste weit über uns stehen. Wir werden viel mitnehmen und dazulernen."
Man beobachtet oft, dass nach der Verpflichtung eines neuen Trainers durch die Anfangseuphorie durchaus ein Trainer-Effekt zu bemerken ist, die Formkurve danach aber wieder stagniert. Wird bei euch die positive Entwicklung weitergehen?
"Ich glaube schon. Man hat schon ab dem ersten Training gemerkt, dass eine ganz andere Stimmung und Bereitschaft in der Mannschaft vorherrscht und das hat sich bis jetzt gehalten. Auch im Sommer-Lehrgang, ohne offizielle Spiele und kurz vor dem Urlaub, waren alle voll bei der Sache, was nicht selbstverständlich ist. Dagur verändert außerdem die Mannschaft immer wieder ein bisschen, was den Konkurrenzdruck erhöht. Aber jetzt brauchen wir auch gute Spiele und Ergebnisse, um einen Schritt weiterzugehen."
Was bedeutet dir die Kapitänsrolle in der Nationalmannschaft?
"Einerseits ist es natürlich eine große Ehre, andererseits hat sich auch nicht allzu viel verändert. Schon als David (Szlezak, Anm.) Kapitän war, habe ich versucht, Verantwortung am und außerhalb des Platzes zu übernehmen, vor allem mit den jungen Spielern zu reden, meine Erfahrungen in gewissen Situationen weiterzugeben. Was jetzt noch mehr dazu kommt, ist die Kommunikation mit dem Trainer. Das machen Konni (Wilczynski, Anm.) - sozusagen als Co-Kapitän - und ich zusammen."