ZitatAlles anzeigen"Ich bin immer wieder aufgestanden"
München/Lemgo - Time to say goodbye. Zeit, Abschied zu nehmen.Stephan spielt am Sonntag mit
Vorschau Stephan spielt am Sonntag mit "Daniels Champions" gegen ein TBV-Allstar-Team
Wieder tritt einer der Stars aus der "Goldenen Generation" ab. Daniel Stephan steht vor seinem letzten Spiel in der Bundesliga.
Der 34-Jährige, der seit November 2007 in Doppelfunktion als Spieler und Sportlicher Leiter des TBV fungiert, wird nach dem Abschiedsspiel am 18. Mai offiziell die Schuhe an den Nagel hängen.
Stephan gehörte zu jener deutschen Nationalmannschaft, die 2004 die jahrzehntelange Durststrecke des DHB mit dem Gewinn des Europameistertitels beendete. Im gleichen Jahr holte die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand Olympia-Silber in Athen.Triumphe und Rückschläge
Unvergessen bleibt der Sieg im Jahrhundertspiel im Viertelfinale nach Siebenmeterwerfen gegen Spanien. Stephan verwandelte den entscheidenden Wurf zum 32:30.
Doch es gab auch viele Rückschläge für den ersten deutschen Welthandballer. Aus Verletzungsgründen bestritt der 183-malige Nationalspieler nie eine WM-Partie.
Bei Sport1.de erinnert sich Stephan an Triumphe und Tragödien. Er spricht über Doping im Handball und eine andere Karriere.
Sport1: Herr Stephan, haben Sie Ihre Rücktrittsentscheidung schon bereut?
Daniel Stephan: Nein.
Sport1: Ist bei Ihnen schon Wehmut aufgekommen?
Stephan: Eigentlich kaum. Natürlich denkt man abends beim Einschlafen schon mal dran. Aber Wehmut kommt sicher erst am Tag des Abschiedsspiels.
Sport1: Werden Tränen fließen?
Stephan: Ich weiß es nicht. Eigentlich bin ich nicht so nah am Wasser gebaut. Aber man weiß es nie.
Sport1: Sie haben ein erstes halbes Jahr als Sportlicher Leiter hinter sich. Gefällt Ihnen die neue Aufgabe?
Stephan: Ja. Natürlich war es am Anfang eine Umstellung und die Doppelfunktion ein erheblicher Zeitaufwand. Aber ich bleibe tief im Handball drin, das ist sehr gut.
Sport1: Vom Spieler zum Funktionär - was hat Sie am meisten bei dem Rollenwechsel überrascht?
Stephan: Als Spieler hat man keinen großen Einblick, was hinter einem Klub steht. Man hat es leicht, geht zum Training, zur Massage, und dann ist Spielen angesagt. Aber was für ein Apparat dahinter hängt, habe ich jetzt erst gesehen. Es ist bemerkenswert, wer nur für den Verein lebt und arbeitet.
Sport1: Ihre Karriere war wechselhaft, viele Erfolge, aber auch Verletzungen.
Stephan: Wechselhaft ist das falsche Wort. Ich habe zwar keine Weltmeisterschaft wegen Verletzungen gespielt, aber das ist mir wirklich wurscht. Denn ich habe viel erreicht. Ich war bei drei Olympischen Spielen dabei, habe Medaillen geholt, war Meister mit dem TBV: Das kann mir keiner nehmen! Da blende ich das Negative aus und nehme die schönen Dinge mit. Von denen gab es so viele Momente.
Sport1: Zum Beispiel?
Stephan: Die Meisterschaften 1997 und 2003 mit dem TBV. Die Pokalsiege, die Europapokaltriumphe. Der EM-Titel 2004 mit der Nationalmannschaft. Oder das olympische Viertelfinale im gleichen Jahr in Athen. Das war herausragend.
Sport1: Aber Sie hatten viele Verletzungen.
Stephan: Die aber sehe ich nicht als negativ an. Denn es war immer eine große Herausforderung, mich von Null zurückzukämpfen. Ich bin stolz darauf, dass ich das immer wieder geschafft habe und mich nie habe zermürben lassen. Ich bin immer wieder aufgestanden.
Sport1: Wegen der Verletzungen wurden Sie "Pechvogel des deutschen Handballs" genannt.
Stephan: Das kann ich nicht mehr hören. Das ist eine alte Leier, denn Verletzungen gehören zum Sport dazu.
Sport1: Wann haben Sie Ihre schwärzeste Stunde erlebt?
Stephan: Mit Lemgo in der Saison 2000/2001, als wir kurz vor dem Saisonende 19:22 in Großwallstadt verloren haben. Und ein Jahr später die 27:29-Niederlage in Wetzlar. Beide Male haben wir dadurch die Meisterschaft verspielt. Das hat weh getan. Und natürlich das EM-Finale 2002, als man uns in Schweden den Titel geklaut hat. Das war schmerzvoll. Da haben wir qualitativ sehr guten Handball gespielt, aber sind nicht belohnt worden. Es gab einige Niederlagen, aber auch sehr viele Siege."Ich habe Heiner viel zu verdanken"
Einer der bitteren Momente: Das verlorene Finale von Athen - 24:26 gegen Kroatien
Vorschau Einer der bitteren Momente: Das verlorene Finale von Athen - 24:26 gegen Kroatien
Sport1: Der Handball hat sich im Laufe Ihrer Karriere gewandelt.
Stephan: Oh ja, das stimmt. Athletik, Tempo, individuell sind die Spieler besser geworden. Vor allem aber das Ambiente. Früher war es ein Handball-Spiel, heute ein Event. Große Hallen, viele Zuschauer. Als ich 1994 nach Lemgo kam, passten 2300 Fans in die Halle. Damals gab es einen Ausländer in der Mannschaft, heute zwei, drei Deutsche in manchen Teams.
Sport1: Hat sich alles nur zum Guten verändert?
Stephan: Nicht alles. Klar, der Handball muss sich verändern. Aber ich würde mir wünschen, dass wieder mehr die Traditionen im Vordergrund stehen, nicht nur alles neu, neu, neu gemacht wird. Für die Zuschauer ist es toll, wenn ein Spiel 35:33 ausgeht. Ich würde mich auch mal über ein 22:20 freuen. Da ist ein Tor noch was wert. Aber die Zeit will ich nicht zurückdrehen.
Sport1: Sie waren der erste deutsche Welthandballer. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung heute?
Stephan: In einem Land mit so vielen Handballgrößen macht mich das stolz. Aber ohne eine Mannschaft kann man diesen Titel nicht holen. Wenn Bundestrainer Heiner Brand nicht so auf mich gesetzt hätte, hätte ich wohl keine Chancen gehabt. Ihm habe ich viel zu verdanken.
Sport1: Viele Spieler hatten Respekt vor Ihnen. Vor wem hatten Sie am meisten Respekt?
Stephan: Magnus Wislander war so ein Typ. Was er gemacht hat, war Wahnsinn. Oder Kyung-Shin Yoon. Dass er Jahr für Jahr so viele Tore gemacht hat, war super. Aber auch die Torhüter wie Thiel, Hecker, Holpert. Diese Generation war klasse.
Sport1: Wer war Ihr härtester Gegenspieler?
Stephan: Es gab immer wieder Raufbolde, hätte ich fast gesagt. Zu Essener Zeiten Kristof Shargy. Das ist einer der alten Schule, sage ich mal.
Sport1: Welchen Ruf, glauben Sie, genießt Daniel Stephan in der Bundesliga?
Stephan: Schwer zu beurteilen. Ich glaube, ich habe versucht, ehrliche Arbeit abzuliefern, den Kampf anzunehmen und ich habe mir sicherlich Respekt verschafft. Andererseits kann ich mir aber auch vorstellen, dass einige Spieler mich für arrogant gehalten haben. Ich habe versucht, mich immer so zu verkaufen, wie ich bin. Ich denke, ich bin nicht der unbeliebteste Spieler.
Sport1: Sie sind 1994 nach Lemgo gewechselt und immer beim TBV geblieben.
Stephan: Ja, weil ich die Chance hatte, bei der Gestaltung des TBV mitzuhelfen. Das war sehr reizvoll. Und als ich meinen letzten Vertrag unterschrieben habe, habe ich mich nicht gegen das Ausland entschieden, sondern für den TBV Lemgo. Das habe ich nie bereut. Einen Wechsel innerhalb Deutschlands konnte ich mir ohnehin nie vorstellen.
Sport1: Gab es auch mal eine Anfrage vom Primus aus Kiel?
Stephan: Es gab mal lockere Gespräche, aber man wusste, dass der TBV mein erster Ansprechpartner ist. Es gab auch Anfragen aus dem Ausland, aber das habe ich geblockt. Ich wollte nicht ins Ausland gehen.
Sport1: Sie sind nun Sportlicher Leiter. Dann winkt die Trainerlaufbahn.
Stephan: Ich kann mir vorstellen, in den Trainerbereich zu gehen. Denn ich glaube, ich kann viele Dinge gut vermitteln. Erst einmal habe ich aber drei Jahre Vertrag als Sportlicher Leiter. Nebenbei werde ich die Trainerscheine machen.
Sport1: Wäre der Bundestrainer-Job reizvoll?
Stephan: Das ist weit hergeholt. Sicherlich ist es reizvoll, Bundestrainer zu werden. Aber das Ziel habe ich nicht vor Augen. Die Fußstapfen von Heiner Brand sind ohnehin sehr groß.
Sport1: In den vergangenen Jahren wurde Doping zu einem wichtigen Thema im Sport. Wird im Handball gedopt?
Stephan: Für jeden Handballer kann ich nicht die Hand ins Feuer legen, aber ich glaube nicht, dass wir eine anfällige Sportart sind. Es gab sicherlich Marihuana-Fälle, aber ob wir etwas mehr Kraft oder Ausdauer haben, ist nicht so entscheidend. Der Ball muss ins Tor, das zählt. Dass es schwarze Schafe gibt, ist nicht auszuschließen, ich glaube aber, der Handball-Sport ist sauber.
Sport1: Welche Philosophie wollen Sie an die nachkommenden Handballer weitergeben?
Stephan: Das oberste Gebot ist Kampf. Nie aufgeben, immer an sich glauben. Man ist kein Einzelsportler, die Mannschaft steht im Vordergrund, und mit der will man alles erreichen. Vor allem aber ehrliche Arbeit abzuliefern. Man muss sich der Verantwortung stellen und etwas versuchen, dann darf man auch Fehler machen. Wenn man kämpft, hat man sich nicht viel vorzuwerfen.
Das Gespräch führte Michael Schwartz
Auch mit seinen ganzen Verletzungen ist er für mich einer der besten Mittelmänner der letzten 10 Jahre gewesen. Durch meine eigenen Erfahrungen mit Rückschlägen bewunder ich ihn für seinen Kampfgeist umso mehr. Ich werde ihn als Persönlichkeit und seine ganz eigene Art auf jeden Fall vermissen... ![]()