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Stefan Lövgren, Direktor des Melsdorfer "Flohzirkus'"
Regisseur von Handballmeister THW Kiel trainiert die KleinstenMelsdorf - Am 20. Dezember erwartet der THW Kiel den SC Magdeburg. Für die Zebras ist ein Sieg Pflicht, wollen sie ihren Titel als deutscher Meister verteidigen. So gelassen Stefan Lövgren dieser schweren Aufgabe entgegen blickt, so nervös macht den Kapitän des Handball-Bundesligisten ein anderes Datum - der 18. Dezember. An diesem Sonntag wird Lövgren als Trainer die Mini-Handballer aus Melsdorf bei ihrem ersten Punktspiel betreuen.
Ein Torwart, vier Feldspieler, ein Softball, eine abgesenkte Torlatte. Mädchen und Jungs im Alter zwischen sechs und acht Jahren. Das ist die Welt, die den Kapitän des deutschen Meisters und der schwedischen Nationalmannschaft 48 Stunden vor dem Schlager gegen Magdeburg beschäftigen wird. Eine Welt, die auch nicht frei von Sorgen ist. Schließlich hat der 34-Jährige noch keine "Stamm-Fünf" gefunden. Gut möglich, dass sein kompletter Kader an diesem Sonntag Zeit hat und der Schwede zwei Dutzend Kinder einsetzen kann. "Dann muss ich mir etwas einfallen lassen."
Seit einigen Wochen betreut der Weltmeister den ganz kleinen Handball-Nachwuchs des TSV Melsdorf. Immer donnerstags von 15 bis 16 Uhr. Warum? Weil sein knapp sechs Jahre alter Sohn Linus dabei ist und weil ihm diese Aufgabe Spaß macht. Der Weltmeister hat selbst als Siebenjähriger die ersten Bälle geworfen. Mit 13 stand er im Tor, mit 15 versuchte er sich als Linksaußen, mit 18 schlug er als "Halblinker" die Profi-Laufbahn ein. In Kiel verwandelte sich der dreimalige deutsche Meister schließlich in einen der weltbesten Spielmacher. "Ich freue mich, wenn wir einen Angriff genauso spielen, wie er geplant war." Das Tore werfen überlässt der vierfache Europameister gerne den Nebenleuten. Ihm genügt der Charme der Taktik. "Ich bin auch ein bisschen faul geworden und nicht mehr so schnell wie die anderen."
Immer donnerstags muss er für eine Stunde die hohe Kunst seines Sports vergessen. Dann, wenn sich im Umkleideraum der kleinen Melsdorfer Turnhalle knapp 20 Kinder stapeln. Wenn es richtig laut wird, einer seine Schuhe vergessen hat und die Jungs Training ohne Aufwärmen einfordern. Wenn der kleine Jannis (6) im Tor steht und dabei die Hände in den Hosentaschen vergräbt. So wie am letzten Donnerstag.
Mit der Hilfe von Jette Berner (15) versammelt Lövgren seinen ganzen Kader auf einer Matte. Seelenruhig, den Finger auf den Lippen. Die Kids hören ihm zu. Sie mögen ihn. Sie kennen ihn. Schließlich wohnt die vierköpfige Familie Lövgren seit vielen Jahren in Melsdorf. Der Mensch ist bekannt, der Handballer kaum. "Nein. Deutscher Meister war er bestimmt noch nie", sagt Lena (7).
Sie ist dabei, weil ihre Freundin Mimi ihr gesagt hätte, dass sie hier gebraucht wird. "Ich weiß aber, dass er im THW spielt." Handballer will sie nicht werden. Ihr Berufswunsch ist es, ein eigenes Pferd zu besitzen. Aus welchem Land der Trainer kommt? Da weiß Yannick Rat. Der Achtjährige aus Strohbrück trägt als einziger ein Lövgren-Trikot. "Aus Spanien." Zweifel im Blick des kleinen Ole. "Aber spielt der nicht in der Schwedengruppe?" Den Siebenjährigen hat sein Großvater Dieter Suchy aus Projensdorf nach Melsdorf gebracht. "Bei uns gibt es eine solche Kindergruppe nicht und Ole fand es hier einfach toll." Der 65-Jährige weiß um die Erfolge des Handballers Lövgren. "Beachtlich, dass so einer sich um einen solchen Flohzirkus kümmert. Schließlich hat er doch selbst drei-, viermal Training in der Woche." Was Dieter Suchy nicht weiß - die Profis des THW Kiel trainieren zweimal am Tag.
Den Spaß am Ballspiel will Lövgren den Kleinen vermitteln. Und da der Göteborger seinen Vertrag beim THW Kiel nun bis Juni 2008 verlängert hat, kann er auch in Melsdorf noch in aller Ruhe arbeiten. Vorausgesetzt, er hat erst einmal den 18. Dezember überstanden.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 26.11.2005)
Hat zwar einen Grund, dass Lövgren Mini-Trainer wird (sein Sohn spielt dort), aber ich denke, andere Größen des deutschen Handballs könnten sich ihn zum Vorbild nehmen.