- Offizieller Beitrag
Stuttgarter Zeitung, 22.11.05
ZitatAlles anzeigenDie Affäre um die Handballer aus Oßweil zieht Kreise
TSG wird verdächtigt, vier Steuerarten und Sozialabgaben hinterzogen zu haben – Staatsanwaltschaft gibt keinen Kommentar
LUDWIGSBURG. Bei den Ermittlungen gegen die Handballer der TSG Oßweil geht es offenbar um mehr als um nicht korrekt versteuerte Kartenerlöse. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung wird wegen Steuerhinterziehung im großen Stil ermittelt.
Von Verena Mayer
Thomas Lutz ist noch immer ratlos. Auch fünf Tage nach den Hausdurchsuchungen kann sich der Vorsitzende der TSG Oßweil nicht
erklären, wer den Verein anonym angezeigt hat. Und eventuellen Fehlern bei der TSG können Lutz und seine beiden Vorstandskollegen auch nicht mehr nachgehen. Alle Unterlagen, sagt Lutz, seien am vergangenen Donnerstag ja beschlagnahmt worden.
Wie berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart an jenem Tag die Geschäftsräume der TSG Ludwigsburg-Oßweil GmbH & Co KG
sowie mehrere Wohnungen von ehemaligen und noch aktiven Vereinszugehörigen durchsucht. Der Vorstand des Hauptvereins war
eigenen Angaben zufolge von der Durchsuchungsaktion völlig überrascht worden. Inzwischen hat Thomas Lutz zwar eine Vermutung für den Grund der Aktion. Ob die aber stimmt, weiß er nicht. Demnach könnte die Versteuerung von Kartenerlösen die Ermittler auf den Plan gerufen haben. Zu den Heimspielen des Zweitligisten kämen im Schnitt zwar 750 Zuschauer, aber nicht alle
davon würden bezahlen. Weshalb die tatsächlichen und die zu versteuernden Einnahmen aus den Kartenerlösen geringer seien, als es die offiziellen Zuschauerzahlen erwarten ließen, sagt Thomas Lutz. Möglicherweise gebe es hier aus der Sicht der Finanzbehörden Diskrepanzen, die es zu klären gelte.
Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung reicht der Verdacht gegen die Turn- und Sportgemeinschaft allerdings weiter. Demnach
soll es um Steuerhinterziehung im großen Stil gehen – um die Hinterziehung von Umsatzsteuer, Einkommen-, Körperschaftsund
Lohnsteuer sowie um Sozialabgabenbetrug. Es besteht der Verdacht, dass die TSG den Lohn für Spieler nicht versteuert und
damit auch keine Sozialabgaben abgeführt haben könnte. Auch einige Spieler sollen möglicherweise keine Einkommensteuer bezahlt haben. Damit diese Form der Lohnzahlung nicht auffällt, könnte die TSG die Lohnmittel aus verschiedenen Quellen (Sponsorengelder, Zuschüsse, Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten) bezogen und den Geldfluss dann verschleiert haben. Dieser Verdacht reicht offenbar weiter zurück als nur bis zum Jahr 2002, in dem die anonyme Anzeige gestellt worden ist.
Nach Informationen unserer Redaktion betreffen die Ermittlungen die Jahre 2000 bis 2005, teilweise sollen auch Unterlagen aus
dem Jahr 1999 untersucht werden. Dies bedeutete, dass von den Ermittlungen nicht nur die TSG Ludwigsburg-Oßweil GmbH & Co KG betroffen wäre, die 2003 für den Spielbetrieb der Bundesligamannschaft gegründet wurde, sondern auch der Hauptverein.
Der Geschäftsführer der GmbH, Olaf Schimpf, wollte sich auch gestern nicht zu den Verdächtigungen äußern. „Kein Kommentar“,
sagte er und verwies auf seinen Anwalt. Auch dieser war zu keiner Stellungnahme bereit. Man sei noch dabei, Unterlagen zu
sichten, ließ er ausrichten.
Der Trainer der ersten Handballmannschaft, Oliver Hess, wies den Verdacht der Steuerhinterziehung im großen Stil gestern zurück. „Dass das nicht richtig ist, weiß ich hundertprozentig“, sagte er. Jeder Spieler, begründete er seine Gewissheit, habe sofort nach der Verpflichtung einen Termin mit dem Steuerberater. Dieser wiederum habe stets bestätigt, dass alles in Ordnung sei.
Die Staatsanwaltschaft hielt sich gestern nach wie vor bedeckt. Ihre Sprecherin Sabine Mayländer betonte, dass sie aus gesetzlichen Gründen nichts zu den Ermittlungen sagen dürfe. Auch der Hauptsponsor Wüstenrot will abwarten, ehe er sich äußert. Fest stehe aber, so der Pressesprecher Alexander Nothaft, dass es „keinen Zusammenhang zwischen dem Sportsponsoring Wüstenrots und der Frage, ob die Verwaltung des Vereins ordnungsgemäß gehandelt hat“, gebe.
Abwarten will auch die Handball-Bundesliga (HBL), die für die Lizenzvergabe zuständig ist. Die HBL hat inzwischen von den Ermittlungen in Oßweil gehört, bewerten könne sie den Fall noch nicht, sagte der Geschäftsführer Frank Bohmann. Gegenüber
der HBL müssen die Vereine oder Gesellschaften den Nachweis über Sozialabgaben und die Abführung von Steuern führen.