Begeisterung pur - und Pino rennt fast aufs Parkett
HANDBALL: Die SG Kronau/Östringen bleibt nach dem 30:28 gegen den HSV
Hamburg das Überraschungsteam der Liga
Von unserem Redaktionsmitglied Ute Krebs
Während Trainer Christian Fitzek mit versteinerter Miene und sichtlich
angefressen aus der Halle marschierte, lachte Jürgen B. Harder übers ganze
Gesicht. Von wegen biederer Aufsteiger und gegen die Großen kaum eine
Chance haben. Der Bundesliga-Neuling SG Kronau/Östringen hatte gerade den
HSV Hamburg aus der Mannheimer SAP Arena geballert. Mit 30:28 (14:13)
angelten sich SG-Coach Iouri Chevtsov und seine Mannen zwei ganz dicke
Fische, sprich Punkte, gegen die Hanseaten. Kein Wunder, dass nicht nur
die 6000 Handball-Fans total aus dem Häuschen waren, sondern auch
Beiratsmitglied und Sponsor Harder vor seiner Loge die Faust zum Zeichen
des Triumphes in die Höhe reckte.
Der Doppelpack gegen das Spitzenteam aus Hamburg, das bereits die vierte
Niederlage kassierte und auswärts kein Bein auf den Boden bekommt, hatte
viele Väter: Slawomir Szmal wurde zur polnischen, fast unüberwindbaren
Mauer im Tor. Der 26-Jährige befindet sich seit Wochen in absoluter
Weltklasseform. Seine 19 Paraden waren der Schlüssel zum Erfolg. Dessen
Landsmann Mariusz Jurasik avancierte zum Ballermann und traf fast nach
Belieben. Oleg Velyky unterstrich seine Führungsqualitäten, die Tore des
Nationalspielers im zweiten Abschnitt waren Gold wert. "Oberlöwe" Chevtsov
wollte nach einem sehr disziplinierten Auftritt seiner Sieben keinen
Spieler herausheben. "Das war Kampfgeist vom Feinsten. Jeder hat seinen
Teil zu dem Sieg beigetragen." So markierte Marco Hauk mit dem 30. den
wohl wichtigsten, weil entscheidenden Treffer. Andre Bechtold marschierte
60 Minuten durch, lieferte in der Defensive eine starke Partie ab - ob auf
der Außen- oder der Halbposition. David Szlezak gelang mit einem
Rückhandwurf mit Sicherheit das schönste Tor des Abends. Der frisch
gebackene deutsche Staatsbürger Andrej Klimovets schickte mit einer
engagierten Leistung in Abwehr und Angriff ein Empfehlungsschreiben an
Bundestrainer Heiner Brand ab.
Die Rhein-Neckar Löwen stehen mit 8:4 Zählern im vorderen Tabellendrittel
der Bundesliga, auch weil der hundertprozentige Profi auf der Trainerbank,
Iouri Chevtsov, einen Riesenjob macht. Da konnte Geschäftsführer Uli
Schuppler nur strahlen: "Gegen Gummersbach rechne ich mit über 10 000
Besuchern."
Drei Heimspiele, drei Siege lautet die makellose Bilanz der Badener:
Deshalb herrschte Super-Stimmung im neuen Schmuckkasten der Quadratestadt.
Es fehlte nicht viel und Dimitri Torgowanow wäre aufs Parkett gerannt.
"Ich hätte furchtbar gerne mitgespielt." Noch muss sich der
Weltklasse-Deckungsspieler aber in Geduld üben, der 33-jährige Russe
laboriert an einer Schulterverletzung. Zum 1. Oktober zieht der
1,99-Meter-Mann in die Region um, arbeitet morgens in der Reha und
trainiert dann abends mit der Mannschaft. Ob "Pino" bereits beim nächsten
Heimspiel gegen den VfL Gummersbach am 8. Oktober zum Kader gehören wird?
Chevtsov gibt sich skeptisch. "Das ist vielleicht noch etwas zu früh", so
der Weißrusse. So läuft es wohl darauf hinaus, dass der Kreisläufer am 19.
Oktober gegen den TBV Lemgo zum ersten Mal das Trikot der Rhein-Neckar
Löwen tragen wird. Doch damit nicht genug. "Wir holen noch einen
Halblinken", bestätigte Beiratsmitglied Harder. Während der EM-bedingten
Pause? "Vielleicht schon früher."
Bereits morgen (20 Uhr), wenn die Badener ihre DHB-Pokalaufgabe beim
Regionalligisten SG Haslach/Herrenberg/Kuppingen lösen wollen, wird Holger
Löhr sein Comeback feiern. Der Linkshänder, der sich im Mai einer
Innenband-OP unterziehen musste, hat die zurückliegenden Monate wie ein
Besessener an seiner Rückkehr gearbeitet. Nun ist es so weit: Der
charakterstarke kleine Blonde (1,71 Meter) von der rechten Außenbahn
streift wieder das Jersey der SG "Kö" über.
© Mannheimer Morgen - 26.09.2005