Das Darmstädter Echo berichtet von einer selbsternannten neuen Macht in Südhessen
ZitatAlles anzeigen
"Nur ein klares Ziel führt zum Ziel“
Handball: Bei der TGB Darmstadt ist der sportliche Höhenflug Chefsache – Wirtschaftlich sauber finanziert
„2005 ist ein glückliches, erfolgreiches Jahr in 140 Jahren TGB Darmstadt.“ Vier Aufstiege bilanziert der Vorsitzende Michael Blechschmitt. Drei in der Handball-Abteilung, einen im Fußball (Sprung in die B-Liga). Besonders der Erfolg der Handballer, 350 von 1350 Mitgliedern im Traditionsverein mit sechs Abteilungen, ist Ergebnis eins Konzeptes, das der Vorsitzende (seit 15 Jahren im Amt) entwickelte und vertritt. Mit Argwohn verfolgt die Szene den Höhenflug der ersten Mannschaft bis in die Oberliga. Die Reserve kletterte in die Bezirksliga A, die Frauen in die Bezirksoberliga. Der Begriff „Millionarios“ macht die Runde. Auch von Finanztricks und Alleingängen des Vorsitzenden, zugleich Geschäftsführer von ProRegio, der Stadtmarketing-Gesellschaft Darmstadts, ist die Rede. „Wir wissen nichts, das macht der Vorsitzende“, sagte jüngst ein Mitglied des Abteilungsvorstandes.Blechschmitt, ursprünglich ein Mann des Fußballs, mit der Trainer-B-Lizenz ausgestattet, kontert Misstrauen mit Fakten und Zahlen: „Wir hatten letztes Jahr eine Betriebsprüfung des Finanzamtes. Da gab es keine gravierenden Beanstandungen.“ Eine Altlast aus Zeiten, da die inzwischen abtrünnige Tennisabteilung Geld für Spielerinnen bei ihrem Frauenturnier nicht versteuerte, kostete einige Tausend Euro an den Fiskus. Vor 14 Tagen erst war eine Prüfung durch die Bundesversicherungsanstalt (BfA), die keine Mängel offenbarte.
Marketing-Fachmann Blechschmitt präsentiert eine Liste mit 25 Sponsoren, die Geld oder Sachleistungen erbringen. Der Haushaltsplan für die Oberliga-Saison 2005/2006 schließt in Ausgaben und Einnahmen mit 80 000 Euro ab. 50 Prozent decken Sponsoren. 25 Prozent (19 800 Euro) zahlt der Mutterverein. „So viel bekommen in etwa auch die Fußballer.“
60 000 Euro des Jahresetats von rund 250 000 Euro fließen in den Sportbetrieb. Dazu bezahlt der Hauptverein alle Trainer und Übungsleiter. Anteil der Handballzunft etwa 24 000 Euro. Das letzte Viertel sollen Zuschauereinnahmen und Verkauf in der Halle decken. Saubere Buchführung ist für Blechschmitt erstes Gebot.
Doch die TGB zählt zu dem halben Dutzend Vereinen, die bei der Stadt Darmstadt in der Kreide stehen. 70 000 Euro für Hallenmieten (hier drohte Nutzungsverbot für die Lichtenberg-Schule), vor allem aber Abwassergebühren waren offen. 12 000 Euro Mietzins seien inzwischen überwiesen. Beim Reizthema Abwasser, in Darmstadt lange Jahre Streitfall, erreichte Blechschmitt mit der Stadt eine Vereinbarung. Die TGB stottert die Außenstände in den nächsten zwei Jahren ab: „Ich bin der Stadt dankbar, dass sie sich darauf eingelassen hat.“
Also wirtschaftlich alles im erträglichen Bereich. Damit steht dem weiteren sportlichen Aufstieg nichts im Weg. Wie vor der Landesliga-Runde hat der Vorsitzende mit Trainern und Mannschaft ein Leitbild entwickelt: „Wir wollen Erfolg. Wir wollen die Nummer eins in Südhessen werden.“ Attraktiver Sport, fair auftreten und Spaß haben, charakterisieren den Teamgeist: „Nur ein klares Ziel führt zum Ziel.“
Dass die guten und direkten Kontakte des ProRegio–Managers zur Darmstädter Wirtschaft und Geschäftswelt eine wichtige Rolle spielen, ist für ihn nicht ehrenrührig. Dazu kommt der Wohlfühleffekt für die Spieler, die allerlei Vergünstigungen schätzen. Den Kasten Bier nach dem Training. Kino-Freikarten, Gala-Diner, Hilfen beim Aufbau der beruflichen Existenz. Professionelle und menschliche Rahmenbedingungen.
Seit 15 Jahren ist Handball bei der TGB Chefsache. Damals stand die Sparte vor dem Aus. Der Krisenmanager initiierte den Neuaufbau. Die Nutzung der neuen Lichtenberg-Halle, Spiel- und Trainingsstätte im Stadtteil, schuf vor zehn Jahren eine wichtige Heimstatt. Die Odyssee durch die Hallen der Stadt fand ein Ende. Heute tummeln sich 14 Jugend- und fünf aktive Teams dort. Blechschmitt: „Wir bräuchten längst mehr Trainingsraum.“
Ein zweites Ziel heißt Qualität beim Nachwuchs. Dafür wurden anerkannte Trainer verpflichtet, um die Kluft zwischen der Spitze und der Basis nicht unüberwindbar wachsen zu lassen.
(Hans-Peter Seubert)
Zitat
TGB seit 46 Pflichtspielen ungeschlagen
HANDBALL. Meisterschaft der TGB Darmstadt in der Handball-Landesliga und Aufstieg in die Oberliga standen schon fünf Spieltage vor Rundenende fest. Dass die Mannschaft kein Spiel verlor, blieb bis zum letzten Spieltag harte Harte. Die TGB ist seit 46 Pflichtspielen ungeschlagen. I-Tüpfelchen: Darmstadt zog auch in die erste Hauptrunde des DHB-Pokals 2005/06 ein. Abgerundet wurde das Solo mit dem Aufstieg der Reserve in die Bezirksliga A. Die Frauen kletterten in die Bezirksoberliga.
Die Handballsparte (350 Mitglieder) hat gezielt auf den Erfolg hingearbeitet. Mit fünf aktiven Mannschaften (drei Männer- und zwei Frauenteams) sowie 14 Jugendmannschaften ist eine gesunde Basis vorhanden. Zulegen will die TGB im Nachwuchsleistungsbereich. Denn auch 2005 wird sich keine Mannschaft für eine der drei Verbandsklassen qualifizieren. „Den Nachwuchsbereich“, spürt Vereinsvorsitzender Michael Blechschmitt, „müssen wir künftig auch pushen.“ Keine Probleme hat die TGB mit der Erfüllung des Schiedsrichtersolls.Sportlich entwickelte sich der Reifeprozess langsam: „Wir haben aus Niederlagen gelernt.“ Häme erntete die TGB beim verpassten Aufstieg 2003/04, als der Favorit der Landesliga sich von Verfolger TV Fränkisch-Crumbach am letzten Spieltag den Titel wegschnappen ließ. Blechschmitt: „Schnell hoch, schnell runter ist nicht unser Weg.“
Das Ende der Erfolgsleiter ist mit dem Oberliga-Aufstieg nicht erreicht: Nachdem vor der letzten Runde mit Frank Weitz und Markus Schmitt zwei gestandene Regionalligaspieler kamen, wurden nun Jens Hrach, Oliver Kohlmann (beide TSG Groß-Bieberau) und Frederik Lang (TV Hüttenberg) geholt, drei zweitliga-erfahrene Kräfte. Kreisläufer Hrach gilt als guter Deckungsspieler, der der Abwehr gut tut. Mit Kohlmann wurde der rechte Flügel mit dem dritten Linkshänder ergänzt. Mit ihm kam der vierte Pfungstädter nach Bessungen. Frederik Lang ist Student an der TU Darmstadt. Der 25 Jahre alte Rückraumspieler litt in der letzten Saison am Pfeifferschen Drüsenfieber und hatte kaum Einsätze. Den Weg zur TGB fand er über den früheren Klubkameraden Fabian Ruhl.
Als Glücksgriff entpuppte sich Trainer Ralf Ludwig. Blechschmitt: „Mit seiner Verpflichtung gingen wir volles Risiko. Aber die Chemie zwischen ihm und der Mannschaft stimmt.“ Sportliches Ziel für die Oberliga? „So schnell wie möglich die Punkte für den Nichtabstieg sammeln und sehen was geht.“ Selbst dem nächsten Aufstieg sind die Darmstädter nicht abgeneigt. (men)