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Der TV Hüttenberg hofft nach der verkorksten Zweitligasaison auf baldigen LerneffektBlauäugig rein - mit zwei blauen Augen raus
03.06.2005
Von Wendelin Müller
Blauäugig ging der TV Hüttenberg in die Saison, mit zwei blauen Augen kam er wieder heraus. Wie chancenlos der mittelhessische Traditionsclub nach dem von viel Euphorie begleiteten Aufstieg in die Zweite Handball-Bundesliga stolperte, war keinem der Verantwortlichen bewusst. Vom Rundenstart weg gaben die hoffnungslos überforderten Zweitliga-Neulinge nicht einmal die rote Laterne des Tabellenletzten aus der Hand. Ganze fünf Siege gelangen dem TVH in 34 Spielen.
Dennoch bleibt Hüttenberg zweitklassig: Nach der Lizenzverweigerung für die Bundesligisten TuSEM Essen, SV Post Schwerin und SG Wallau/Massenheim sowie die Zweitligisten SG Willstätt/Schutterwald, Reinickendorfer Füchse und SG Werratal bleibt den Mittelhessen der Gang zurück in die Regionalliga erspart. Ob der unerwartete Klassenerhalt Fluch oder Segen für den sportlichen Absteiger ist, bleibt nach der desolaten Saison 2004/05 fraglich.Stefan Faber, der zum Saisonende geschasste Trainer, hätte gerne die zweite Chance beim Schopfe gepackt. Viel habe sein junges Team gelernt in dem einen Jahr. "Die zweite Liga ist ein Haifischbecken", hatte der 42-Jährige schon unmittelbar nach dem Aufstieg gewarnt. Doch auch er verfiel dem Glauben, dass die Mannschaft sich schnell an das raue Profiklima gewöhnt. "Learning by doing" (durch die Praxis lernen), wie Faber sagt. Doch die vielen Verletzungen warfen den Aufsteiger immer wieder zurück. Gleich zu Beginn fielen mit Florian Laudt und Mario Weber die beiden echten Rückraumspieler langfristig aus. Auch Thomas "Turbo" Schäfer brauchte nach seinem Kreuzbandriss noch bis zur Rückrunde, um allmählich wieder auf Touren zu kommen. Die personelle Lage ließ von Beginn an kaum Spielraum. Denn namhafte Neuzugänge sollte es erst einmal keine geben.
Außer den Verpflichtungen aus unteren Klassen wie Arne Rigterink, Freddy Lang und Peter Dettling wurde nur Benjamin Hundt per Zweitspielrecht von der SG Wallau/Massenheim unter Vertrag genommen. Eine Verpflichtung, die nicht viel brachte: Hundt machte kaum eine Trainingseinheit in Hüttenberg mit und blieb daher mit wenigen Ausnahmen in der Hüttenberger Mannschaft ein Fremdkörper.
"Ich hatte den Traum, Benni könnte zwei Mal pro Woche mittrainieren. Aber das blieb ein Träumchen", so Faber. "Die Verpflichtung ist nicht so gelaufen, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Aber sie passte eben ins Portemonnaie." Da sich Hundt für die kommende Saison nicht auf den TVH festlegen wollte und im Falle des sich bereits deutlich abzeichnenden Abstiegs einen Vereinswechsel ankündigte, trennten sich die Wege der beiden Vertragspartner bald - seit Februar machte Hundt kein Spiel mehr im Trikot des TVH. Vielleicht ist Hundt nun nach dem plötzlichen Klassenerhalt wieder ein Thema für die Blau-Weißen.
Hält der Klassenerhalt Viehmann beim TVH?
Was wird mit dem Rest der Mannschaft? Michael Viehmann - über die gesamte Runde gesehen einer der konstantesten Hüttenberger - ist bei der HSG Gensungen/Felsberg im Gespräch. Florian Laudt besitzt ein Zweitspielrecht bei der HSG Wetzlar. Für beide bietet Hüttenberg nun wieder bessere Perspektiven. Die waren nicht absehbar. Spätestens seit der 23:24-Heimpleite gegen die HG Oftersheim/Schwetzingen Ende Januar galten die Wetten auf den Hüttenberger Abstieg als gewonnen. Dabei hatten die "Macher" im Hintergrund in der Weihnachtspause mit der Verpflichtung von Profi Gennadij Chalepo versucht, die Wende einzuleiten.
Der Coup misslang, denn der ehemalige weißrussische Nationalspieler passte sich im Laufe der Rückrunde dem Niveau des designierten Absteigers an. Immer wieder offenbarten die Hüttenberger bei ihren regelmäßigen Einbrüchen in der zweiten Halbzeit konditionelle Mängel. Ein Manko, das sich die sportliche Führung ankreiden lassen muss. Zu lange ließ das damals noch als homogenes Trainerduo auftretende Gespann Faber/Walter Don die jungen Aufsteiger an der langen Leine. "Wir haben zu spät mit der Vorbereitung begonnen. Das Zeitfenster für eine ordentliche Vorbereitung wurde für uns zu knapp", gibt Faber zu. Auch die als Trainingslager deklarierte Reise nach Berlin kurz vor Saisonbeginn glich laut Faber "eher einer Urlaubsfahrt". Als wegen unterschiedlicher Auffassungen über das Coaching während der Spiele zwischen den beiden Trainern Differenzen offen zu Tage traten, verpasste die Sportliche Leitung, die sogenannte Marketing GmbH, eine rechtzeitige Klärung der Situation. So stand das Team zu Beginn der Saison zeitweise ohne Übungsleiter im Training.
Haben Gorr und Chalepo mehr Erfolg?
Es stellte sich heraus, dass sich die Kluft zwischen den beiden Coaches nicht mehr kitten lässt. Also holte sich Faber für die kommende Runde Jan Gorr als gleichberechtigten Partner ins Boot. Doch hinter den Kulissen gärte längst eine andere Überlegung: Faber sei nicht mehr der richtige Mann am richtigen Ort, er sei zu nah an der Mannschaft und könne daher das Team nicht mehr motivieren. Am 21. März gab der TVH bekannt, sich am Saisonende von Faber zu trennen. Gesucht werde jetzt ein Partner für Gorr. Und der wurde bald in Chalepo gefunden.
Dieses Duo erhält jetzt die Chance, die Fehler der Vorsaison nicht mehr zu wiederholen. Heute kommt die Mannschaft aus Mallorca zurück. Dank der finanziellen Probleme der Konkurrenz darf der TVH nun beweisen, ob er aus seinen (vielen) Fehlern auf allen Ebenen gelernt hat. "Wir haben uns ein blutiges Näschen geholt", sagt Faber, der ab Sommer die A-Jugend der HSG Pohlheim trainiert. "Das wird den Jungs in dieser Form nicht noch einmal passieren."
viel aufzuarbeiten beim tvh. wie allerdings mit dem aktuellen personal sportlich erfolgreicher gespielt werden kann, erschließt sich mir (noch) nicht.