ZitatAlles anzeigenOriginal von Tim Oliver Kalle, handball-magazin Nr. 4/2005 Seite 12-14
Auf der Suche nach neuen Nischen
In der Bundesliga fallen die letzten Grenzen: Demnächst dürfen auch mehr als zwei Nicht-EU Ausländer eingesetzt werden – und die Spielplätze für deutsche Talente schwinden weiter
Der Wettbewerb wird immer schärfer: Das Bosman - Urteil zur freien Wahl des Arbeitsplatzes auch für Profisportler ermöglichte der Bundesliga erstmals zur Saison 1996/97 einen beispiellosen Kaufrausch. 68 Ausländer heuerten bei damals 16 Vereinen an – ein Jahr zuvor waren es nur 19 Gastarbeiter gewesen. Im letzten Jahr bekam die EU weiteren Zuwachs, sodass auch Polen, Tschechen, Slowenen und Ungarn uneingeschränkt in der Bundesliga spielen dürfen. Zur kommenden Saison fällt nun das letzte Limit, das bisher lediglich den Einsatz von zwei Nicht-EU-Ausländern gestattete.
„Die Unterscheidung in EU- und Nicht-EU-Ausländer macht keinen Sinn mehr. Wir wollen einfach den Vorteil der Nordländer vermeiden.“, sagt Bernd-Uwe Hildebrandt, Manager des SC Magdeburg und Chef der Männer-Bundesliga. Damit öffnen sich vor allem in Kroatien, Serbien 6 Montenegro und Russland neue Märkte. Derzeit stammen knapp 40 Prozent der rund 300 Bundesligaprofis aus fernen Landen.
Passwechsel mit grotesken Zügen
Noch habe er von einem weiteren Zuzug nichts gespürt, sagt der Spielerberater Jochen Bergener, aber Serben und Kroaten „werden kommen“. Torwart Darko Stanic und Linksaußen Dragan Sudzum, beide im Nationalkader Serbien & Montenegros, werden allerdings in Großwallstadt und Lübbecke niemand mehr ob fehlender Ausländerplätze ins Grübeln bringen. Das neue Reglement erleichtert fortan internationale Transfers. In dieser Saison musste Meister Flensburg noch den kroatischen Linksaußen Goran Sprem an Lübbecke ausleihen, da die Nicht-EU-Plätze bereits mit Andrej Klimowets (weißrussland) und Blazenko Lackovic (Kroatien) belegt waren – eine ab der kommenden Saison ebenso überflüssige Maßnahme wie das Bemühen um einen deutschen Pass, das bisweilen groteske Züge annahm. So ließ sich Nenad Perunicic, 2002 noch in Diensten des SC Magdeburg, gern als Mann für die DHB-auswahl ins Gespräch bringen, doch wenige Monate später lief der mit neuer Staatsbürgerschaft ausgestattete Rechtshänder bei der WM in Portugal trotzdem für Serbien & Montenegro auf. Solche Konstrukte sind auch im Eishockey gang und gäbe: Jacek Plachta (Hamburg) besitzt einen polnischen und deutschen Pass, fällt also nicht unter das Ausländerkontingent der DEL – und spielt weiter für die polnische Nationalmannschaft. Mit der Freigabe der Ausländerbeschränkung vermeidet die Handball-Bundesliga künftig zumindest solch seltsame Kombinationen.
Zwar profitierte auch Bundestrainer Heiner Brand von wechselwilligen Spielern wie Oleg Velyky (Ukraine) und Bogdan Wenta (Polen), doch der für den deutschen Nachwuchs in der Liga schwindende Platz ist dem Weltmeister von 1978 ein Dorn im Auge. „Der Anteil ausländischer Spieler ist auf wichtigen Positionen sicher zu hoch“, sagt Brand. „Wir wandeln auf einem ganz schamlen Grat.“ Aus einem Kreis von 40 Spielern kann der Chefcoach des DHB derzeit für seine Nationalmannschaft wählen. Die Projekte Weltmeisterschaft 2007 im eigenen Land und Olympische Spiele 2008 in Peking lassen sich damit noch bestreiten. Wie es jedoch im Ernstfall um die zum Teil wenig geübte zweite Garde bestellt ist, zeigte die jüngste WM in Tunesien, die mit Platz neun endete. Um Spielpraxis zu sichern und jungen Spielern überhaupt den Einstieg zu ermöglichen, wünscht sich auch Brand eine freiwillige Selbstbeschränkung des Bundesligisten – wohlwissend, dass solch ein Schritt vor allem die Zukunft nach seiner Zeit als Bundestrainer sichern soll.
Auch die Einstiegshilfe für U23-Spieler wird gestrichen
Dass zur kommenden Saison weitere Schranken fallen, sieht Bundesliga-Spielleiter Uwe Stemberg pragmatisch. „Für Heiner Brand ist es doch völlig unerheblich, ob in einer Mannschaft sieben Dänen oder sieben Russen spielen. „Das“, glaubt der ehemalige Teamkoordinator der DHB-Auswahl, „das muss man anders regeln.“ Der einfachste Weg wäre eine selbst auferlegte Genügsamkeit, doch die stände, weil nicht bindend, auf wackligen Füßen.
Großen Gefallen findet Stemberg am bisherigen Reglement, zwar mit 14 Spielern antreten zu können, darunter jedoch zwei deutsche U-23-Spieler aufbieten zu müssen. „Das war eine hervorragende Maßnahme, die dem Handball am meisten gebracht hat.“, glaubt der Osnabrücker. Dieser Modus Vivendi verhalf in Nordhorn dem jungen Holger Glandorf zu ersten Einsatzzeiten, als die Schweden Andreas Larsson und Martin Andersson noch vor ihm standen. Auch Magdeburg schöpfte das 14er-Kontingent immer wieder mit seinen Talenten aus. Im neuen Spieljahr dürfen auch nach dem Reglement der IHF in jedem Spiel 14 Akteure aufgeboten werden, doch die Altersbindung und die damit verbundene Einstiegshilfe entfallen.
„Es muss etwas passieren, wenn wir international weiter mithalten wollen.“, fordert Martin Heuberger. Der 40-jährige Assistent von Bundestrainer Heiner Brand führte im letzten Jahr die deutschen Junioren zur Europameisterschaft und sorgt sich um Einsatzzeiten für seine Hoffnungsträger. Als mahnendes Beispiel dient ihm der Kieler Kreisläufer Sebastian Preiß (24), der meist hinter dem Schweden Markus Ahlm zurückstehen muss. „Man darf sich nicht wundern“, sagt Heuberger mit Rückblick auf die WM in Tunesien, „dass da nicht mehr herausgekommen ist.“Talant Duishebaew glaubt an Klasse ohne Limits
Auf der Suche nach neuen Nischen für deutsche Talente gelangt auch Heuberger schnell zum Wunsch nach einem „gesunden Maß an Selbstbeschränkung“. „Die Bundesliga ist ein Arbeitsmarkt. Dann müsste man den Ausländeranteil in jedem anderen Unternehmen genauso beschränken“, sagt indes Spielerberater Bergener. „Sportlich ist das zu befürworten, aber arbeitsrechtlich schwierig.“ Talant Duishebaew, gebürtiger Kirgiese, seit Jahren Spanier und früher für Nettelstedt und Minden in der Bundesliga aktiv, kann sich für Limits ohnehin nicht begeistern: „Wenn du gut bist, brauchst du so eine Regelung nicht.“
Ausländerbegrenzung ade?
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Sehr aufschlussreich.
Hatte mich schon gewundert, was der HSV mit Kokir,Lavrov und Stojanovic machen will. -
Goran wäre zur Not eingebürgert worden

Hab ich das richtig verstanden: gar keine Begrenzung mehr oder nur noch außerhalb Europas (wie beim Fußball)?
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Das halte ich für ein Gerücht.
Wer Goran kennt, weiss das er nur äusserst ungern bis garnicht seine Staatsangehörigkeit ändern will.In den Spielerpässen soll angeblich das "A" in der nächsten Saison hinter den Namen entfallen.
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doch, Sascha, war so geplant, aber ist ja nun hinfällig
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Da wird Goran aber froh sein

Mit Gerücht meinte ich auch, dass ich es nicht glaube, sondern dass der HSV seit 18 Monaten auf Goran einredet, der aber immer mit dem Kopf geschüttelt hat -
Naja ... deswegen wollte Göppingen ja auch Kokir verpflichten obwohl mit Knezevic der Vertrag verlängert wurde und Bruno seine Daseinsberechtigung hat.
Wobei in Göppingen nach wie vor eine gesunde Mischung aus internationalen und nationalen, jungen Spielern besteht und sogar
ausgebaut wird (Verpflichtung Schöne).Weiter hoffe ich dass das Zweitspielrecht in der kommenden Saison genutzt wird und ein weiterer junger Spieler an den Kader herangeführt wird. Diese Saison wurde erst sehr spät Schweikardt mit Zweitspielrecht ausgestattet, lag aber vor allem an seiner Verletzung und dadurch wieder Spielpraxis zu gewinnen.
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Für uns wäre das schon mal gut, dann braucht sich Klimovets nicht mehr mit seiner Einbürgerung herumquälen.

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damit er schneller einen neuen verein findet oder was?