Nach dem letzten Newsletter erhielt ich vereinzelt - sicher nicht unberechtigte - Kritik ob der einseitigen Bejubelung des DSF. Ich will mich gerne der Diskussion stellen und auch kundtun, dass es durchaus unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt. Ich neige zwar manchmal zur Meinungsmache, möchte aber bei diesem Wichtigen Thema ein möglichst breites Spektrum der Ansichten erfahren und den vielen engagierten Unterstützern die Möglichkeit geben, ihre Sicht darzulegen.
Ich will einmal kurz die Hintergründe erläutern.
Zunächst die Sicht auf die Fernsehsender:
Aus den letzten Jahren haben wir die Erfahrung ziehen können, dass sich die ARD recht gut um Handball bemüht, während das ZDF mit diesem Sport nichts anzufangen weiß. Die Erfolge der Nationalmannschaft haben seit 2002 dazu geführt, dass immer mehr TV-Zuschauer eingeschaltet haben, wenn Handball lief. Das DSF profitierte bei der EM 2002 in Schweden davon, zwei Jahre später bei der EM in Slowenien mit fünf Millionen Final-Zuschauern sorgte der Handball sogar für die zweithöchste Sehbeteiligung in der Sender-Geschichte.
Auch die ARD und das ZDF konnten bei der WM 2003 in Portugal durch hervorragende Einschaltquoten überzeugt werden, Olympia bot erneut eine Steigerung, insbesondere das Viertelfinale gegen Spanien und das Finale gegen Kroatien sorgten mit einer Sehbeteiligung von fast 50% für einsame Rekorde.
Während aber bei Olympia das gesamte Programm von ARD und ZDF auf den Sport ausgerichtet ist und dann übertragen wird, wenn es der Veranstalter vorschreibt (unter gewisser Berücksichtigung der besonderen nationalen Wünsche - in Deutschland legte man bei der letzten Olympiade Wert darauf, dass Leichtathletik und Schwimmen zur Prime-Time durchgeführt werden), ist es bei allen Mannschaftssportarten, die nicht Fußball sind, bei ARD und ZDF ein Muss, dass nur Spiele übertragen werden, die vor 18.00 Uhr zu Ende sind. Im DSF muss man darauf keine Rücksicht nehmen, man sendet statt Konserven sowieso lieber Live-Sport.
Bedingt durch die Tatsache, dass in der Bundesliga die meisten Weltstars des Handballs ihr Geld verdienen, hat der Handballfan hierzulande auch "Adoptions.öglichkeiten". Wenn das deutsche Team nicht erfolgreich ist, kann der Fan umswitchen auf ein zwietes Lieblingsteam, dem man die Daumen drückn will. Irgendein Lieblingsspieler des eigenen Vereins tummelt sich in den verschiedenen Nationalteams allemal. Es rechtfertigt also, auch Spiele ohne deutsche Beteiligung auszustrahlen.
Die Masterfrage also lautet: müssen es die B-Sportarten hinnehmen, dass sie bei den öffentlich-rechtlichen nur für das Nachmittagsprogramm taugen?
Die Sicht auf den Veranstalter:
Eine Handball-WM bringt, wiederum anders als im Fußball, der veranstaltenden Nation selten internationales Prestige, Aufmerksamkeit oder gar einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nutella klebt keinen Handball aufs Glas, die Postbank eröffnet kein Handball-Super-Sonder-Konto und Mars macht auch ohne Handball mobil.
Kostendeckend muss die Durchführung einer derartigen Veranstaltung sein. Daher werden möglichst wenige Spielorte ausgewählt, der Zeitraum einer WM ist auf ein Minimum gestaucht und die Gesundheit der Spieler eher zweitrangig.
So müssen bei einem 24er-Teilnehmerfeld innerhalb von 14 Tagen an insgesamt nur 4 Spielorten eine Unmenge an Spielen absolviert werden, was schlicht bedeutet, die Anwurfzeiten auch auf für TV-Zuschauer ungünstige Zeiten zu legen. Folglich beginnt bereits Monate vor einer WM oder EM das Geschacher um die Anwurfzeiten durch die nationalen TV-Stationen. Bei ARD und ZDF wußte man eine geraume Zeit vor dieser WM gar nicht, wer denn eigentlich der richtige Ansprechpartner ist (wobei offen bleiben muss, ob der Fehler bei den Sendern oder der IHF zu suchen ist). Die werbefinanzierten Sender wünschen sich für "ihre" Nationalmannschaft eine möglichst späte Anwurfzeit, ARD und ZDF sind - wie oben beschrieben - daran überhaupt nicht interessiert.
Der Vermarkter wiederum ist froh, die TV-Rechte zu Höchstpreisen zu verkaufen. Freie Zugänglichkeit der Übertragungen spielen da keine übergeordnete Rolle.
Der Qualitätsaspekt
Die Art und Weise, wie beispielsweise das DSF mit minimalem Aufwand die EM 2004 übertragen hat, genügt sicherlich nicht den hohen Ansprüchen eines Premiere-verwöhnten Zuschauers. Es fehlten neben einem EM-Studio auch Stimmungsberichte aus dem deutschen Lager, Einschätzungen der anderen Gruppen, Zusammenfassungen mehrere Spiele. Es gab "lediglich" Liveübertragungen von insgesamt 18 Spielen.
Bei der ARD haben wir immerhin einen Expertentisch, ein paar Interviews und einstimmende Kurzbeiträge auf die anstehende Liveübertragung. Die ARD macht dies professioneller als das ZDF, aber informiert über die WM ist man auch öffentlich-rechtlich eher schlecht. Wenn man jedenfalls als Handballfan Maßstäbe anlegt, die dem Mindeststandard von Fußballübertragungen genügen sollen. Ein Fußballspiel wird mittlerweile von ARD und ZDF auf fünf Stunden in die Länge gezogen, hochbezahlte Äh- und Öh-Sager geben ohne Pause ihre sinnentleerten Antworten auf noch viel sinnlosere Fragen ab. Die Übertragung von Fußballspielen ist mittlerweile nah an die Nervgrenze gestoßen, wenn nicht gar längst überschritten. Ok, das war jetzt ziemlich subjektiv, aber wieso wird von meinen Gebührengeldern ein Franz Beckenbauer fürstlich entlohnt, wenn der sittliche Nährwert seiner Einschätzungen nahe Null tendieren?
Das Umfeld
Das DSF ist zwar durch die Fußball-Bundesliga erheblich aufgewertet worden, ist aber nach wie vor ein Sender, der es in der "Tradition" von Trash-Sendern a lá Neun Live noch nicht ganz aus den Kinderschuhen geschafft hat. Seriös ist jedenfalls nicht das erste, was einem zum DSF einfällt.
Das ist bei der ARD und - mit Abstrichen auch beim ZDF - natürlich ganz anders. Hier bietet sich dem Sport ein Topumfeld, um sich auch Gelegenheitszuschauern zu präsentieren.
Was folgt daraus?
Die Frage hätte ich auch gerne einmal kompetent beantwortet. Einerseits darf man sich im DSF über viele Übertragungen freuen. Dies ist für die Handballfans wunderbar und reicht den meisten auch völlig aus. Um den Handball - gerade erst aus dem Dornröschenschlaf erwacht - nicht wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen, benötigt man nicht nur eine breite Plattform, sondern auch ein entsprechendes Umfeld. Während das DSF die Plattform liefert, bieten die Gebührensender das Umfeld. Insofern ist die bisher einmalige Kooperation zwischen ARD/ZDF und DSF ein erster, wichtiger Schritt, um beide Ziele zu erreichen.
Wenn man aber das Hickhack um diese WM bei den öffentlich-rechtlichen Sendern mitbekommen hat, die bis eine Woche vor der WM keinen Plan hatten, wie sie alleine schon die Vorrundenspiele präsentieren wollten, wenn man hautnah mitbekommt, wie bis wenige Stunden vor dem ersten Spiel der Hauptrunde völlig unklar war, wie es weitergehen sollte, dann fragt man sich einige unanständige Dinge. Der Spielplan ist sicher nicht förderlich, der Austragungs-Modus tut sein übriges. Sicherlich herrschte bei den Programmplanern auch die nicht ganz unberechtigte Vermutung, dass die deutsche Nationalmannschaft bei dieser WM keine große Rolle spielen würde. Daher war man sich spätestens nach den vielen Rücktritten und den fünf verletzungsbedingten Absagen intern längst einig, dass diese Handball-WM in der öffentlichen Wahrnehmung untergehen würde. Durch den Wettskandal im Fußball kam es ja schließlich sogar ohne Zutun der Handballer dazu.
Eines ist in jedem Fall klar: Die Medien befruchten sich selber. Die auflagenstarken Zeitungen berichten, das Fernsehen sendet, die Zeitungen berichten noch mehr, das Fernsehens sendet noch mehr, denn in den Sendern gibt es eine eigene Abteilung, die einen Pressespiegel zusammenstellt, und die Leute lesen es und schauen es sich an. Trash wie die Dschungel-Show oder die ersten Staffeln von Big-Brother oder der Casting-Wahn haben es so zu Rekord-Einschaltquoten gebracht. Handball ist weitgehend Skandalfrei, ergo uninteressant. Ein zu großer Skandal wäre aber wiederum mehr als schädlich, dazu ist Handball noch nicht tief genug verwurzelt. Dem Fußball wird dieser Wettskandal, der eigentlich ein Medienspektakel ist, nichts anhaben können. Jedenfalls nichts Grundsätzliches.
Es ist für künftige Handballturniere vielleicht der richtige Weg, wenn sich der DHB zusammen mit ARD und DSF lange vorher an einen Tisch setzen und eine Strategie aushandeln. Wenn dann noch die IHF und die EHF weniger an Klüngel interessiert sind als an einem wirklichen Voranschreiten der Sportart Handball, könnte sich der Sport positiv entwickeln. Unter den jetzigen Bedingungen sage ich heute eine Rückkehr des Handballs in den Dornröschenschlaf voraus.
Erste Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch: Man will endlich Qualifikationsrunden für die EM und WM veranstalten, diese Turniere finden dafür nur noch alle 4 Jahre statt, das Turnier soll an mehreren Orten und an mehr Tagen stattfinden. Wenn diese Vorschläge die Zustimmung der Gremien finden (was bei den derzeitigen Stimmverhältnissen längst nicht sicher ist), dann kann auch das Fernsehen erheblich besser eingebunden werden. Eine Entzerrung tut sicherlich Not...
Ich würde diese Diskussion gerne weiterführen und habe dazu in der Handballecke ein Thema eröffnet, in dem dies möglich ist. Eine weitere Idee ist eine Online-Podiumsdiskussion zu diesem Thema, denn es geht letztlich um "Quo vadis Handball?". Hierzu werde ich versuchen, einige prominente Entscheidungsträger aus den Vereinen/dem Verband und den Sendern zu einer Diskussionsrunde zusammenzuführen, in der öffentlich das Thema erörtert werden kann. Ich verspreche mir davon ein Mehr an Transparenz und vielleicht sogar Verständis auf Seiten der Offiziellen und der Fans. Mal sehen, ob man sowas durchführen kann... Mehr dazu hoffentlich in wenigen Wochen.
Zunächst möchte ich aber alle Newsletterempfänger dazu aufrufen, in der Handballecke die Diskussion zu führen: Wo ist der Handball im Fernsehen am besten aufgehoben? Welche Schritte oder Maßnahmen braucht es, damit Handball seinen Platz als Mannschaftssportart Nummer 2 hinter Fußball festigen und ausbauen kann? Was erwarten wir von der WM im eigenen Land?
Ich freue mich auf die Vermehrung der Erkenntnisse ![]()
Viele Grüße
Olaf Nolden