Zitat
Original von jense
naja recht hat er ja........ alles neumodischer blödsinn......und ´was will man auch mit sponsoren??? die gabs vor 50jahren auch nicht......und wenn gwd pleite ist kann er ja auch nach lübbecke fahren ist ja auch nicht so weit weg........
50 Jahre? So weit muß man gar nicht zurück. 5 Jahre reichen völlig aus.
Bis 2002 befand sich der Handball in einem Umfeld, das völlig wertneutral als "überschaubar" beschrieben werden kann.
Handball fand vor allem in den kleinen und mittleren Orten statt. Außer Essen gab es keinen Bundesligaort mit mehr als einer viertel Million Einwohner. Außer Essen hatte kein Verein einen nennenswerten Fußballverein in der Stadt, mit dem er konkurrieren musste.
Überall da, wo Bundesligahandball gespielt wurde, war Handball über Jahre und Jahrzehnte hinweg zu einem festen Identifikationsfaktor in Stadt und Region geworden und hatte sich in dieser Zeit ein Publikum erworben. Dieses war jedenfalls zahlenmäßig weitgehend berechenbar. Der Zuschauerschnitt war zwischen 1977 und 2001 weitestgehend konstant. Immer zwischen zwei- und dreitausend pro Spiel.
Manche sagen, Handball war eine 'Dorfdeppensportart' und dümpelte so vor sich hin oder schmorte im eigenen Saft. Man kann aber auch sagen, der Handball befand sich in seinem über Jahre gewachsenen 'natürlichen Umfeld'.
Dann kam Hamburg. Die künstliche Schaffung eines neuen Standortes stellt den 'Sündenfall' in der Entwicklung dar. (Andere nennen das auch 'Kick-off in neue Dimensionen')
Damit begann eine Entwicklung, die sich jetzt gerade in voller Fahrt befindet.
Es folgten Hannover, Stuttgart, Mannheim, Köln. Wie wir alle wissen, sind/waren diese Unternehmungen von unterschiedlichem Erfolg beschieden.
Wenn man eine Mannschaft - und mit ihr auch die Sportart - künstlich in eine Metropole verpflanzt, in der diese bis dahin nur "am Rande" stattgefunden hatte, ist man natürlich in der Situation, daß man dort erst ein Publikum finden muß. Dieses Publikum rekrutiert sich aus einer Einwohnerschaft, die mit der Sportart größtenteils bisher wenig Berührung hatte.
Die 'traditionelle' Zuschauerkategorie will ich mal pauschalisierend und natürlich stark simplifiziert als "Bausparer" bezeichnen. Kleinstadtbewohner, die über Jahrzehnte in die Halle pilgerten, um ihr Kleinstadtteam gegen ein anderes Kleinstadtteam spielen zu sehen. Ich habe keine empirischen Erhebungen, aber der Anteil der Jugendlichen dürfte sich in Grenzen gehalten haben.
Die neue Zuschauerkategorie, die nun durch Marketingmaßnahmen angeworben mußte, rekrutierte sich aber aus einem ganz anderem Umfeld. Dieses Großstadtpublikum kann gar nicht mit den gleichen Reizpunkten angezogen werden wie das bisherige. Zum einen, weil ein Identifikationsfaktor mit dem Verein überhaupt nicht vorhanden ist, da dieser entweder bis dahin gar nicht existent war oder aus einem ganz anderen Ort stammt. Ihm fehlt zudem eine Aufsteigergeschichte, die man hätte mitverfolgen können - schlicht eine Tradition. Zum anderen, weil sie mit der Sportart bislang kaum etwas zu tun hatten.
Ein Projekt wie Hamburg ist aber darauf angewiesen, eine bestimmte Mindestzuschauerzahl zu erreichen, weil es sonst unwirtschaftlich ist. Da man komplett bei Null anfängt, muß also eine massive Marketingkampagne gestartet werden. Und diese hat die Frage zu beantworten, wen, sondern wie man möglichst Leute in die Halle kriegt.
Zu diesem Zweck wird nun das einfachste gemacht, was man machen kann. Man unternimmt erst gar nicht den Versuch, langfristig (!) ein Publikum zu gewinnen, was auch wegen der fehlenden Identifikationsfaktoren zum Scheitern verurteilt wäre, sondern man versucht, über die Ausgestaltung des Spiels und des ganzen Drumherums als Entertainmentprogramm einfach möglichst viele Leute dem 'Event' zuzuführen. Damit sich davon möglichst Viele angesprochen fühlen können, muß das 'Event' bestimmten Mustern folgen. Der 'Kunde' muß permanent das Gefühl bekommen, unterhalten zu werden. Da es sich dabei aber um zum Teil 'fachfremdes' Publikum handelt, kann man diese Leute mit einem einfachen Handballspiel nicht unterhalten. Denn nur dafür würden sie nicht kommen. Also veranstaltet man eine Art Party, bei der nebenbei auch noch Handball gespielt wird. Ob die so angelockten Leute sich dabei überhaupt für die Sportart an sich interessiert werden, spielt dabei gar keine Rolle. Und das stellt das ganze Problem dar.
Dies alles funktioniert nämlich nur, so lange das entsprechende Team Erfolg hat. Erfolg ist in dem Fall allerdings nicht relativ zu sehen. Wie wir wissen, ist Platz 11 für Melsungen oder Nettelstedt ein Erfolg. Für Hamburg aber nicht. Erfolg heißt hier nämlich, permanent um Titel zu spielen. Das bedingt wiederum einen ernormen finanziellen Aufwand, der nur geleistet werden kann, wenn massiv um 'Eventgänger' geworben wird.
Bleibt dieser Erfolg aber aus, dann bleiben auch die 'Eventgänger' aus. Die gehen dann nämlich wieder zum Fußball oder zum nächsten 'Trendevent', Hallenhockey oder so. Diesen ganzen Effekt kann man an der Entwicklung des Basketballs sehr schön beobachten. Vor zehn Jahren war das ein riesiger Hype, jedes Kid musste Nowitzky spielen, heute interessiert sich keine Sau mehr dafür.
Man könnte sagen, gut, wenn die Eventgänger wieder gehen, dann gehen sie halt wieder, bleiben ja immer noch die "Bausparer". Die bleiben bis dahin aber entweder wegen des ganzen Zirkus zu hause oder sie können gar nicht mehr kommen, weil man ihr Team ganz einfach in die nächste Großstadt "umgezogen" hat.
Es findet ganz einfach momentan ein Entfremdungsprozess statt, mit dem der Handball sein angestammtes Publikum vergrault, um kurzfristige Gewinneffekte zu erzielen. Das ist massiv kurzfristig gedacht und wird auf lange Sicht dazu führen, daß die Sportart hinterher schlechter dasteht als vorher.
Welche Auswirkungen diese zwanghafte Metropolisierung haben kann, hat man ja in Stuttgart schön sehen können. Man wird das gleiche auch in Mannheim sehen, wenn man da mal zweimal nacheinander "nur" siebter wird, in Köln, in Hamburg usw.
Das ganz große Problem ist, daß nur noch kurzfristig gedacht wird. Eine Planung über mehr als zwei Tage gilt schon als strategische Vision. Und man kopiert die Marketingkonzepte des Fußballs und begibt sich damit in eine Konkurrenzsituation zu ihm (Anwurf am Samstag nachmittag ist auch kein Geniestreich. Sonntag hätte es sein müssen. Wenn man Fußball schon nicht ganz ausweichen kann, kann man wenigstens der 1.BL ausweichen.), anstatt sich mit eigenen Attributen neben ihm zu platzieren.
Man baut neue "Poldis" auf ("Mimi", "Zeitzi" ...), anstatt zu betonen, daß Handballer eben nicht Bravoposterboys sind (jaja, ich kenne die Krausstory), sondern in der Regel eher bodenständige Leute, oft sogar studierte. Auf diesen Werten (im Grunde die sog. 'deutschen Tugenden' - ich mag den Ausdruck auch nicht sonderlich, passt aber) hätte man ein Image aufbauen können, das sich von dem von Fußballern (Raffgierig, Söldner, Arrogant, Playstationsüchtig) scharf abgegrenzt hätte.
Der beste Handballer aller Zeiten ist ein Postbote! Also einer "wie Du und ich" und kein abgehobener Millionario. Da hätte man was draus machen können.
Statt dessen buhlt man mit den gleichen periphären, flüchtigen Werten um ein Bravopublikum, mit denen der bemitleidenswerte Lukas Podolski so lange ettikettiert wurde, bis er sich selbst nicht mehr erkannte. Schade drum.