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""Wir sind noch lange nicht tot"
Der Mitreißer: GWD Mindens Allrounder Stephan Just ist ein Typ mit Ecken und Kanten
Minden (mt). Er hat Ecken und Kanten. Er polarisiert auf dem Spielfeld wie auf den Rängen. Seine Auftritte pendeln irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Stephan Just ist das, was man landläufig als "Typen" bezeichnet.
Von Marcus Riechmann
Foto: Oestreich
Der Handballer von GWD Minden war am Mittwoch im Pokalspiel gegen die HSG Nordhorn mal wieder Schlüsselfigur im Spiel seiner Mannschaft. Die starken Szenen seines Teams waren ebenso eng mit seiner Person verknüpft wie die schlechten. Bei der 27:31 (13:16)-Niederlage wurde seine Rolle im Spiel der Grün-Weißen den rund 400 Zuschauern in der Halle deutlich vorgeführt. Ob Sprung-, Schlag-, Hüft-, oder Seitfallwurf, ob Zweikampf oder Siebenmeter - Just sucht Chancen wo keine sind, vollbringt geniale Anspiele, schafft seinen Mitspielern Räume, beißt sich regelrecht in der gegnerischen Abwehr fest. Der 14-malige Nationalspieler ist ein handballerischer Tausendsassa und ein Musterbeispiel für das, was man als "heiß laufen" bezeichnet. Sein Motor läuft hochtourig und immer mal wieder überdreht Just dabei.
"Solche Dinger sind schlecht für uns alle"
Momente, in denen nicht nur sein Trainer Richard Ratka leidet. "Klar, das ist ein schmaler Grat", gibt Just zu. Seine Schwächen und Fehler gesteht er freimütig ein. So die Zeitstrafe, die er sich mit einer Disziplinlosigkeit beim 21:22 in der 45. Minute gegen Nordhorn einhandelte. Oder der Abwehrfehler kurz vor Ende beim 25:27. "Ganz klar, das darf mir nicht passieren. Dafür bin ich zu lange im Geschäft. Solche Dinger sind schlecht, schlecht für uns alle", nimmt der tätowierte Athlet die Kritik an. In Bruchteilen einer Sekunde würde er sich entscheiden, den Ball abzufangen - oder eben nicht. "Da heißt es hopp oder top", beschreibt Just und merkt mit Blick auf das Gegentor von Holger Glandorf zum 25:28 an: "Dem Trainer hat es sicher nicht gefallen." Wohl wahr: Als Richard Ratka am Mittwochabend individuelle Disziplinlosigkeiten bemängelte, hat er auch an seinen Allrounder gedacht. Allerdings, so merkt Just an, würde nicht nur er, sondern zuweilen die ganze Mannschaft dazu neigen, die Kontrolle zu verlieren und zu überdrehen: "Manchmal wollen wir es erzwingen".
Just, der seine zweite Saison bei GWD spielt, ist die Rolle des Führungsspielers quasi übergestülpt worden. Wegen des Ausfalls von Arne Niemeyer und der Wurfarmbeschwerden von Jan-Fiete Buschmann ist der 27-Jährige neben Mittelmann Snorri Gudjonsson der einzige erfahrene Rückraumspieler im Team. Als zu Saisonbeginn auch Gudjonsson noch eine Verletzung mit sich herumschleppte und Kreisläufer Dimitri Kusilew wegen einer Bänderverletzung im Knie fehlte, kam Just mehr als weniger die Rolle des Alleinunterhalters zu. "Das ist nicht immer einfach. Der Erwartungsdruck ist groß. Und speziell in den ersten Spielen wurde jeder Fehler genau wahrgenommen. Aber es ist auch ein gutes Gefühl, Verantwortung zu tragen", sagt der Allrounder, der auf allen Rückraumpositionen und am Kreis einsetzbar ist. Als Führungsspieler im Sinne eines Regisseurs sieht sich Just allerdings nicht. "Dafür bin ich nicht gut genug", sagt er und sieht seine Rolle eher darin, "die Mannschaft mitzureißen".
Mit seiner Leistung ist er in der jungen Saison nicht zufrieden. "Durchschnitt oder weniger", bewertet er kritisch. Dabei hat er seine Qualitäten noch einmal erweitert und sich auch als Abwehrspieler auf der Halbposition etabliert. "Das war aus der Not geboren", sagt Just. Er habe die Position von Kusilew übernehmen müssen, als jener verletzt war. Dass es in der Deckung gut klappt, freut ihn, doch er sagt auch: "Es macht mich schon nachdenklich, wenn es hinterher heißt, dass ich hinten besser war als vorn."
Das Positive aus der Niederlage ziehen
Das geringe Interesse der Fans am Mittwoch hat Just zwar nicht gefallen, aber auch nicht verwundert. "Man muss das verstehen. Unsere Leistungen waren zuletzt nicht wirklich ansprechend. Zudem war es ein Pokalspiel. Ich hoffe, dass das in den Liga-Spielen wieder besser wird. Die Stimmung gegen Nordhorn war auch so gut", sagt er.
Gefrustet war Just wie seine Mitspieler weniger wegen der Minuskulisse von 400 Besuchern als vielmehr deshalb, weil die Niederlage im Pokalspiel gegen Nordhorn vermeidbar war - vermeidbarer jedenfalls als erwartet. "Aber wir müssen das Positive rausziehen. Die Einstellung war da, kämpferisch und spielerisch war es ein Schritt nach vorn", sagt Just. "Die wenigen Zuschauer, die da waren, haben gesehen, das wir noch lange nicht tot sind." Und das wollen Just und sein Team am Sonntag, 8. Oktober, im wichtigen Kellerduell gegen die HSG Düsseldorf beweisen."
Einmal mehr ein wunderbares Spielerportrait von Marcus Riechmenn. Quelle:
MT-Online