PETER STEIN
FRANKFURT (ODER) - Von lähmendem Erwartungsdruck will Dietmar Rösicke nichts wissen. Wenn er heute Abend (19.30 Uhr, Brandenburg-Halle) mit seinem Frankfurter HC in der Handball-Bundesliga gegen den 1. FC Nürnberg antritt, gibt der Trainer seinen Spielerinnen eine simple Parole aus: "Das ist wie bei Kindern, die auf den Spielplatz gehen. Sie sollen einfach nur rausgehen und Handball spielen." Denn das taten die Oderstädterinnen in dieser Saison äußerst erfolgreich. Weil sie mit 32:6 Punkten souverän an der Tabellenspitze stehen, könnten sie im Siegesfalle schon heute Abend die deutsche Meisterschaft feiern.
Rösicke bestätigt: "Klar, wollen wir das auch. Damit wären jegliche Diskussionen vom Tisch." Zumindest die vom Vier-Punkte-Abzug gegen Nürnberg. Zudem bliebe den Frankfurterinnen eine Zitterpartie in den noch ausstehenden zwei Bundesligaspielen erspart. Trainer und Team sind heiß auf den Titel. Rösicke weiß: "Das wäre eine Sensation!" Und für ihn die Krönung eines dreijährigen Dreistufenplans mit den Marginalien: Aufstieg, Pokalsieg und zu guter Letzt Meisterschaft. Denn nach der Saison ist Schluss mit der Liaison Rösicke - FHC. Die ungewöhnliche Aufkündigung der scheinbaren Erfolgsehe hatte der 44-Jährige schon im September angekündigt und hielt sein Wort.
Das Verhältnis zwischen ihm und dem Vorstand blieb zerrüttet. "Präsident Jürgen Würffel redet ja nicht mal mehr mit mir", lässt er kurz hinter die Kulissen blicken. Als Würffel vorige Woche über die Medien einen Verzicht auf die Champions League erwägte und damit die Mannschaft unnötig beunruhigte, folgte flugs das interne Dementi.
Für Rösicke sind solche Gebaren nur ein weiteres Glied in der Kette menschlicher Enttäuschungen und bestätigen seinen Generalvorwurf "fehlendes professionelles Management". Auch 24 Stunden vor dem ersten Matchball im Titelrennen deute in der Stadt bis auf ein paar Plakate wenig auf den Höhepunkt zum zehnjährigen Vereinsjubiläum hin. "Aber die Leute werden die Halle trotzdem voll machen und uns riesig unterstützen", kann sich der Coach auf seine "achte Frau" verlassen. Sogar der Landesvater Matthias Platzeck hat sich angesagt. Natürlich hat der Verein den Sekt schon kalt gestellt, wurde für eine mögliche Meisterfeier alles vorbereitet.
"Aber erst mal müssen wir gewinnen. Nürnberg ist gut in Schuss", warnt Rösicke, der sich gestern zuerst daheim und dann noch einmal mit der Mannschaft das Video vom Hinspiel in Nürnberg (32:31 für den FHC) anschaute. Der ehrgeizige Dirigent des virtuosen Handball-Ensembles hat in der Vorbereitung den Bogen auch nicht überspannt. "Wir besitzen genug Selbstvertrauen. Nach dem Pokalsieg gegen Leverkusen am Donnerstag haben wir Freitag und Sonnabend normal trainiert. Nur Ostersonntag gab es frei. Wir sind im Rhythmus. Bei aller Konzentration haben wir wie immer auch Spaß beim Training. Alle wollen eben Handball spielen." Bis auf Lina Spalviene, die mit einer Oberschenkelverletzung gehandicapt in die Partie geht, sind alle Spielerinnen fit.