Von Claus-Peter Bach, Rhein-Neckar-Zeitung
Warum hat sich die SGL nicht gewehrt?
Leutershausen. Nach normalen Spielen geht das ruckzuck: Die Schlusssirene ertönt, Tische und Stühle werden aufs Parkett gezaubert und die ersten Flaschen leer gegluckert - kaum eine Minute benötigen die Anhänger des Handball-Zweitligisten SG Leutershausen vom sportlichen Ernst zum nachsportlichen Spaß, der hin und wieder bis in die frühen Morgenstunden dauert.
Am späten Samstagabend geschah nach der Sirene, die für die gequälten SGL-Seelen erlösende Wirkung haben sollte, überhaupt nichts. Die Spieler sanken auf der langen Holzbank in sich zusammen, Trainer Marc Nagel beugte sich nach vorne, stützte sich auf den Knien ab und starrte den Boden an. Und die Freunde der SGL standen in kleinen Gruppen reglos beisammen, blickten ungläubig auf die Anzeigetafel und schwiegen sich an. Auf ein frisches Bier hatte kaum einer Lust, und die Servicedamen an der großen Bar, die sich auf den üblichen heftigen Ansturm eingestellt hatten, konnten in aller Ruhe erst einmal Wechselgeld sortieren und die Wurst- und Mettbrötchen anrichten. Doch der Appetit war den SGL-Fans zunächst auch vergangen.
Keine Frage: Nach dem erfrischenden Erlebnis beim 27:23-Sieg am Mittwoch gegen den TV Bittenfeld wirkte die 27:39 (13:17)-Niederlage gegen den Tabellenachten ASV Hamm wie ein Schock, der alle lähmte. "Das tut weh", bekannte Marc Nagel, nachdem er sich zur Spielanalyse aufgerafft hatte: "Wir haben zu viele einfache Sachen falsch gemacht und hatten 50 Minuten lang keine Chance." Hamms Trainer Kay Rothenspieler stand stumm daneben, bedachte Nagel mit einem mitfühlenden Blick und liebkoste die schlanke Flasche Schwarzen Johannisbeergeist, der auf der fröhlichen Heimfahrt ins Westfälische seine Wirkung entfalten konnte.
Es ist nicht arg übertrieben, wenn man den SGL-Spielern, die ohne die verletzten Vorkämpfer Philipp Schulz und Peter Masica auskommen mussten, attestiert, dass ihnen in diesem Spiel gegen gute, aber keineswegs übermächtige Westfalen überhaupt nichts gelungen ist. Schon das erste Tor Hamms nach kaum zehn Sekunden fiel auf zu einfache Weise, und fortan liefen die Bergsträßer 60 Minuten lang einem immer größer werdenden Rückstand hinterher. 1:4 stand es nach acht Minuten, 7:12 nach 21 Minuten und 13:17 zur Halbzeit, als sich die Zuschauer an ihren Gläsern festhielten und einhellig feststellten: Wenn sich nichts ändert, geht das gründlich schief.
Was sich hätte ändern müssen, ist schnell aufgezählt: Die SGL stand in der Abwehr nicht dicht genug und erlaubte Matthias Struck, Ondrej Zdrahala (je 7) und Markus Fuchs (6) zu viele leichte Tore nach dem Motto "hoch steigen, werfen, treffen". Die Trefferquote der langen ASV-Kerls war beeindruckend. Kaum ein Wurf verfehlte das Tor, kaum ein Ball konnte von Alexander Hübe oder Sebastian Ullrich abgewehrt werden. Da auch Rechtsaußen Lars Gudat ziemlich ungestört sechs Tore werfen durfte, wurden die Abwehraktionen der viel zu braven "Roten Teufel" immer fahriger, deren Schulterzucken und Kopfschütteln immer häufiger.
Und im Angriff? Da ließen es die Leutershausener an der gebotenen Geduld im Kombinieren vermissen. Sie vergaßen völlig, dass es im Handball unerheblich ist, wer am schnellsten trifft, sondern dass man treffen muss, um gewinnen zu können. Dieses Manko begleitete die Hausherren trotz der energischen Interventionen Marc Nagels durch das ganze Spiel. Fehlwürfe, Fehlpässe und Missverständnisse kennzeichneten - von den ersten zehn einigermaßen stabilen Minuten abgesehen - die Angriffe der SGL. "Weiter, Jungs!", feuerte Marc Nagel seine Schützlinge an. Da stand es 21:32 (49.), und es klang irgendwie verzweifelt.
Wenigstens Hallensprecher Udo Scholz fand vor dem Pokalspiel am Mittwoch um 19.30 Uhr gegen Bad Schwartau trotzige Worte des Trostes: "Das wirft uns nicht um. Wir halten zusammen!"
SG Leutershausen: Hübe, Ullrich - Frietsch, Wilde, Räpple, Forstbauer 1, Ruß 3, Prestel 4, Volk 2, Durak 5, Geppert 4, Conrad, Dippe 2, Engels 6/4.
ASV Hamm-Westfalen: Storbeck, Mrkva - Struck 7, Huesmann, Muller, Fuchs 6, Simon 6/2, Wiegers 1, Macke 3, Auerbach, Zdrahala 7, Gudat 6, Dahlhaus 3.