Liebes Handballtagebuch!
Nach einem sehr starken Saisonstart gegen Mitfavoriten TSV B. fährt die C-Jugend Samstagmittag gleich zum zweiten Spitzenspiel gegen die JSG. A. Vorletzte Saison ist dies in der Bezirksmeisterschaft der einzige echte Gegner gewesen und hat durch ein Unentschieden das Turnier noch mal spannend gemacht. Letzte Saison hat es eine Niederlage und einen Sieg gegeben. Die Auswärtsniederlage ist eine der schwärzesten Stunden der Handballgeschichte.
ZeeBee rechnet sich gute Chancen aus. Der Gegner ist überdurchschnittlich stark auf der rechten Seite besetzt, die Kreisläuferin überragt ZeeBees Mädchen und spielt gerne Doppelpässe mit RR, die linke Angriffsseite ist dagegen etwas schwächer. ZeeBee stellt Außen Rechts auf ihre Spezialaufgaben ein, wie auf ihrer Seite die Bälle abgefangen werden. Hierzu weiht er die nagelneue Taktiktafel ein und kommt sich vor wie Noka.
Damit ist gewissermaßen die taktische Unschuld der Mädchen gefallen.
Das Spiel geht erst einmal mit dem üblichen Abtasten los. Es gibt keinerlei Anzeichen für ein außergewöhnliches Spiel. Teo hält seit Wochen sensationell und macht dort weiter. Die vermeintlich stärkste Gegenspielerin wird von Lieschen gedeckt, die dafür von ihrer Hinten Mitte wegrücken muss. Abwehrcracks Roggisch und Olga fehlen erkältet, so dass ZeeBee in der Abwehr kaum noch Möglichkeiten für Spezialaufträge verbleiben. Lieschen agiert sonderbar zurückhaltend, Rückraum Rechts kann ihr mehrfach ohne Weiteres davonlaufen. Was auch immer Lieschens Form runterreißt, es verbreitet sich plötzlich wie die Pest. Mit einem Schlag stehen sechs Handballanfängerinnen in der Abwehr, die sich vor einer Woche noch so hervorragend präsentiert hat und auch in Unterzahl kaum zu bezwingen gewesen ist. Ludmilla wird ausgetanzt, weil sie regungslos die Gegenspielerin anstarrt. Lieschen wird stehen gelassen. D-Jugendliche Karina schlägt Wurzeln. Trude bewegt sich in Zeitlupe immer wieder vom Kreis auf die Ballführerin weg und wird überspielt...
Nach wenigen Minuten steht es 7:2 und allein Teo ist es zu verdanken, dass das Spiel noch nicht entschieden ist. Dann geht ein Ruck durch die Mannschaft... allerdings die gegnerische Mannschaft. Die JSG kommt urplötzlich mit der Chancenvielfalt nicht mehr klar und verliert völlig den Faden. Angriff für Angriff nimmt A. die Abwehr des TuS auseinander... und verliert dann den Ball oder macht technische Fehler. Aus 7:2 wird ein 7:9, ohne dass die eigene Mannschaft auch nur einen Hauch besser spielt als zuvor.
ZeeBee kompensiert den Frust und peitscht die Mannschaft an, nicht ohne Misstrauen, dass dies nur eine Seifenblase sein könnte. Ludmilla treibt ZeeBee in den Wahnsinn. Vor dem Spiel hat sie auf den Weg mitbekommen, dass ihre Gegenspielerin wohl die flinkste Rechtsaußen der Liga sei und dass sie sofort bei Ballannahme anzufassen sei. Ludmilla bleibt jeden einzelnen Angriff am Fußboden kleben und lässt sich von der Gegenspielerin austanzen. Tore fallen fast nur über die rechte Seite, dort wo ZeeBee die Abwehr auf ihre Aufgabe vorbereitet hat. Pausenstand 15:15 gegen eine Mannschaft, die längst nicht so ausgeglichen besetzt ist wie der TuS.
Raustreten, Körperkontakt, Zurücksinken, Querstellung zum Ball - in der Pause geht ZeeBee das kleine 1x1 durch, da auch die Auswechselspielerinnen alles verlernt haben. Körperkontakt, Körperkontakt, Körperkontakt - ZeeBee sehnt sich die kranke Roggisch herbei.
Ludmilla bekommt die Warnung mit, dass ihr die Tribüne droht, sollte sie weiterhin ihren Winterschlaf auf dem Feld abhalten. Wenige Minuten der zweiten Halbzeit sind gespielt und ZeeBee stellt fest, dass es noch passiver geht als bislang. A. ist im Angriff, spielt den Ball durch und die Abwehr schaut gebannt zu.
"Kontakt!" Nichts rührt sich. Pass, die Gegenspielerin der Passempfängerin schaut zu. "Kontakt!" Kein Lebenszeichen der Abwehr.
"Kontakt! Kontakt! KONtakt! KONTakt! KONTAKT! KONTAKT! KOOONTAKT! KOOOOOOONTAAAAAAAAKT!" ZeeBees lautes Organ überschlägt sich. Endlich eine Reaktion! Nicht von der Abwehr, die stellt sich tot. Der Schieri bittet ZeeBee um Mäßigung. ZeeBee überlegt kurz, ob er um einen Dolmetscher bitten sollte, wenn der Schieri schon die Kommunikation mit der Mannschaft unterwandert. 
Wenige Minuten später, gegen 15:43 kommt es zum historischen Moment. Ludmillas Gegenspielerin - Ludmilla ist nun von ihrer Rechtsaußen befreit und ist auf Halb Rechts gewechselt - bekommt den Ball. Ludmilla betrachtet interessiert das Schauspiel: "Ballannahme! Augen an Kleinhirn: Ballannahme! Kleinhirn an Großhirn: Da war doch was?! Großhirn an Kleinhirn: Haben wir eigentlich die Bravo Girl schon an Greta zurückgegeben? Kleinhirn an Großhirn: Nee, die hat uns das Heft geschenkt. Großhirn an Kleinhirn: Da waren aber nette Frisuren drin. Und die knackigen Jungs auf Seite 10! Ohren an Kleinhirn: Doppelpfiff vom Schiedsrichter! Kleinhirn an Großhirn: Das bedeutet doch... Kleinhirn an Mundwinkel: Runterziehen und betroffen wirken! Ohren an Hände: Haltet mich jetzt bitte zu! SOFORT!"
LUDMILLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
Der Schieri wird doch nicht.... ZeeBees allerallerallererste gelbe Karte als Trainer wird gezückt. ZeeBee überlegt noch, ob er sie vom Schieri signieren lassen und abkaufen soll, entscheidet sich aber zumindest bis nach dem Spiel zu warten. "Kein Ton mehr!" "Darf ich noch atmen? Wer schreit dann die Abwehr zusammen? Wer nimmt sich Ludmilla an? Darf der das überhaupt?!" Elementare Gedanken schwirren durch ZeeBees Hirn. Dieses Chaos ohne die donnernde Stimme der Vernunft?! "Mich hat er aber nicht gemeint, oder?" Co-Trainerin Anja sieht in diesem Moment nicht nur aus wie ein Engel sondern könnte auch einer sein. Von nun an flüstert ZeeBee aus dem Mundwinkel Anweisungen, Anja spielt Lautsprecher. Irgendwie spricht auch Anja dieselbe falsche Sprache, die Abwehr stellt sich nach wie vor tot.
Inzwischen hat sich A. etwas Neues ausgedacht. ZeeBees Mädchen orientieren sich am Ball wie Motten am Licht. Wie verhext starren sie auf den Ball und ignorieren ihre unmittelbare Gegenspielerin. Scharenweise laufen nun Außen oder Rückraumspielerinnen hinter ihrer Gegenspielerin unbehelligt ein und bekommen den Bodenpass. Egal ob Niedersachsenauswahlspielerin oder bloß Kreisauswahl - im Rücken jeder Abwehrspielerin passieren nun Dinge, wie sie seit dem ersten Jahr E-Jugend nicht mehr vorgefallen sind. ZeeBee beißt ein beachtliches Stück Holz aus der Ecke der Auswechselbank. Der Blutdruck ist mittlerweile so hoch, dass die grüne Karte völlig aus dem Sinn ist. Torhüterin Teo, einzige Spielerin mit Normalform, muss raus, Trudchen kommt ins Tor und begibt sich gleich auf Rückraum Mitte. Mittlerweile sind ZeeBees Hirnfunktionen so eingeschränkt, dass er zunächst mit drei Kreisläufern arbeiten lässt. Trotzdem kommen die Mädchen zu einfachen Toren, lassen hinten aber die Gegenspielerinnen durch die Reihen spazieren. Jedes Tor wird egalisiert. 32:28 gegen einen Mitkonkurrenten verloren, das Wochenende ist dahin. Auf der Rückfahrt hören Uwe und ZeeBee Bundesliga. Bremen führt 0:1 in München und trifft und trifft und trifft. ZeeBees Laune klart auf, Bayer Uwe wird immer stiller. "Ich habe ja wenigstens meine Bremer, die mich heute aufmuntern. Wie überlebst Du das Wochenende?" 
Dein
Karsten