Sommerloch, mal ein paar allgemeine Gedanken. Weiter oben hatte ich geschrieben, wie man systematisch Talente versauen könnte, wenn man nur den Schwachsinn zusammenträgt, der so in den Vereinen Praxis ist. Muss ich mal schauen, ob ich schon genug Material habe, um ein Update zu bringen. Nun anders herum, Talentförderung bei den Jüngsten:
Wer eine "Inselmannschaft" hat, sprich entweder oben und unten gar keinen (qualitativen) Anschluss oder nur Anschluss mit egomanischen/unkooperativen/selbstzweifelnden/bekloppten Trainern... vielleicht könnt Ihr unten dennoch etwas Honig raussaugen.
- Training pimpen
Hatte ich jüngst schon reichlich dazu geschrieben. Wir haben fast eine ganze Saison mit einer der stärksten mD Mannschaften des Landesverbands gemischt trainiert. Vom Trainingslager über gemischte Kleingruppen im Training bis hin zu Einsätzen einiger weniger Talente der wD in den Punktspielen bei den Jungs. Anfangs mussten sich die Bengels im Abschlussspiel noch gewaltig strecken, im Laufe der Saison nahm dann die Biologie ihren Lauf. Meine stärkste Spielerin war jedoch in der mD kaum wegzudenken und auch meine TW konnte ab und an die Jungs verstärken.
Wenn es leistungsmäßig passt (E und D-Jugend) und die Trainer miteinander klarkommen, ein Gedanke zur (Talent-) Förderung der Mädchen. Im Training zwei, drei homogene Gruppen bilden, rotieren, dann haben alle was davon. Ich konnte in die Waagschale werfen, dass der Mädchentrainer über dreißig Jahre Erfahrungsvorsprung hatte, so dass wir uns schnell einig wurden. Und im Laufe der Saison haben die Bengels sogar vernünftig verteidigen gelernt.
- Spielbetrieb Jungs
Spielbetrieb der Mädchen gibt keine sportliche Herausforderung. Vorab der Blick in die Durchführungsbestimmungen. Da gibt es allerhand Unterschiede, allerhand Schwachsinn und das muss der Trainer vorab sondieren. Bei uns z.B. waren Jahrzehnte lang keine Mädchen bei der mD zugelassen, bis ein neuer Verein einfach mal den Antrag auf der Jahreshauptversammlung gestellt hatte, weil der aufstrebende Verein weder genügend Jungs noch Mädchen für eine vollständige D hatte. Teils komplett verboten, teils zahlenmäßig beschränkt, teils auf bestimmte Ligen beschränkt, vielleicht auch mal ganz offen. Meines Wissens hat Blomberg letzte Saison mangels jeglicher Konkurrenz bei den Mädchen in der männlichen D gespielt. Hab ich auch schon, der Verband hat dann... sucht es einfach im Handballtagebuch.
Wo nur "gemischte Mannschaften" erlaubt sind, gibt es natürlich mehrere Möglichkeiten:
- die Mädels haben mir einen Fußballtorwart mitgebracht, den wir mit einem Pass versahen: Wir waren eine "gemischte" D-Jugend! Und der Bursche hat sich tatsächlich auch mal echte Handballtorwarttechniken abgeschaut und angeeignet.
- zwei kleine Brüder aus der E-Jugend eingesetzt und wir waren "gemischt"
- die Regel insgesamt ignoriert, eine Saison lang störte es nicht, erst dann schrieb man mir in die Durchführungsbestimmungen: "max. 4 Spielerinnen gleichzeitig auf dem Feld"
- kleinen Bruder mit Spielerpass versehen, ins Spielprotokoll eintragen, ein Eis in die Hand drücken, auf die Bank setzen >> gemischt!
- vielleicht gibt es ja auch sportlich sinnvolle Lösungen innerhalb eines Vereins, ohne den Verband zu verarschen und die Regeln auszuhebeln
Spielerinnen, die bei mir oder meiner Vorgängerin ein Jahr als Jungsmannschaft gespielt haben: 1x Bundesliga Frauen, 1x Jugendvize-Europameisterin, 1x aktuell dänische Bundesliga A-Jugend, 1x Juniorinnennationalspielerin USA - hat ihnen sicher nicht geschadet!
- Spielbetrieb
Spielen lernt man durch spielen. Auf der Bank spielt man nicht. Im Kinderhandball haben keine sieben Kinder was auf der Bank verloren. Bei mir maximal fünf Kinder auf der Bank, ggf. eine weitere Torhüterin. In der Theorie spielen alle Feldspielerinnen gleich viele Minuten. Möchte ich ein Spiel gewinnen, schummele ich bei den Spielanteilen, teile das aber offen mit. Ist der Gegner viel zu schwach, schummele ich bei den Spielanteilen und erkläre meinen Talenten, warum sie mal lange auf der Bank sitzen. Innerhalb eines Turniers kann ich auch meist die Spielanteile so angleichen, dass alle zufrieden sind.
- Durchlässigkeit der Altersklassen
Liebe Dorfvereine... ich könnte kotzen, wenn ich wieder und wieder höre, wie dort Talente klein gehalten werden. Bloß kein Talent zur nächsten Altersklasse hochgeben. Bloß keine interne Konkurrenz für meine Mädchen durch Talente aus der jüngeren Altersklasse. Wir bilden so aus, dass die Mädchen maximal Kreisliga Damen spielen werden...
Meine Trainerkollegin hat neulich mal beim Turnier unserer E-Jugend über die Schulter geguckt und wen entdeckt. Gestern Debüt für Leonie bei uns im Ferientraining. Jungjahrgang E, bis um Ostern rum noch Minis, gestern im "Leistungszentrum D-Jugend" im Training. Eine meiner Jüngsten, Jungjahrgang D, wird kommende Saison nur zweimal bei uns trainieren, einmal bei der Regionalliga C-Jugend und zu Saisonbeginn vielleicht als jüngste Spielerin der Liga in der C auflaufen. Meine TW hatte im gleichen Alter letzte Saison Einsätze in der höchsten C-Jugend Liga. Wenn die Unterforderung schon weh tut, schmeiße ich eine Spielerin ein Jahr vorzeitig ganz aus der Altersklasse (allerdings die große Ausnahme).
Kommende Saison koordiniere ich nicht nur Aushelfen in der C I, sondern auch (endlich wieder) Aushelfen in der D I. Monat für Monat frage ich die Talente Jungjahrgang C/ D I wie auch Jungjahrgang D/ E-Jugend ab, wer im Folgemonat zu welchen Spielen der C I / D I Zeit hat. Dann teile ich so ein, das wir Festspielen / 48 Stunden Regel umgehen. In der D I heißt das sogar, dass um maximal 12 Mädchen einzusetzen, bei zwei Gästen pro Spiel jedes Spiel eine Stammspielerin aussetzen wird, um einer jüngeren Spielerin Platz zu machen. Die aussetzenden Mädchen wiederum haben aber alle noch C II Einsätze.
- Phantommannschaft als Ausbildungsmannschaft
Wir haben - zum Glück - in der C-Jugend keine vollen zwei Mannschaften. Zahlenmäßig eher eine / meist anderthalb. Die C trainiert in einer Trainingsgruppe für sich. Seit einigen Jahren melde ich dennoch eine C II in die zweithöchste Liga. Mein Kader ist der vollständige Jungjahrgang C (minus Ausnahmetalente) und der Altjahrgang D (plus Ausnahmetalente). Die C II trainiert nie gemeinsam. Wir treffen uns zum Punktspiel und gehen dann wieder auseinander. Im Idealfall haben wir halbe/halbe C und D. Die C-Mädels führe ich an das Oberliganiveau heran (neu: Regionalliga). Die D-Mädels gewöhne ich an die C. Viel Manndeckung, später sehr offensive 1:5. Die Gegnerinnen kennen das schon gar nicht mehr, bzw. meine Mädels zwinge ich in maximal viel 1:1, wo ich unendlich viel korrigieren kann. Langzeitverletzte aus dem Altjahrgang C holen sich nach der Pause bei uns wieder Spielpraxis.
- Kleingruppentraining
Wer noch irgendwo eine halbe Halle für zwei Stunden über hat... Samstags von 10:00 bis 12:00 hole ich mir Talente zusammen. Meine D-Jugendlichen, C-Mädels, B-Mädels, gemischt, Talente aus anderen Vereinen. Wurftraining mit Videoanalyse (max. 3 Spielerinnen), Kreisläufertraining, Kooperation Rückraum/Kreis, 1:1 mit Täuschungen, individuelle Abwehr... zwei bis sechs Spielerinnen. In der Saison keine hohe Belastung, aber viel individuelle Korrektur.
- 25:50:25
Ein befreundeter Trainer schickte mir neulich einen Link zu einem Podcast. Interview mit Martin Berger (http://www.handballinspires.de). Weltreisender in Sachen Handball, hospitiert überall in Leistungszentren und schaut wirklich mal über den Tellerrand. Und der hat mich doch echt mal ins Grübeln gebracht. Ich bin immer darauf bedacht, die Talente an ihre Grenzen zu bringen und auch gezielt zu überfordern. Und doch weiß ich, dass Talente z.B. eine Führungsrolle eher lernen, wenn sie mal Leitwolf sein dürfen und nicht Schaf unter Schafen oder gar Lamm sein müssen! Spielt in meiner Philosophie bislang aber eine untergeordnete Rolle.
25:50:25 - die skandinavische Philosophie.
25% der Zeit unterfordern
50% an die Grenze führen
25% überfordern
Beispiele waren, die großen Talente auch in der eigenen Altersklasse belassen oder gar in einer niedrigeren Altersklasse mittrainieren lassen. In einer niedrigeren Altersklasse im Trainingsspiel mitspielen lassen.
Bei uns/mir sind an die Grenze führen/überfordern eine Selbstverständlichkeit. Das gezielte Unterfordern, damit die Granate lernt, Verantwortung innerhalb eines Teams zu übernehmen... Da habe ich noch viel Luft nach oben, weil das bei mir kaum eine Rolle spielt. Dabei habe ich selbst erlebt, wie große Talente sich unter älteren Kindern verstecken oder dort gar stagnieren. Und ich habe auch mal bewusst eine Ausnahmespielerin wieder zurück in ihre Altersklasse geholt, damit sie auch Leitwolf sein darf.