Beiträge von Zickenbändiger

    In der C-Jugend ist diese Saison bei mir ein und dieselbe Spielerin in drei verschiedenen Spielen beim Gegenstoß von hinten umgerissen worden. Die Situationen waren immer vergleichbar, weil die Abwehrspielerin jeweils von hinten kam.

    Spiel 1: Disqualifikation + 7m
    Spiel 2: Abwurf
    Spiel 3: Hinausstellung + 7m

    Dann passt es eigentlich ins Bild, wenn die Keeper wie Freiwild behandelt werden. :rolleyes:

    jfherden: Don't feed the trolls!

    Was vermisse ich doch die Schierilehrgänge, seit ich meinen Schein nicht mehr verlängere... Dreißig Mann, die kein Stück abstrakt denken können, diskutieren wie wild einfache Fälle, die bei einem flüchtigen Blick in die Regeln gelöst werden können, weil sie sich schon ohne große Auslegung aus dem Wortlaut ergeben.

    Hier muss man Regel 8:5 etwas auslegen und schon klappt gar nichts mehr.

    Zitat

    Dies ist eine Tatsachenentscheidung, daher kein Einspruch möglich.

    Vorsicht Zirkelschluss! Wenn wir voraussetzen, dass Kopftreffer mit Eventualvorsatz gesundheitsgefährdende Angriffe sind, dann ist das eine Tatsachenentscheidung. Folgen wir aber der anderen Meinung, darf es in der Situation kein "Rot" geben, dann ist das eine fehlerhafte Anwendung des 8:5 und somit ein Rechtsfehler. Unter Juristen nennt man dies Meinungsstreit, was gerade im Studium sehr viel Freude bereitet. Hätte ich diesen Meinungsstreit in einer Hausarbeit zu entscheiden, müsste ich mich allerdings der Mindermeinung anschließen, weil die die wesentlich besseren Argumente hat. :D

    Irrtum bei der Wahrnehmung > folgefalsche, aber konsequente Entscheidung = Tatsachenentscheidung (nicht anfechtbar, außer es war ein Phantomtor im Fußball der Nürnberger)

    korrekte Wahrnehmung > nicht regelkonforme Rechtsfolge = fehlerhafte Regelanwendung (ggf. anfechtbar)

    Zitat

    Nein. Die Regel 8:5 sagt, dass bei gesundheitsgefährdenden Angriffen zu disqualifizieren ist. Punkt. Mit den nachfolgenden Aufzählungen ("insbesondere wenn") werden die wichtigsten Punkte genannt. Das ist nicht abschließend, also kann es etliche andere Punkte geben. Wäre die Liste abschließend, stände dort nicht "insbesondere wenn" sondern "ausschließlich wenn".

    Das will hier leider niemand wahrhaben. :/: Diese "gesetzgeberische" Technik nennt man REGELBEISPIELE. Damit sind vielleicht zwei Drittel der denkbaren Fälle grob skizziert, im Einzelfall muss der Schieri aber immer noch entscheiden, ob eines der Regelbeispiele erfüllt ist (sprich ein "Klassiker" vorliegt) oder die Aktion rotwürdig ist, weil ein gesundheitsgefährdender Angriff vorliegt.

    Zitat

    Da werden künstlich Problemfälle konstruiert, die vollkommen an der Realität vorbeigehen. Wir sprechen über Handballspieler, die zu 99% Tore erzielen möchten und nicht von Schwerverbrechern, die anderen absichtlich das Nasenbein brechen wollen.

    Da habe ich mir so viel Mühe mit der Einleitung gemacht und Du überliest sie einfach, Thorsten. :hi: Ich rede nicht von ABSICHT (dolus eventualis 1. Grades), ich rede von BILLIGEND IN KAUF NEHMEN (dolus eventualis). Der Unterschied sollte auch für den juristischen Laien verständlich sein. Und dennoch fällt beides unter "Vorsatz". :wall: Und ich muss nicht groß konstruieren, den Fall mit gezielt über den Scheitel ziehen habe ich in der weiblichen C-Jugend erlebt. Ich schicke Dir gerne das Video.

    In wenigen Stunden treffen wir übrigens wieder auf jene Rechtsaußen. Falls sie wieder solche Spielchen macht, stelle ich die Abwehr um und hetze ihr meine "Roggisch" auf den Hals. Das gibt dann voraussichtlich die ein oder andere Hinausstellung gegen uns, aber wenn nur der zweite Bildungsweg hilft... Was soll ich auch anderes machen, wenn Torhüter Freiwild sind? Ich habe die Schnauze voll von der gängigen Regelauslegung, die jedem Juristen aufstoßen wird.

    Es sollte doch recht einfach sein, den Mannschaftsverantwortlichen zu bitten, den Ordnungsdienst (fehlt dieser bei uns, kostet das auch Strafe - ein freundlicher Hinweis darauf könnte ebenfalls Wunder wirken) einzuschalten und den Schreihals zu entfernen - das Spiel wird wieder angepfiffen, sobald der Flegel raus ist. Warum überhaupt mit Spielabbruch drohen? Soll sich der Trainer auf eine Diskussion einlassen oder sitzt in dem Moment nicht der Schieri am längeren Hebel?

    Ich werfe mal einen neuen Gedanken in den Raum. Im Strafrecht gibt es Vorsatzdelikte (z.B. Körperverletzung) und Fahrlässigkeitsdelikte (z.B. fahrlässige Tötung). Der Jurist prüft dann folgende Punkte:

    - Tatbestand erfüllt?
    "Passt" diese Tat zu einem strafbewehrten Paragraphen (objektiver Tatbestand)?
    Bei Vorsatzdelikten: Handelte der Täter vorsätzlich (Wissen und Wollen um den objektiven Tatbestand)?

    - Rechtswidrigkeit

    - Schuld

    Im Rahmen des Vorsatzes werden Unterscheidungen getroffen:

    - dolus directus 1. Grades
    Absicht: der Täter wusste war er tut, es kam ihm genau hierauf an (Wissen und Wollen unzweifelhaft)

    - dolus directus 2. Grades
    direkter Vorsatz: Es kam mir gar nicht so darauf an, aber ich wusste genau, was ich tue.

    Und jetzt wird es spannend:
    - dolus eventualis
    Eventualvorsatz: Ich halte es durchaus für möglich, dass ich Unrecht tue, mir kommt es gar nicht so sehr darauf an, aber ich nehme es in kauf.

    - Fahrlässigkeit
    Bei Vorsatzdelikten scheidet eine Strafbarkeit aus.

    Jetzt das paradoxe bei der Bestrafung von Kopftreffern, wobei ich davon ausgehe, dass es eine rote Karte oder einen Ausschluss nie für Fahrlässigkeit geben soll:

    Beispiel 1:
    Spieler A7 wird von B2 böse gefoult, der Schieri zückt nur die gelbe Karte. A7 wird behandelt. Trainer will deeskalieren, will B2 wechseln, der marschiert Richtung Bank. A7 steht auf, schnappt sich den Ball und wirft ihn B2 an die Rübe. (Absicht / Tätlichkeit > Ausschluss).

    Beispiel 2:
    Bundesligaspiel. 7m Wurf. A3 tritt an, wirft, Keeper bewegt sich nicht, Kopftreffer. (Die Regeln unterstellen wohl mindestens Eventualvorsatz / Gesundheitsgefährdung > Disqualifikation).

    Beispiel 3:
    C-Jugendspiel in der Kreisklasse, Mannschaft A führt kurz vor Schluss mit 15 Toren. Siebenmeter für Mannschaft A. Alle haben schon einen Treffer erzielt, nur der talentfreie Spieler A15 noch nicht, der schon Mühe genug hat, unfallfrei geradeaus zu laufen. Fangen und Werfen überfordern ihn völlig. A15 soll "sein" Tor machen. Torwart bewegt sich nicht, Kopftreffer. (Fahrlässigkeit, die Regeln unterstellen aber mindestens Eventualvorsatz / Gesundheitsgefährdung > Disqualifikation)

    Obwohl hier allenfalls von Fahrlässigkeit gesprochen werden kann, folgt dieselbe Bestrafung.

    Beispiel 4:
    Championsleaguefinale. Nationalspieler Z. läuft einen Tempogegenstoß, kommt unbedrängt und frei zum Wurf, Torwart H. bewegt sich nicht, Z. bügelt ihm den Ball mit voller Wucht vor den Bregen. (Eventualvorsatz / Gesundheitsgefährdung > straffrei)

    Dasselbe gilt bei Würfen der Außen, die jedes Mal gezielt über den Scheitel werfen, weil der Torwart bekanntermaßen zuckt.


    Kommt mir das nur so vor oder haben wir hier einen Wertungswiderspruch?

    Zitat

    8:5 Ein Spieler, der den Gegenspieler gesundheitsgefährdend angreift, ist zu disqualifizieren (16:6b)

    These 1:
    Kopftreffer aus ruhenden Situationen sind in die Regelbeispiele (Regelbeispiele sind nie abschließend) der Regel 8:5 mit aufgenommen worden, weil hier im Normalfall Eventualvorsatz unterstellt wird.

    These 2:
    Kopftreffer sind immer gesundheitsgefährdend, tendenziell fallen sie unter Regel 8:5. Ob es sich um einen "gesundheitsgefährdenden Angriff" handelt, ist eine andere Frage.

    These 3:
    Kopftreffer aus dem Spiel heraus lassen sich nicht pauschal unter 8:5 fassen. Aus diesem Grunde wurden sie nicht in die Regelbeispiele aufgenommen. Dem Schieri wurde bewusst ein Ermessensspielraum eingeräumt, um im Einzelfall zu entscheiden, ob ein gesundheitsgefährdender Angriff vorlag.

    *Provokationsmodus an*
    These 3a:
    Kopftreffer aus dem freien Spiel sind nie gesundheitsgefährdende Angriffe. Der Werfer soll die freie Entscheidung haben, überall ungestraft hinwerfen zu dürfen. Der Schieri darf hier nicht eingreifen, die Abwehrspieler regeln das schon.

    Meine Frage: Was hat der "Gesetzgeber" wohl gewollt? Einzelfallentscheidung durch den Schieri oder Selbstjustiz der Abwehrrecken? *Provokationsmodus aus*

    Denn es kann mir niemand erzählen, dass der Außen, der ständig über den Scheitel wirft, eine Gesundheitsgefährdung nicht billigend in Kauf nimmt (was ein Fall von Regel 8:5 ist).

    Holla! Hier rieche ich... rechtsphilosophische Probleme. :hi: Das sind keine ganz neuen Gedanken hier:

    Zitat

    Wir verachten den Pfarrer, der gegen seine Überzeugung predigt, aber wir verehren den Richter, der sich durch sein widerstrebendes Rechtsgefühl in seiner Gesetzestreue nicht beirren läßt (...)


    Gustav Radbruch

    Völlig richtig... wo kämen wir hin, wenn jeder Schieri seine Interpretation der Regeln über deren Wortlaut stellt? Wenn es losgeht, dass "contra legem" gepfiffen wird, also gegen den eindeutigen Wortlaut der Regeln, dann haben wir ein echtes Problem.

    Wenn aber eine Regel mehrdeutig interpretiert werden kann und eine "Mindermeinung" vertreten wird (und hier haben wir gute Argumente für eine rote Karte bei Gesichtstreffern), dann muss sich hiermit auseinander gesetzt werden. "Gesundheitsgefährdend" ist ein gutes Argument für eine Disqualifikation, wenn der Werfer unbedrängt - aus dem Spiel heraus - zum Wurf kommt und der Torwart sich nicht bewegt. Vor allem, wenn jeder Wurf eines Spielers auf den Kopf geht.

    Lösung 1: Der Kopftreffer wird in den Katalog der Todsünden mit aufgenommen und es gibt eine Disqualifikation.

    Lösung 2: *Provationsmodus an* "Regelwidrigkeiten, die die Gesundheit eines Gegenspielers gefährden (Regel 8:5), ausgenommen Würfe auf den Kopf des Torwarts aus dem freien Spiel heraus"

    Warum nicht klarstellen, was wir von den Keepern halten?
    *Provokationsmodus aus*

    Nicht nur als ehemaliger Torwart, auch als Trainer wünsche ich mir einen gewissen Mindestschutz für die Keeper.

    Ist es nicht so, dass die IHF Regeln im Original auf Englisch oder Französisch sind? Hier haben wir offenbar entweder einen Übersetzungsfehler (oder tatsächlich eine - unwahrscheinliche - Regelungslücke).

    Hinausstellung / Disqualifikation = Strafe
    Freiwurf / 7m = keine Strafe

    Ich gehe allerdings fest davon aus, dass mit Regel 17:6 unser Fall eigentlich vollständig geregelt sein soll, bei der Wortwahl "Strafe" aber ein Missgeschick passiert ist. Im Schierilehrgang wurde es mir anders beigebracht, im weiteren Sinn handelt es sich wohl um eine "Strafe" / Sanktion.

    Wir hatten doch in einer vorangegangen Diskussion den fruchtbaren Beitrag, dass ein Schieri bei Außenspielern mit verdächtiger Tendenz, den Kopftreffer in Kauf zu nehmen, den freundlichen Hinweis erteilt: "Noch ein Kopftreffer und ich unterstelle Absicht." Das dürfte doch hilfreich sein.

    Ich hatte letzte Saison die Situation, dass eine Auswahlspielerin von Rechtsaußen meiner Torhüterin immer auf den Kopf warf. Viermal konnte sie den Kopf noch wegziehen (vier Tore), beim fünften Mal schaffte sie es nicht mehr. Der Schieri meinte auf meine Aufregung halb drohend: "Du wirst doch keine Absicht unterstellen!" Es hätte mir gereicht, wenn er es getan hätte. :wall: