Ich versuche hier ein durchaus kompliziertes und vielschichtiges Problem zur Diskussion zu stellen: Der Bund will sich offenbar im Rahmen der Föderalismus-Reform aus der Planung und Koordination des deutschen Bildungssystems zurückziehen (Bildung ist lt. Grundgesetz Ländersache). Was haltet ihr davon, was könnten mögliche Folgen sein?
Ziel der Föderalismusreform ist, die bisher bestehenden großen Interdependenzen zwischen Länder- und Bundesgesetzgebungshoheit einzugrenzen (Stichwort Art. 74 GG: Konkurrierende Gesetzgebung), auch um den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen. Sicher zunächst kein negatives Ansinnen.
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Gütersloh/Berlin, 06.12.2004 (Bertelsmannstiftung)
Ist der deutsche Bildungsföderalismus europatauglich?Stiftungs-Gutachten kritisiert geplante Dezentralisierung in der Bildungspolitik
In einem am Montag in der Reihe Forum Föderalismus 2004 veröffentlichten Gutachten zum deutschen Bildungsföderalismus kritisiert Prof. Dr. Michael Buse (Universität Bonn) die sich in der Bundesstaatskommission abzeichnende Abschaffung der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern. Die Studie zeigt, dass sich die schon heute mangelhafte Beteiligung Deutschlands an europäischen und internationalen bildungspolitischen Initiativen weiter verschlechtert, wenn sich der Bund aus der Bildungsplanung zurückzieht.
Das Gutachten "Bildungspolitik im föderativen System und internationaler Einfluss" ist heute in der Reihe "Forum Föderalismus 2004" erschienen, in der Diskussionsbeiträge zur geplanten Föderalismusreform veröffentlicht werden. Herausgeber sind die Bertelsmann Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Stiftung Marktwirtschaft und die Friedrich-Naumann-Stiftung.
Mit dem jetzt vorgelegten Gutachten thematisieren die Stiftungen einen der Punkte, die in der Bundesstaatskommission immer noch ungeklärt sind. Während die Länder eine umfassende Kompetenz in Bildungsfragen für sich beanspruchen und deshalb u. a. eine Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung nach Art. 91b Grundgesetz fordern, sieht die Bundesregierung auch weiterhin Bedarf für Aktivitäten des Bundes und will die Gemeinschaftsaufgabe beibehalten.
Prof. Dr. Michael Buse, der von 2001 bis 2004 als Referatsleiter im Bereich Bildungsplanung für die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung tätig war, warnt die Länder vor der Illusion, durch Grundgesetzänderungen oder andere binnenstaatliche Maßnahmen könne der Bund aus der Bildungspolitik herausgehalten werden. "Der Bund kann und wird die Bildungspolitik nicht aufgeben." Dafür sorgten schon Vereinbarungen auf internationaler und europäischer Ebene. Beispielsweise sei der Bund verpflichtet, regelmäßig nationale Bildungsberichte für die Europäische Union vorzulegen.
Kritisch bewertet der Autor der Studie die bisherige Fähigkeit des deutschen Bildungsföderalismus, internationale Initiativen mitzugestalten und für die eigene Bildungspolitik zu nutzen. Deutschland sei "ein widerwillig getriebener Partner, dem ein frühzeitiges Aufgreifen und Umsetzen externer Anregungen schwer fällt". Die zunehmende Bedeutung, die internationale und europäische Prozesse wie die Untersuchungen der OECD oder der Bologna-Prozess für die deutsche Bildungspolitik haben, werde negiert oder mit einer unproduktiven Abwehrhaltung gegen den Übergriff auf Kompetenzen der Länder beantwortet. So gingen selbst innovative Ansätze der deutschen Bildungspolitik wie das "Strategiepapier Lebenslanges Lernen" unter.
Diese Wahrnehmungsdefizite seien beispielsweise an der PISA-Studie deutlich geworden. Nachdem sich Deutschland über lange Zeiten der Mitwirkung an solchen Studien verweigert habe, verhinderten nun hektische Reaktionen auf die Veröffentlichung der Ergebnisse einen systematischen und kohärenten Reformansatz.
Link: Förderalismus-Reform (Bertelsmannstiftung) (extern!)
Meine Meinung ist, dass eine gemeinsame Linie natürlich immer nur der kleinste Nenner sein kann. Ich glaube aber nicht, dass es eine gute Idee ist, das Bildungssystem in Deutschland noch weiter auseinanderzureißen. Vielmehr sollte eine gemeinsame Linie aller Bundesländer im Sinne eines tatsächlich gleichwertigen Bildungsstandards gefahren werden (m.E. heute nicht der Fall), der natürlich möglichst hoch liegen muss, damit die kommenden Generationen im härter werdenden internationalen Wettbewerb bestehen können. Wenn alles auseinanderfiele, wären die Baden-Württemberger wohl mal wieder die ersten, die das Abitur aus NRW, Hamburg oder Berlin nicht anerkennen würden.