- Offizieller Beitrag
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Kein Ruhmesblatt: Für ihre Olympia-Berichterstattung 2004 verdienen ARD und ZDF keine Medaille.Hannover. „Ein Übergang so fließend, wie ein Übergang überhaupt nur sein kann!“, jubelt ARD-Reitsportexperte Carsten Sostmeier. „So fließend wie ein Eisstück, das in einem Cocktail unter der gleißenden Sonne Griechenlands dahinschmilzt…“
Ja doch. Schön und gut. Aber worum geht’s hier eigentlich?
„Hier wackelt der Olymp!“, ruft ZDF-Damenhockeyexperte René Hiepen. Seine Stimme überschlägt sich. „Was sind das für Bilder! Mädels, das habt ihr klasse gemacht! Das ist ein großer olympischer Moment für einen Sportreporter. Ich hatte doch den richtigen Blick. ich habe den deutschen Damen vor dem Spiel tief in die Augen gesehen und das Begehren gespürt, diese Begierde!“ Es geht um Olympia. Genauer: um Olympia im Fernsehen. Und wenn die Sommerspiele von Athen 2004 eines gezeigt haben, dann dass das nicht dasselbe ist.
Nach rund 100 Stunden Olympia im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, nach zwei Wochen Michael Steinbrecher („Was für eine Art von Glück ist das?“), Gerhard Delling („congratulations to this embarassing performance…“), Michael Antwerpes („Ich zeig’ Ihnen jetzt mal unser Studio“) und Wolf-Dieter Poschmann („Er ist jetzt Dritter der Zweitschnellsten“) fällt das Fazit bitter aus: Das war keine Sternstunde für den deutschen Sportjournalismus. Der tägliche Spagat zwischen deutschtümelnder Glücksbesoffenheit und miesepetriger Nörgelei, zwischen trockenem Expertengeschwurbel und jubelnder Ahnungslosigkeit, ging daneben.
Es ist schwer zu verstehen: Da zahlen ARD und ZDF mehr als 73 Millionen Euro für die Olympia-Rechte 2004 – und dann zeigen sie endlos Wasserball, Scheibenschießen und Pferde, Pferde, Pferde, während gleichzeitig live im Stadion (und bei Eurosport) Merlene Ottey nach 24 Jahren ihre glanzvolle Karriere beendet und der Marokkaner Hicham El Guerrouj zum ersten Mal olympisches Gold gewinnt und vor Glück weinend seine kleine Tochter küsst. Die Fixierung auf deutsche Athleten in Randsportarten, für Normalzuschauer so spannend wie die Mülltrennung, machte aus dem internationalen Großereignis Olympia eine besseres deutsches Turnfest. Und die „eigenen Kameras“, auf die die Sender immer so stolz sind, zeigten minutenlang herumstehende deutsche Sportler, während anderswo Legenden geschaffen wurden und Altstars verglühten.
ARD und ZDF haben es perfekt verstanden, täglich 17 Stunden zu senden und dem Zuschauer trotzdem das Gefühl zu geben, dass die Sache an ihm vorbeigeht. Wo waren die Reportagen über den Kantinenchef im olympischen Dorf? Über die nächtlichen Partys in der Altstadt? Wo war das Satirestück über das internationale Funktionärswesen samt Gattinnen? Was macht Carolina Klüft, wenn sie keinen Wettkampf hat? Kurz gefragt: Wo war Olympia außerhalb der Sportstätten?
Stattdessen: dumpfes Abfilmen, atemlos und stundenlang. Friss oder stirb. Ohne Analyse, Hintergrund, Einordnung. Für mehr als die inquisitorische Befragung pitschnasser Schwimmerinnen am Beckenrand („Wie konnte das passieren?“) oder anbiederndes Gratulieren (Johannes B. Kerner: „Auch im Namen meines Teams…“) zu Gold blieb keine Zeit. So kam es erst zu der nöligen Grundstimmung der ersten Olympiatage, als die Medien den Eindruck vermittelten, der Untergang des deutschen Sportwesens stehe unmittelbar bevor.
Beharrlich ignorierten beide Sender, dass die Ansprüche ihrer Zuschauer seit 1976 durchaus gestiegen sind, dass „Live-Sport“ nicht automatisch trägt. Das war das (zufällige) Glück in Sydney 2000: Wegen der Zeitverschiebung liefen die Wettbewerbe nachts – ARD und ZDF hatten am Tag darauf Zeit, um das Geschehen zusammenzufassen, aufzubereiten, einzuordnen. In Athen dagegen: Braungebrannte Sportmoderations-Dressmen mit Kompetenzfältchen unter den Augen, die trotz mäßiger Vorlaufzeiten erst die Erwartungen aufheizten und dann im Interview vor der Akropolis – persönlich beleidigt – Antje Buschulte den Finger auf die Brust legen, als wollten sie sagen: Wie könnt ihr faulen Millionäre es wagen, nicht zu gewinnen? Trainiert gefälligst mehr, wir wollen Gold, Gold, Gold! Das ZDF hielt es nicht mal für nötig, einen Reporter zum Kugelstoßen im antiken Zeustempel auf dem Peloponnes zu schicken. Wolf-Dieter Poschmann kommentierte die emotionale „Rückkehr“ der Spiele an den Ort ihres Ursprungs stattdessen lieber vom zweihundert Kilometer entfernten Olympiastadion aus. Reinhold Beckmann und Johannes B. Kerner beschränkten sich gänzlich auf Dachterrassen-Journalismus. Weit weg vom Geschehen.
Und wo war der Witz? Wo war der „schräge Blick“, der dem verbissenen Wettkampf mal ein wenig die Bedeutungsschwere genommen hätte? Wenn es mal „bunt“ werden sollte, zeigte die ARD Beachvolleyballerinnen-Hintern zu Karibikmusik. Busen, Po, Busen. Minutenlang. Das ZDF räumte seinem Quoten-Feuilletonisten Hännes Gally („Apropos“) nicht viel Platz ein, die ARD verzichtete ganz auf jemanden wie Tom Theunissen, der Großereignisse sonst herrlich bissig aufmischte („Die den Adler tragen…“).
Aber es gab ja noch Eurosport. Was CNN im ersten Golfkrieg 1991 war – der kleine TV-David, der die Goliaths unter den Berichterstattern besiegte – das war in Athen 2004 Eurosport. Oft konnte man sich entscheiden: Entweder live auf Eurosport oder eine Stunde später pseudo-live im ZDF. Eurosport zeigte – ohne germanozentristische Brille – objektiven Sport, lachende Sieger, weinende Verlierer aus aller Herren Länder. Das Kommentatorenduo Dirk Thiele und Siggi Heinrich (fast nie im Bild) führte uneitel, kompetent, witzig und entspannt durch den Tag. ARD und ZDF dagegen zeigten gleich zweimal, wie Bundespräsident Horst Köhler deutsche Sportler besuchte.
Groß ist die Hoffnung, dass Olympia 2008 in Peking wieder ein Fernsehereignis wird. Vielleicht hilft die Zeitverschiebung.
Quelle: http://www.haz.de
Wie ihr ja sicherlich nicht anders erwartet habt, zitiere ich einen anderen Meckerfritzen :D, obwohl ich auch nicht alles richtig finde, was da geschrieben wurde ...
... mW nach war kein Reporter in Olymoia beim Kugelstoßen, weil sie nicht dorthin durften, alle kommentierten diese Veranstaltung aus dem leeren Olympia-stadion.
... mir sind deutsche Randsprtarten immer noch lieber als Randsportarten ohne deutsche Beteligung.