"Radfahrer sind Sport-Laborratten"
München - Der dänische Anti-Doping-Verbandschef Bengt Saltin hat in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" ein düsteres Zukunftsbild zur Manipulation im Sport gezeichnet.
Zwischen den Olympischen Spielen in Athen 2004 und in Peking 2008 erwartet der Mediziner demzufolge einen Quantensprung hinsichtlich der Dopingpraktiken.
Mit Blick auf Athen ist der 68-Jährige überzeugt, "dass nach dem im vorigen Herbst in den USA entdeckten Steroid THG längst eine neue Designerdroge auf dem Markt ist". Daneben hätten die Athleten einen Weg gefunden, während der Spiele "mit Epo zu betrügen, ohne dafür bestraft werden zu können."
Weltmeister Millar in Cofidis-Affäre beschuldigt
Unterdessen nimmt die Doping-Affäre um den französischen Radrennstall Cofidis immer größere Ausmaße an. Der im Rahmen der Ermittlungen gegen das Team als Belastungszeuge fungierende Radprofi Philippe Gaumont erhob schwere Vorwürfe gegen Zeitfahr-Weltmeister David Millar.
Der Schotte, der bei der Tour de France 2003 das zweite Zeitfahren für sich entschied, soll sich nach Gaumonts Aussagen mit verbotenen Mitteln auf den Erfolg bei der Frankreich-Rundfahrt vorbereitet haben.
Sauberer Sport nur Utopie
"Saubere" Spiele sind nach Saltins Meinung utopisch: "Die Wahrscheinlichkeit, dass in Athen nicht gedopt wird, liegt bei null Prozent." Darüber hinaus rechne er mit einer rasanten Entwicklung auf dem Gebiet des Gen-Dopings, für das er in naher Zukunft die ersten Betrugsfälle voraussagt: "Nicht in Athen, vielleicht 2006 bei den Winterspielen in Turin, höchstwahrscheinlich 2008 in Peking. "
Wissenschaftler hätten bereits entsprechende Versuche erfolgreich an Affen und Mäusen durchgeführt: "Die Ergebnisse waren beeindruckend. Injizierte man einem Menschen ein Epo-Gen, würde er körpereigenes Epo produzieren, das nicht als Fremdprodukt erkennbar wäre."
Rad-Profis als Vorreiter
Vor allem im Radsport, aber auch in der Leichtathletik und anderen Ausdauersportarten gäbe es inzwischen Praktiken, die den Ermittlern der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), für die auch Saltin arbeitet, den Betrugs-Nachweis erheblich erschwerten: "Radfahrer sind die Laborratten des Sports, sie probieren fast alles als Erste aus", so der Däne.
Derzeit erlebe die Methode der Eigenblut-Transfusion eine Renaissance: "Da wir inzwischen verlässliche Tests auf das Hormondoping mit den Wirkstoppen Epo und Nesp durchführen, besinnen sich die Athleten auf eine altmodische Technik, die wir derzeit nur mit sehr großem Aufwand nachweisen können."
Gängig sei es laut Saltin auch, dass Sportler mit dem Blut "von Kollegen oder Freunden versorgt" würden: "Die Athleten spritzen sich das Blut eines anderen Menschen, der die gleiche Blutgruppe hat. So ein Gemisch aus Eigen- und Fremdblut ist auch kaum nachweisbar. Ich bin mir sicher, dass es Radteams gibt, die Blutspender für ihre Fahrer haben."
Quelle: sport1.de