Uwe Schwenker im großen Zebra-Interview: "Wann, wenn nicht jetzt?"
Neues Spiel - neues Glück! Der THW Kiel kehrt nach schier unendlich langer Wartezeit zurück aufs Bundesligaparkett der Ostseehalle. Das Team steht mit sieben Abgängen und fünf Neuzugängen vor einem einschneidenden Neuanfang. Thomas Fischer und Sascha Klahn (living sports) trafen sich mit dem Mann mit den vielen Fäden in der Hand, THW-Manager Uwe Schwenker, zu einem ausführlichen Interview rund um die neue Spielzeit und die große Aufbruchstimmung beim THW.
Zebra:
Herr Schwenker, die Mannschaft des THW Kiel ist neu formiert, erfahrene Spieler wie Olsson oder Bjerre haben den Verein verlassen und neue, jüngere Spieler sollen nun in den Vordergrund treten. Was kann man von dem neuen Team erwarten?
Uwe Schwenker:
Das ist zur Zeit noch schwer zu sagen. Grundsätzlich war es Zeit, dass man den THW rundum erneuert. Wir haben eine super Mannschaft gehabt, aber irgendwann nagt überall der Zahn der Zeit und wir stellten uns selber die Frage "Wann, wenn nicht jetzt?", weshalb wir letztendlich zu dem Entschluss gekommen sind, den THW gänzlich neu zu präsentieren. Ich denke, wir haben es geschafft eine leistungsorientierte, erfolgshungrige Mannschaft auf die Beine zu stellen, die sowohl für die Fans als auch für die Sponsoren mit einem hohen Identifikationspotential versehen ist und welche in absehbarer Zeit dazu im Stande ist, auf die Erfolgsspur zurückzukehren. Gleichwohl muss man den jungen Spielern auch eine gewisse Integrationszeit lassen, vor allem, wenn man weiß, dass es mit Mannschaften wie Lemgo, Flensburg, aber auch Magdeburg und Essen sehr eingespielte Mannschaften in der Spitze gibt. Es ist sicherlich schwierig, sofort dort zu stehen, wo man in den letzten Jahren gestanden hat. Man hat jedoch jetzt schon gesehen, dass bereits eine gewisse Aufbruchstimmung existiert und es macht einfach Spaß, mit diesen jungen Leuten zu arbeiten. Deshalb glaube ich, dass, wenn wir vom Verletzungspech weitgehend verschont bleiben, wir in der Lage sind, eine gute Saison zu spielen und werden versuchen, solange wie möglich oben dabei zu sein.
Zebra:
Was heißt für Sie eine "gute Saison"?
Uwe Schwenker:
Eine gute Saison heißt für uns, dass wir im Titelkampf mit dabei sein wollen. Ein Traum wäre es natürlich, sich am Ende der Saison für einen Champions League-Platz zu qualifizieren, aber es wäre momentan vermessen von uns zu sagen, wir seien einer der Titelfavoriten. Wenn wir von dem einen oder anderen Experten dazu eingestuft werden, fühlen wir uns geehrt und es ist auch eine gewisse Bestätigung für die Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, aber man muss einer jungen Mannschaft einfach auch ein bisschen Zeit geben, sich zu finden. In solch einer starken Liga wie der 1. Handballbundesliga ist es nicht einfach, sofort auf allerhöchstem Niveau zu spielen, aber mit Fortschreiten der Saison werden wir sicherlich immer besser Tritt fassen und umso besser werden wir auch spielen.
Zebra:
Sie haben sich also keinen bestimmten Tabellenplatz als Ziel gesetzt?
Uwe Schwenker:
Nein. Ich denke, dass es das schönste und wichtigste für einen Spieler ist, als Gewinner von der Platte zu gehen. Diesen Ansporn hat eigentlich jeder Sportler und ganz besonders natürlich ein Profi. Insofern wollen wir eigentlich jedes Spiel gewinnen und so viele Punkte wie möglich holen - wenn der Gegner besser ist, können wir dies auch neidlos anerkennen. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt.
Zebra:
Spüren Sie Parallelen zum Neuaufbau der Saison 1993/94, welche den Anfang des erfolgreichsten Jahrzehnts des THW Kiel einläutete?
Uwe Schwenker:
Es ist auf einer anderen Ebene etwas ähnliches. Es ist spannend und macht Spaß für das gesamte Umfeld diese neue Herausforderung anzunehmen und an neuem Erfolg zu arbeiten. Die Rahmenbedingungen allerdings sind insofern schwieriger, als dass die Konkurrenz wesentlich stärker ist als 1993/94. Heute gibt es eine Spitzengruppe von sechs, sieben Mannschaften, die für sich um die vorderen Plätze, sprich um den Titel kämpfen kann und will. Es ist schon eine interessante Herausforderung aber eben auch schwieriger, wirklich ganz vorne dabei zu sein.
Zebra:
Der allgemeine Leistungsdruck aus dem Umfeld und den Zuschauern ist heute wahrscheinlich auch ein anderer...
Uwe Schwenker:
Druck ist in der Art und Weise eigentlich nicht vorhanden. Es überwiegt momentan eindeutig die Motivation, Spaß und Freude, etwas neues auf die Beine zu stellen. Leistungsdruck sind wir gewohnt, da dieser eigentlich immer auf uns eingewirkt hat. Den größten Druck machen wir uns selber, indem wir versuchen, so gut wie möglich abzuschneiden.
Zebra:
Ihr Trainer "Noka" Serdarusic hat zuletzt mangelnde Konstanz in der Vorbereitungsphase bemängelt. Liegt die Mannschaft im Soll oder sind Sie ein wenig enttäuscht, dass der THW mit den großen Ligakonkurrenten noch nicht ganz mithalten konnte?
Uwe Schwenker:
Das ist ein schwieriges Thema. Letztendlich ist eine Vorbereitungsphase, um allen Spielern die Möglichkeit zu geben, sich zu beweisen, verschiedene Deckungsvariationen und taktische Vorgaben zu trainieren. Dass wir mit fünf neuen Spielern noch nicht eingespielt sein können, versteht sich von selbst und dass Mannschaften, die auf ihren eingespielten Stamm zurückgreifen können, bessere Ergebnisse in der Vorbereitung erzielen, ist wohl auch völlig klar. Was die Ergebnisse einer Vorbereitung wirklich wert sind, erkennt man, wenn man die Augen auf den großen Bruder Fußball richtet. Dort gibt es den Ligapokal-Sieger HSV, welcher in der Vorbereitung sehr souverän gespielt hat, nun aber dennoch am Ende der Tabelle wiederzufinden ist. Von daher zählen für mich wirklich nur die kommenden Bundesligabegegnungen, wenn es wirklich um Punkte geht. Dann wird sich zeigen, wie gut und effektiv unsere Vorbereitung wirklich war.
Zebra:
Die letzte Saison verlief für Kieler Verhältnisse eher durchwachsen. Was entgegnen Sie Kritikern, die behaupten, der Umbruch käme ein Jahr zu spät?
Uwe Schwenker:
Nun, wann genau der richtige Zeitpunkt ist, das weiß man nie und wenn wir im letzten Jahr nicht diese Vielzahl von Verletzten gehabt hätten, hätten wir auch gleich auf einem ganz anderen Niveau gespielt. Ich denke, dieses Thema ist hinreichend von vielen Experten, Fans und natürlich auch von uns diskutiert und erörtert worden. Als Konsequenz daraus haben wir nun beschlossen, mit einer neuen, jungen Truppe in die nähere Zukunft zu gehen. Das war der richtige Schritt, ob es der richtige Zeitpunkt war, darüber ist es müßig nachzudenken. Ich denke an die Gegenwart und die Zukunft - das ist das wirklich Entscheidende.
Zebra:
Was ist Ihrer Meinung nach die Hauptursache für die extrem vielen verletzten Spieler in Ihren Reihen der letzten Saison? Hätte man dem entgegenwirken können oder kann man es in Zukunft?
Uwe Schwenker:
Das ist schwer zu beantworten. Im Prinzip sind fast alle Verletzungen durch Fremdeinwirkungen zu Stande gekommen. Es hängt sicherlich mit der großen Belastung der vielen Pflichtspiele zusammen, der die Spieler unterworfen sind. Wenn die Verletzungen durch Trainingsbelastungen o.ä. passiert wären, könnte man an die Sache ganz anders herangehen. Unsere Spieler sind nun einmal fast ausschließlich durch die Beteiligung Dritter verletzt worden - dies ist ein Risiko, mit dem man immer rechnen muss. Dass sich in der Tat eine solch große Anzahl von Spielern so schwer verletzt haben war für uns ein gewaltiges Handicap, welches uns noch heute mit den Verletzungen von Lozano und Lövgren teilweise belastet. Bei der großen Anzahl von Spielen in der Bundesliga, dem DHB- und Europapokalen und zusätzlichen Nationalmannschaftseinsätzen ist es wichtig, einen großen ausgeglichenen Kader zu haben, um seine Spieler in gewisser Weise rotierend einsetzen zu können - was allerdings nicht immer finanziell machbar ist.
Zebra:
Wenn man es genau nimmt, haben Sie in diesem Jahr zwei Spieler weniger zur Verfügung als im letzten Jahr (fünf Zugänge, sieben Abgänge). Ist das Team dadurch nicht noch anfälliger für Verletzungen als im Vorjahr?
Uwe Schwenker:
Also ich sage, wir haben sogar mehr Spieler als in der letzten Saison. Effektiv haben letztes Jahr eigentlich weniger Leute gespielt als uns momentan zur Verfügung stehen. Das hängt damit zusammen, dass uns der eine oder andere Spieler quasi die gesamte Spielzeit gefehlt hat und wir lediglich versucht haben, durch kurzfristige Neuverpflichtungen die entstandenen Löcher zu stopfen. Jetzt haben wir einen Kader zusammen, der weitgehend fit ist, wenn man eben von den für uns wichtigen Spielern Lozano und Lövgren absieht, die ebenfalls bei Saisonbeginn hoffentlich wieder einsatzbereit sein werden.
Zebra:
Sind die Transferaktionen für diese Saison also definitiv abgeschlossen? Uwe Schwenker:
Absolut! Bei sachlicher Analyse und näherer Betrachtung kann man davon ausgehen, dass diese Mannschaft eine Investition in die Zukunft ist. Ein Kader dieser Größe und Qualität, davon gehen das engere, sowie das weitere Umfeld aus, wird in der Lage sein, den vielen Kieler Fans in absehbarer Zukunft eine Menge Spaß und auch Erfolg bieten zu können. Diese Investitionen waren durchaus ein nicht geringer Kraftakt, der selbst für den THW an seine finanziellen Grenzen des Machbaren trifft. Von daher schließe ich momentan völlig aus, dass es in dieser Saison zu einer weiteren Verpflichtung kommt, obwohl wir selbstverständlich immer unsere Augen überall bei Spielern haben, die zum THW passen würden. Es war für uns wichtig, wieder eine Mannschaft zu haben, auf deren Kern man punktuell weiter aufbauen kann, aber sicherlich nicht in dieser Saison.