• Zitat

    Original von Waldorf
    Hätte er das Gewicht auf die 10 Leute fallen lassen: Wäre das nicht Totschlag durch Unterlassen?
    Er konnte doch reagieren und die 10 Leute retten und er wusste das!

    Das mußt du ihm erstmal nachweisen, wieviel Zeit hatte er zum Reagieren? Bruchteile von Sekunden!

  • Zitat

    Original von Waldorf
    Er hat ja reagiert und den Kran auf die 5 Leute bewegt, um die 10 zu retten! Also wusste er alles! Ist aber auch unwichtig. Der Baggerfahrer konnte entweder 10 oder 5 Leute vorsätzlich umbringen!

    Strafe?

    Einspruch Euer Ehren, vorsätzlich umgebrahct hat er keinen, da ich nicht davon ausgehe, dass der Absturz des Gewichtes in seiner Absicht lag.

  • Klar, aber er hat die Aktion nicht absichtlich, vorsätzlich herbeigeführt, sondern er hat es bemerkt als es zu spät war. Und er hat dann versucht, die Situation abzuwenden und dadurch die andere Situation herbeigeführt.
    Wie ich schon weiter oben schrieb, ich denke das geht in Richtung Notstand.

    Wenn ich jemandem eine Latte vom Gartenzaun reiße, ist das Sachbeschädigung, wenn ich das aber tue, um mein Leben oder das eines anderen zu retten, kann ich dafür nicht haftbar gemacht werden.

    • Offizieller Beitrag

    Gut, Phunky. Also Freispruch!

    Um zu meinem Ausgangsgedanken, der Grenzen unseres Strafsystems zu kommen, jetzt die Übertragung des konstruierten Fällchens auf die Praxis:

    A, Chef-Arzt im Konzentrationslager Auschwitz, ist wegen hundertfachen Mordes an KZ-Häftlingen angeklagt, die er zumeist durch Giftinjektionen getötet hat.

    Jetzt bringt er zu seiner Verteidigung vor:

    "Ich habe hunderte von Häftlingen getötet. Ich hatte keine Alternative. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre mein Assistent B Leiter der Abteilung geworden. B ist aber ein hunderprozentiger Nazi gewesen. Er hätte mindestens doppelt so viele Menschen getötet. Ich habe in dem mir zur Verfügung stehenden Handlungsrahmen so wenige Menschen wie möglich getötet, ohne dass es den KZ-Leitern auffält, dass ich möglichst viele Häftlinge retten wollte."

    Seine Aussage (auch hinsichtlich des B stellte) sich im Prozess als wahr heraus.

    Und nun, Phunky?

    Freispruch?

    • Offizieller Beitrag

    Hier mal die Vorschriften (gelten auch für den Bagger-Fall)

    Zitat


    § 34 Rechtfertigender Notstand

    Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

    Kann man Leben gegen Leben abwägen? Überwiegen 10 Leben 5 Leben wesentlich?

    Zitat


    § 35 Entschuldigender Notstand

    (1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.

    (2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

  • Ich bin jetzt dafür, den Baggerfahrer zu 2 1/2 Jahren Trainer der Deutschen Fußballnationalmannschaft ohne Bewährung - weil der Job ist schon hart genug - zu verurteilen.

    Im Ernst: beim Baggerfall sehe ich die gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut gegeben, aber beim KZ-Fall?

    Wie ist es, wenn ich Phunky auf's Maul gebe und dann sage, wenn Waldorf ihn erwischt hätte, wäre es schlimmer ausgegangen... :rolleyes:

  • könnte man ja bei einem Ortstermin einfach ausprobieren

    Im Vergleich zu Serdarusic muss man sich Elefanten als vergessliche, etwas schusselige Tiere vorstellen. (Süddeutsche Zeitung v. 10.2.09)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Micha
    Im Ernst: beim Baggerfall sehe ich die gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut gegeben,

    Richtig. Aber, wie kommst du über die Hürde "das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt"?

  • allein die Anzahl der Leute könnte vielleicht ausschlaggebend sein.

    Im Vergleich zu Serdarusic muss man sich Elefanten als vergessliche, etwas schusselige Tiere vorstellen. (Süddeutsche Zeitung v. 10.2.09)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Olaf
    allein die Anzahl der Leute könnte vielleicht ausschlaggebend sein.

    Ist das Leben einer 80-jährigen Oma mehr oder weniger wert als das Leben eines 10-jährigen Kindes, wenn es darum geht, es kann nur einer der beiden überleben??
    Auch so ein beliebtes strafrechtliches Problem, das ganz gut zu dem hier in Frage stehenden passt ...

  • Zitat

    Original von Jörg aus Basche
    Ist das Leben einer 80-jährigen Oma mehr oder weniger wert als das Leben eines 10-jährigen Kindes, wenn es darum geht, es kann nur einer der beiden überleben??

    Je nachdem, ob an der Bildung, oder den Renten gesparrt werden soll... :baeh: :pillepalle:

    "Alles was man wirklich will
    kann einem auch gelingen",
    sagte sich das Krokodil
    und versuchte sich im singen.

  • Zitat

    Original von Waldorf
    Richtig. Aber, wie kommst du über die Hürde "das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt"?

    Aha, das geschützte Interesse sind die 10 überlebenden Kollegen, das beeinträchtigte die ums Leben gekommenen 5.

    Was ist denn, wenn die 10 Kollegen polnische Schwarzarbeiter waren und die 5 Kollegen waren der Direktor mit Assistenten und 3 Vertretern eines potentiellen Großauftraggebers?

  • @ Waldorf: Zu dem KZ-Beispiel, kein Freispruch.

    1. Der Arzt hat einen Eid geleistet, nur im Interesse der Gesundheit der Menschen zu handeln, zumindest in Ausübung seiner Tätigkeit.
    Dagegen hat er verstoßen.

    2. Die Notstandsreglung wäre in dem Beispiel meiner Meinung gegeben, wenn er auf die Tötung der Insassen verzichtet, im Gegenzug aber seinen Nachfolger getötet hätte. Dann wäre er m.E. nicht strafbar, da er viele andere Leben rettete.

    3. Wenn ich Micha mal treffe, werden wir ja sehen, wer wem auf's Maul gibt ;)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Phunky
    1. Der Arzt hat einen Eid geleistet, nur im Interesse der Gesundheit der Menschen zu handeln, zumindest in Ausübung seiner Tätigkeit.
    Dagegen hat er verstoßen.

    Vollkommen uninteressant fürs Srafrecht. Der Eid ist ein standesrechtlicher Eid und hat strafrechtlich keinerlei Bedeutung.

    Und wenn im KZ-Fall kein Freispruch, warum dann im Bagger-Fall Freispruch?

    Beides mal hat der Arzt zwei Handlungsmöglichkeiten, die eine führt zum Tot im Vergleich zur anderen Alternative weniger Menschen, die andere zum Tot im Vergleich zur anderen Alternative vieler Menschen.

    Wie gesagt ... konstruierte Fälle, die NUR diese beide Alternativen kennen, andere Handlungsmöglichkeiten sind (in diesen theoretischen Denkmodell) nicht möglich.

    Jörg

  • Zitat

    Original von Jörg aus Basche
    ...
    Und wenn im KZ-Fall kein Freispruch, warum dann im Bagger-Fall Freispruch?

    Beides mal hat der Arzt zwei Handlungsmöglichkeiten, die eine führt zum Tot im Vergleich zur anderen Alternative weniger Menschen, die andere zum Tot im Vergleich zur anderen Alternative vieler Menschen.
    ...
    Jörg

    Ich bin kein Jurist, wie man hier sicher merkt. Meine eigentliche Begründung für den Arzt, steht aber unter Punkt 2.

    EDIT: EIn weiterer Unterschied zwischen den Fällen wäre m.E. noch, dass der Baggerfahrer niemanden absichtlich getötet hat. Der Arzt tat das aber sehr wohl.

    Einmal editiert, zuletzt von Phunky (2. Juli 2004 um 13:57)