Handball-Bundesliga: SCM-Pokerspiel mit Friedrich und Gentzel
Torsten Friedrich hatte in jüngster Vergangenheit mehrfach Grund, sich so ausgelassen zu freuen. Der Torhüter erwies sich als große Verstärkung für den Champions-League-Sieger SC Magdeburg. Foto: A. Ruland
Magdeburg - Einen Schritt auf dem Weg zur Klärung der Frage, wer in der Saison 2003/2004 das Tor des SC Magdeburg hüten wird, unternahm der Handball-Bundesligist gestern. Torsten Friedrich, dessen Vertrag bis zum 30. Juni 2003 datiert ist, erhielt ein neues Ein-Jahres-Angebot. Für Irritation sorgt jedoch, dass sich der Verein gleichzeitig weiterhin um den Schweden Peter Gentzel (HSG Nordhorn) bemüht. Denn auch der Franzose Christian Gaudin (bis 30. Juni 2004) steht noch auf der SCM-Gehaltsliste.
In Magdeburg herrscht weiter Irritation um Besetzung der Torwartposition
Mitten im Umzugsstress erfuhr der 31-jährige Torsten Friedrich gestern in Herdecke beim Verstauen seiner Möbel vom Angebot des SCM. "Einen Kommentar kann ich dazu nicht abgeben, da ich bislang keine Details kenne. Das Gespräch mit meinem Berater werde ich erst am späten Abend in Ruhe führen, wenn ich wieder in Magdeburg bin", erklärte der Torhüter am Nachmittag.
Äußerst verhalten reagierte sein Manager Frank Schoppe in Hille, der die Laufzeit Offerte zwar nicht bestätigen wollte, aber vielsagend meinte: "Richtig ist, dass ich gestern Mittag ein schriftliches Angebot für Torsten Friedrich per Fax aus der SCM-Geschäftsstelle erhalten habe. Zu den Modalitäten möchte ich nur so viel sagen: Es gibt noch erheblichen Gesprächsbedarf."
Das offenkundige Pokerspiel des SCM verwundert insofern, weil bekannt ist, dass ,Fichte' auf Grund konstant guter Leistungen, die auch Manager Bernd-Uwe Hildebrandt mehrfach öffentlich bestätigte, von Konkurrenten hofiert wird.
Sollte der zu Beginn der Saison von der SG Solingen gewechselte Friedrich aber den unterbreiteten Vorschlag akzeptieren oder einen eventuell nachgebesserten Vertrag unterzeichnen, würde aber auf der Torhüterposition noch keine Klarheit herrschen. Denn Trainer Alfred Gislason bestätigte gestern auf Nachfrage: "Peter Gentzel ist nicht nur für mich der stärkste Torhüter der Liga. Wir bemühen uns weiter um ihn. So viel ich weiß, ist noch alles möglich."
Gentzel-Spielerberater Jochen Bergener bestätigte gestern der Volksstimme, dass es "derzeit Gespräche mit dem SCM gibt. Peter wird sich vermutlich im Laufe der nächsten zwei Wochen entscheiden, wo er in der kommenden Saison im Tor steht."
Bergener, der auch den auf dem "Absprung" befindlichen SCM-Abwehrrecken Anthony Pistolesi (Volksstimme berichtete) unter seinen Fittichen hat, ergänzte: "Pistolesi wird nach Leon fliegen, um dort zu verhandeln. Sollte ein längerfristiges Angebot vorliegen, würde er wohl zum 15. Januar wechseln."
Sollte der Coup gelingen, den 34-jährigen Welt- und Europameister Gentzel aus Schweden aus seinem laufenden Kontrakt mit der HSG Nordhorn (bis 30. Juni 2006) herauszubekommen, hätte der SCM jedoch wieder das Luxus-Problem mit drei "letzten Instanzen". Bis vor kurzem hatte der Club mit Gaudin, Friedrich und dem Dänen Sune Agerschou, der nach sechs Monaten auf dem "Abstellgleis" kürzlich zu Skjern HB wechselte, erneut drei Keeper auf dem Lohnzettel. Gislason: "Wir gehen definitiv mit drei Torhütern in die nächste Saison. Die Nummer drei wird Martin Ziemer sein."
Und wer bildet die Rangliste davor? "Bislang sieht alles nach dem Duo Friedrich/Gaudin aus", sagte der SCM-Coach. Wie schwer es wird, diese Reihenfolge zu ändern, dokumentiert, dass der 1,99-Meter-Hüne Gentzel zu Saisonbeginn sogar eine 20-prozentige Gehaltsreduzierung seines wirtschaftlich angeschlagenen Arbeitgebers akzeptierte.
Gut informierte Kreise behaupten, dass der Schwede (geschätztes Netto-Jahreseinkommen 160000 Euro) darauf nicht hätte eingehen müssen, weil er eine Klausel in seinen Vertrag (Sonderkündigungsrecht im Fall von Zahlungsschwierigkeiten des Vereins) hat aufnehmen lassen.
Doch Gedankenspiele hat der Isländer Gislason trotzdem bereits durchexerziert, falls der Schwede (173 Länderspiele), der gestern in seiner Heimat ins WM-Vorbereitungstrainingsquartier nach Jönköping reiste, kommen sollte: "Da ,Fichte' zuletzt stabil gut gehalten hat, würden wir mit ,Kiki' reden, um eine Lösung zu finden."
Der zweifache Weltmeister aus Frankreich hielt sich in dieser Personaldebatte bislang zurück, meinte jedoch bereits vor einigen Wochen. "Wenn permanent hinter dem Rücken mit anderen Torhütern gesprochen wird, was wir als Insider natürlich mitbekommen, dann stärkt das nicht unbedingt die eigene Psyche. In letzter Zeit wird ja alle paar Tage ein neuer Name genannt", brandmarkt der 35jährige Keeper die nicht unumstrittene SCM-Personalpolitik.
An negative Auswirkungen auf Grund eines eventuell jetzt einsetzenden mangelnden Vertrauensverhältnisses zwischen Torhütern und Verein glaubt Gislason für die nächsten entscheidenden Monate nicht: "Wir sind alle Vollprofis, 100 Prozent erfolgssüchtig. Für Animositäten ist kein Platz in diesem Geschäft. Und das weiß jeder."
Von Mathias Fischer
VST vom 09.01.