Strittige Entscheidung Sekunden vor Spielende

  • Hi Leute!

    Ich bitte ganz unvoreingenommen um Eure Interpretation und Eure Entscheidung für die folgende Spielsituation:

    Torerfolg zum Ausgleich per 7m 11 Sekunden vor Spielende. Schneller Abwurf, der anwerfende Spieler passt zum Nebenmann, übersieht aber, dass genau vor diesem ein gegnerischer Spieler steht (regelrecht mehr als drei Meter vom Anwurfpunkt entfernt). Dieser klammert den nun ballführenden Spieler an der Mittellinie und zieht ihn zu Boden. Ein Passen des Balles ist nicht möglich, hinter dem attakierenden Spieler stehen noch drei weitere Abwehrspieler, es wäre definitiv keine Torchance. Eure Wurfentscheidung und ggfs. persönliche Strafe für diese Situation?

    Besten Dank...

    Maetze

  • Hallo,

    nach deiner Beschreibung ist der Anwurf regelgerecht ausgeführt worden. Wenn das so ist: Hinausstellung für den Abwehrspieler und Freiwurf.

    Gruß

    Wenn man schon 2 Hinausstellungen hatte und dann so rangeht, kann man nur wichtige Termine haben. (frei nach Johannes B. Kerner)

    Der Schiedsrichter gilt in seiner Wahrnehmungsfähigkeit als unfehlbar... (DHB-Bundesgericht) :D

  • Dieser klammert den nun ballführenden Spieler an der Mittellinie und zieht ihn zu Boden


    Wenn die Schiedsrichter das genauso sahen, dürfte es wohl Rote Karte mit Bericht gegeben haben.
    Außerdem Freiwurf - wegen der 3 weiteren Verteidiger

    Vielleicht haben die Schiedsrichter aber auch nur eine "ganz normale Abwehrhandlung" gesehen, in deren Folge beide Spieler zu Boden gingen.
    Dann kann es von garnichts bis 2-Minuten-Strafe alles sein, Rote Karte dann jedoch nicht mehr.
    Auch hier gäbe es nur Freiwurf

    Meine Meinung...

    Irgendwann ist auch mal Schluss!!!

  • Ich teile hier die Entscheidung von DON zu 100%. siehe Anmerkungen und die beziehen sich sogar auf eine DQ nach 8.5. Im genannten Fall sind es m. E. nur 2 Min. fuer den Abwehrspieler.

    a)Definition einer „klaren Torgelegenheit“ (14:1)

    ein Spieler, der Ball- und Körperkontrolle hat, bei einem Gegenstoß alleine auf den Torwart zuläuft (oder -dribbelt), ohne dass ein Gegenspieler in der Lage wäre, vor ihn zu kommen und den Gegenstoß zu stoppen.


    b)Disqualifikation in der letzten Spielminute (Regel 8:10d)


    Bei Disqualifikation gemäß Regel 8:5 in der letzten Spielminute führen nur diejenigen Vergehen zu einer Disqualifikation mit Bericht (gemäß 8:10d), die der Regel 8:6 Kommentar entsprechen (Vergehen mit dem Ziel, ein Tor zu verhindern). Eine Disqualifikation des Torwarts nach Regel 8:5 Kommentar (Verlassen des Torraums) führt normalerweise nicht zu einer Disqualifikation mit Bericht. Dies ist in der letzten Spielminute nur dann der Fall, wenn es sich um ein Vergehen nach Regel 8:5 a-c handelt.

    Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann. (Cicero)

  • Danke Euch schon mal. Der Grundtenor ist: Freiwurf und je nach Sichtweise (ihr ward ja schließlich nicht dabei) entweder 2 Minuten oder DQ mit Bericht.

    Jetzt mal die Entscheidung und die Begründung des Schiedsrichters.

    1. 2 Minuten Zeitstrafe. Ich persönlich hätte DQ mit Bericht gegeben, da die Aktion astrein an einen Hüftwurf im griechisch/römischen Stil erinnerte. Schon in den 58 Minuten zuvor hätte ich dafür glatt Rot gegeben.

    2. 7m. Begründung des Schiedsrichters: es hätte (!) zu einer Torchance kommen können. Rein spekulativ, Freiwurf wäre aus meiner Sicht in Ordnung gewesen.

    Meines Wissens gibt es keine Regel, die beschreibt, dass man in der letzten Minute bei besonders schlimmen Vergehen einen 7m pfeifen soll, auch wenn keine echte Torchance vorlag. Oder gibt es hier eine Regel, die man entsprechend interpretieren kann?

    Nochmals besten Dank!

    Maetze

  • Hier meine Einschätzung und Vertiefung:

    1. Die 7-m-Entscheidung ist nicht durch die Regeln gedeckt, denn es gab keine klare Torgelegenheit (Voraussetzung gem. § 14:1 IHR).

    2. Zum Thema rote Karte nach §§ 8:10c oder 8:10d IHR empfehle ich das Prüfschema:

    • Zeigt die Spielzeituhr min. 59:00 an? -> ja
    • Erfolgte das Vergehen in der letzten Spielminute? -> ja
    • Ist die Spielzeit nicht unterbrochen? -> ja
    • Ist das Schlusssignal noch nicht erfolgt? -> ja
    • War der Ball zum Zeitpunkt des Vergehens im Spiel? -> ja (somit ist ggf. § 8:10d IHR anwendbar, bei nein ggf. § 8:10c IHR)
    • Liegt ein Vergehen gegen die angreifende Mannschaft vor? ->
    • Handelt es sich um ein Vergehen im Sinne von §§ 8:5 oder 8:6 IHR? -> nein => § 8:10d IHR ist nicht anwendbar


    Meine Begründung, dass es kein Vergehen gem. §§ 8:5 oder 8:6 IHR ist, sofern wir hier nicht von einem Kampfsport-Wurf ausgehen:
    Kriterien gem. § 8:3 IHR:

    • Position: Der Abwehrspieler klammert von vorne.
    • Körperteil: Er umklammert den Körper seines Gegenspielers.
    • Intensität: Umklammern und zu Boden ziehen, Gegenspieler stand zuvor
    • Auswirkung: Der Angreifer wird zu Boden gerissen (ohne Verletzungsfolge) und kann somit den Ball nicht mehr weiterspielen.

    Ergänzende Kriterien gem. §§ 8:5 bzw. 8:6 IHR (Gesundheitsgefährdung):

    • Verlust der Körperkontrolle im Lauf / Sprung: nein
    • Besonders aggressive Aktion gegen Wurfarm / Schulter: nein
    • Rücksichtsloses Verhalten: nein
    • Besonders rücksichtslos / gefährlich: nein
    • Vorsätzlich: nein, da keine Zielorientierung zu Verletzung, sondern taktisches Mittel
    • Arglistig: nein, da frontal
    • Ohne Bezug zur Spielhandlung: nein


    In der Folge ist eine Hinausstellung gem. § 8:4 (Beispiel b) IHR die angemessene Strafe.

    Völlig anders sieht die Welt jedoch aus, wenn der Abwehrspieler den Angreifer mit einem Griff zu Boden wirft (vgl. einige Rugby-Tackles mit 180°-Drehung... ;) )

    Wenn man schon 2 Hinausstellungen hatte und dann so rangeht, kann man nur wichtige Termine haben. (frei nach Johannes B. Kerner)

    Der Schiedsrichter gilt in seiner Wahrnehmungsfähigkeit als unfehlbar... (DHB-Bundesgericht) :D

  • ganz ganz großartige analyse don!!!!!

    Auf dem Papier lässt sich alles sauber analysieren. Wenn ich das nur immer auch im Spiel zu hinkriegen würde... :) Aber danke!

    Wenn man schon 2 Hinausstellungen hatte und dann so rangeht, kann man nur wichtige Termine haben. (frei nach Johannes B. Kerner)

    Der Schiedsrichter gilt in seiner Wahrnehmungsfähigkeit als unfehlbar... (DHB-Bundesgericht) :D

  • :bigok: :bier:

    Trotzdem gut gemacht DON auch von mir

    Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann. (Cicero)

  • warum stellst du eine Frage, wenn du sie doch selbst so gut beantworten kannst?

    Ich denke, in einer solchen Situation muss die gesamte Spielsituation gesehen werden und nicht nur die beidem am Foul beteiligten Spieler. Gerade bei der schnellen Mitte kann der angreifende Spieler den Ball einem frei durchgelaufenen Spieler direkt zuspielen. Das Festhalten wäre für mich das Unterbinden einer 100%-igen Torchance.

    Der abwehrende Spieler hat es wohl genauso gesehen. Warum klammert er sonst und zieht den Spieler runter?

    Die von dir gestellte Frage ist also garnicht zu beantworten, wenn man nicht die gesamte Spielsituation kennt.

    Grüße aussm Pott

  • warum stellst du eine Frage, wenn du sie doch selbst so gut beantworten kannst?

    Rhethorische Fragen als stilistisches Mittel sind dir ein Begriff?

    Zitat

    Ich denke, in einer solchen Situation muss die gesamte
    Spielsituation gesehen werden und nicht nur die beidem am Foul
    beteiligten Spieler. Gerade bei der schnellen Mitte kann der angreifende
    Spieler den Ball einem frei durchgelaufenen Spieler direkt zuspielen.
    Das Festhalten wäre für mich das Unterbinden einer 100%-igen Torchance.

    Genau für welchen Zusammenhang ist die gesamte Spielsituation wichtig?
    Wir haben hier 2 Fragen: a) Bestrafung b) Spielfortsetzung. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun und muss ganz klar unabhängig von einander behandelt werden.

    Bei einem Foul geht es erstmal nur um das Foul. Wenn das Foul keines nach 8:5 oder 8:6 ist, dann darf niemals auf DQ entschieden werden. Wenn ich bei 59:59 den Frei vor dem Tor im Ballbesitz befindlichen Spieler einfach nur von der Seite umklammere und ihn weder umreiße noch sonst irgendwas dann kann das selbst wenn es das Finale der WM ist und es unentschieden steht niemals ne DQ sein, auch wenn es eine 1000 prozentige Torchance ist.

    Zum Thema Spielfortsetzung. Lies dir mal die Erläuterungen zum Thema klare Torgelegenheit durch. Wenn du das gemacht hast und dir die Beschreibung im Ausgangspost durchliest kannst du nur zu dem Ergebnis kommen, dass wenn es so war, es keine klare TG sein kann. Eine Chance in eine Torwurfsituation zu kommen vielleicht, aber das ist völlig unerheblich da diese Regelung sich nur auf die Bestrafung bezieht nicht aber auf die Spielfortsetzung.

    Zitat

    Der abwehrende Spieler hat es wohl genauso gesehen. Warum klammert er sonst und zieht den Spieler runter?

    Die Gründe warum ein Spieler etwas macht sind für die Beurteilung einer solchen Szene völlig unerheblich. Wenn wir damit anfagen zu phantasieren was wohl der Spieler denkt während er eine Aktion macht und warum er das macht sind wir von einer einheitlichen Linie so weit entfernt wie die Erde vom Mond.

    Zitat

    Die von dir gestellte Frage ist also garnicht zu beantworten, wenn man nicht die gesamte Spielsituation kennt.

    Wie gehen ganz klar von der Gesamtsituation so wie im Ausgangspost beschrieben aus. Es sind also allemal alle Fragen beantwortbar.

  • Warum stellst du eine Frage, wenn du sie doch selbst so gut beantworten kannst?

    Ich bin verwirrt - wen meinst du jetzt?! Und vor allem welche Frage? ?(

    Wenn man schon 2 Hinausstellungen hatte und dann so rangeht, kann man nur wichtige Termine haben. (frei nach Johannes B. Kerner)

    Der Schiedsrichter gilt in seiner Wahrnehmungsfähigkeit als unfehlbar... (DHB-Bundesgericht) :D