Gesichtstreffer beim Torhüter - sofort abpfeifen?

  • Hallo zusammen,

    bin gerade bei Youtube auf folgende Szene gestoßen:

    Gesichtstreffer

    Jetzt mal angenommen, das wäre ein Erwachsenenspiel und der Torwart würde so getroffen werden, dass er sich das Gesicht hält, oder sogar zu Boden fällt und gar nicht mehr auf den Ball achten kann:

    Würdet ihr die paar Sekunden die zweite Torchance trotzdem abwarten oder sofort abpfeifen?
    Und wenn ihr abpfeift, welche Spielfortsetzung?

    Dass es keine Strafe gibt, ist klar.

    Ich wär mir da in der Situation total unsicher und hätte, glaub ich, egal wie ich es mache,
    ein schlechtes Gefühl.

    Viele Grüße,
    Michael

    Einmal editiert, zuletzt von Rheinland-SR (31. August 2011 um 06:51)

  • Weiterspielen lassen, da ich sonst einen klaren Vorteil wegpfeife.

    Kleine Hilfestellung:
    Erläuterungen --> Erläuterung 2 insbesondere Punkt b) (S.71 im aktuellen Regelwerk)

    Zitat

    Einige typische Situationen, bei denen ein Time-out nicht verbindlich ist, aber unter normalen Umständen dennoch gewährt wird, sind:
    ...
    b) ein Spieler scheint verletzt.

    Hängt aber letztendlich davon ab, wie ich die Situation einstufe. Ob wirklich was passiert sein könnte oder nicht. Und das ohne eine entsprechende Szene zu sagen ist schwer. Hier würde ich aufjedenfall auch weiterspielen lassen.

  • Wenn der TW durch den Kopftreffer erkennbar handlungsunfähig ist (was ja zumeist der Fall ist) gibt es nur eine Lösung: Abpfeifen und Spielfortsetzung mit Abwurf.

    KiyO
    Einen klaren Vorteil gibt es im Handball nicht, höchstens eine klare Torgelegenheit. Eine klare Torgelegenheit gegen einen handlungsunfähigen TW wäre allerdings kein Handball im Sinne des Sports mehr. Deshalb soll in solchen Situationen abgepfiffen werden.

  • Hierzu gibt es sogar eine IHF-Regelfrage:

    Optimalerweise abwarten bis jemand in Ballbesitz kommmt und dann sofort Time-Out geben. Dann geht es mit Freiwurf für die ballbesitzende Mannschaft weiter. Wenn du abpfeifst wenn der Ball noch über dem Torraum ist gehts es mit Abwurf weiter.

    Man muss aus Fehlern anderer lernen, denn man lebt nicht lange genug um alle selber zu machen.

  • Wahrscheinlich war die Formulierung "klarer Vorteil" ein wenig verwirrend. Klarer Vorteil mit der Bedeutung eindeutig! Und den gibt es sehr wohl.
    Hättest du aber richtig gelesen, hättest du auch erkannt, dass ich nicht davon ausgehe, dass der torwart k.o. gegangen ist. Und solange dies nicht der Fall ist, muss ich als SR den Spielfluss nicht unterbrechen... Dass in Situationen in denen er handlungsunfähig ist abgepfiffen werden soll ist mir auch klar... Das habe ich auch nie in Frage gestellt.

    Zitat

    Hängt aber letztendlich davon ab, wie ich die Situation einstufe.

  • Dass in Situationen in denen er handlungsunfähig ist abgepfiffen werden soll ist mir auch klar.

    Dann müssen diese Situationen mal definiert werden. Der TW muss nicht K.O. gehen (= auf dem Boden liegen). Durch einen Gesichtstreffer ist er i.d.R. benommen, zumindest kurzzeitig. Eine sportliche Gegenwehr kann er da nicht mehr bieten. Das ist nicht mehr im Sinne des Sports, selbst wenn dadurch evtl. eine "klare Torgelegenheit" abgepfiffen werden würde.

    Celian hat es doch richtig geschrieben: Wenn Ball noch über dem Torraum T-O und Freiwurf TW, wenn ein anderer Spieler an den Ball kommt T-O und Freiwurf für den Spieler.

  • Weiterspielen lassen, da ich sonst einen klaren Vorteil wegpfeife.


    Du bewertest den klaren Vorteil der angreifenden Mannschaft als wichtiger als den klaren Nachteil der Abwehrenden Mannschaft, und davon kann man meiner Meinaung nach bei einem Kopftreffer im Erwachsenenhandball ausgehen, obwohl die angreifende Mannschaft den klaren Nachteil verursacht hat. Interessante Auslegung.

  • Entscheidend ist meiner Meinung nach nur, ob der Torwart sich in "voller Körperkontrolle" befindet (Begriff wird eher bei Angreifern verwendet, aber ich denke ihr wisst was ich meine). In dem geposteten Video ist dies nicht der Fall und in meinen Augen hat der Schiedsrichter zumindest mit dem T-O völlig richtig gehandelt.

    Interessanter wäre jetzt die Spielfortsetzung, da die Aktion, zeitgleich zum Pfiff des SR sicherlich 7-Meter verdächtig ist.

    Man muss aus Fehlern anderer lernen, denn man lebt nicht lange genug um alle selber zu machen.


  • Du bewertest den klaren Vorteil der angreifenden Mannschaft als wichtiger als den klaren Nachteil der Abwehrenden Mannschaft, und davon kann man meiner Meinaung nach bei einem Kopftreffer im Erwachsenenhandball ausgehen, obwohl die angreifende Mannschaft den klaren Nachteil verursacht hat. Interessante Auslegung.


    Aha, einen Nachteil im Sinne der Regel verursacht? Wieso gibt es dann keinen Strafe oder einen Freiwurf? Dazu müsste es eine Regelwidrigkeit oder Unsportlichkeit sein. Solange das aber nicht gegeben ist, ist es kein Nachteil in dem Sinn. 8o
    Dass die Mannschaft dadurch einen Nachteil hat bestreite ich nicht. Aber ein Kopftreffer beim Torhüter aus dem laufenden Spiel heraus hat keine Konsequenzen. Immernoch so eine äußerst interessante Auslegung?

    Und nochmal, wenn er wirklich verletzt ist, also am Boden liegt, dann unterbreche ich natürlich das Spiel. Steht er aber noch und kann agieren, dann gehört das für mich zum Spiel nunmal dazu. Du pfeifst ja auch kein Time-Out nur weil ihm der Arm weh tut, nachdem er einen Ball gehalten hat, oder?

  • Zitat

    Steht er aber noch und kann agieren, dann gehört das für mich zum Spiel nunmal dazu.

    Ja dann ist er ja handlungsfähig und kann weiterspielen. Aber es gibt i.d.R. Situationen, wo der TW nach einem Kopftreffer benommen taumelt. Auch da ist er nicht handlungsfähig, also im Sinne des Sports T-O!

  • Das ist richtig.
    Ohne jetzt den genauen Wortlaut der Regeln zu kennen. Es gibt in den Erläuterungen eine klare Definition was eine klare Torgelegenheit ist und wie Unterbrechungen behandelt werden. Die Aktion wie von dir beschrieben ist da nirgends erwähnt und man kann das auch aus den Regeln ableiten wann und wieso 7m ist und wann nicht und demnach kann es da nicht 7m geben.
    BTW: Du kannst als SR eine klare Torgelegenheit regeltechnisch gar nicht verhindern, vernichten schon gar nicht.

    So! Nachgelesen:

    14:1
    Auf 7-m-Wurf wird entschieden bei:
    a) regelwidrigem Vereiteln einer klaren Torgelegenheit
    auf der gesamten Spielfläche durch einen Spieler oder
    Mannschaftsoffiziellen der gegnerischen Mannschaft;
    b) unberechtigtem Pfiff während einer klaren Torgelegenheit;
    c) Vereiteln einer klaren Torgelegenheit durch das Eingreifen einer
    nicht am Spiel beteiligten Person, z.B. durch das Betreten der
    Spielfläche durch einen Zuschauer oder einen Pfiff aus dem
    Zuschauerbereich, der den Spieler stoppt (Ausnahme: siehe den
    Kommentar zu Regel 9:1 ).
    Bei „höherer Gewalt“ wie Stromausfall ist diese Regel analog
    anzuwenden, wenn das Spiel im Moment einer klaren Torgelegenheit
    unterbrochen wird.

    Ein SR kann per se schon mal keinen unberechtigten Pfiff abgeben, dann kann nur das KG und ist in Erläuertung 6 beschrieben.
    Selbst wenn ein SR einen unberechtigten Pfiff abgeben KÖNNTE würde auch dies hier nicht greifen, da ein Spieler ja offensichtlich verletzt ist und dies mit Erläuterung 2 abgedeckt ist.

    Einmal editiert, zuletzt von SteamboatWillie (1. September 2011 um 09:19)

  • Gut, danke. Also entweder weiterspielen oder sofort abpfeifen und nur Freiwurf.
    Das macht es hier noch schwieriger, eine ganz klare Torchance (eigentlich Wurf auf's leere Tor) abzupfeifen,
    wenn die Chance dann noch nicht mal wieder hergestellt wird.
    Wo ist denn die Grenze? Wenn der Ball vom Torwart direkt in die Arme des Angreifers zurückfliegt, und der, ohne zu laufen,
    nur ins leere Tor werfen müsste, würdet ihr da auch vorher abpfeifen, wenn der Torwart spielunfähig ist?

  • Erklär mir doch mal einer den Unterschied!

    Ein Angreifer, der nach seiner erfolglöosen Wurfaktion verletzt im Torraum liegenbleibt muss solange liegen bleiben, bis ein vom Torwart schnell eingeleiteter Überlaufangriff abgeschlossen ist.Ins Spiel eingreifen kann er auch nicht mehr.

    Ich tendiere in der gezeigten Szene zum fertigspielen, wobei ich schon vor dem Wurf 5 Schritte zähle und da schon längst abgepfiffen hätte. Und bei der Unterbrechung käme dann für die letzte Aktion, das Abräumen des Angreifers beim Torwurf auch noch Rot mit Bericht dazu.

    Gruß
    Frank

  • Ihr vergesst bei eurer Diskussion über das mögliche Abpfeifen einer klaren Torgelegenheit den Aspekt der Entstehung dieser.

    Der vorangegangene Kopftreffer des TW wurde von der angreifenden Mannschaft verursacht. Das mag (und wird in der Regel) unabsichtlich gewesen sein oder unglücklich wenn der TW sich bewegt hat etc. Trotzdem hat der/ein Angreifer den TW "abgeschossen" und damit erst die nachfolgende Aktion (sprich den Wurf auf das leere Tor) möglich gemacht. Insgesamt sicher eine unglückliche Aktion.

    Der Vergleich mit dem verletzt liegenbleibenden Angreifer ist eine andere Sache. Hier geht es um das direkte Duell, welches durch den Kopftreffer des TW sehr einseitig wird. Eine reelle Abwehrchance hat der TW in solch einer Situation nicht.

    Für mich als Angreifer hätte dieses Tor eine ziemlich faden Beigeschmack. Wenn, dann möchte ich im sportlichen Duell gewinnen, nicht weil ich gegen einen nichthandlungsfähigen TW ein Tor erzielt habe. Das ist keine große Kunst, das ist kein Sport. Im übrigen könnte eure Argumentation die ganze Situation perfide Ausmaße annehmen, nämlich das absichtliche Abwerfen des TW. Diese Absicht wird kein SR einem Werfer je unterstellen können.

    Als SR habe ich kein Problem, in einer solchen Situation abzupfeifen. Entweder beim nächsten Ballbesitz eines SPielers oder, wenn der nicht absehbar ist, sofort und mit Fortsetzung Freiwurf TW.

  • Bin zwar kein SR (mehr) - aber ich bin der Meinung, dass die Gesundheit eines Spielers immer die oberste Priorität haben muss. Ist ein TW angeschossen, wie z.B. in diesem Fall, kann er auf einen Nachwurf nicht mehr reagieren u. ist somit bei einem weiteren Körpertreffer (direkt oder Abpraller vom Pfosten) schutzlos und unvorbereitet ausgesetzt (erhöhte Verletzungsgefahr). Von daher muss das Spiel in dieser Situation abgebrochen werden, ein Nachschuss darf nicht erfolgen.

    Gruss

  • @ frank1706
    Wenn wir jetzt mal die regeltechnische Seite außer Acht lassen, ist es doch eigentlich nur wichtig, dass die SR auf gleiche Situationen während eines Spiels auch gleich reagieren. Wenn die SR auch bei verletzten Feldspielern konsequent abpfeifen, habe ich damit kein Problem. Auch wenn Spieler dies mit Schauspielerei auszunutzen versuchen, haben doch beide Mannschaften diese Möglichkeit, besteht also Chancengleichheit. Natürlich ist die Schauspielerei nicht die beste Lösung für den Handball.
    Schwierig wird es erst, wenn bei der einen Verletzung abgepfiffen wird und bei der anderen nicht. Und ich persönlich könnte nie einem SR einen Vorwurf machen, der bei einer offensichtlich erkennbaren Verletzung abpfeift, einfach weil der SR in der Regel ja garnicht abschätzen kann, wie schwer die Verletzung wirklich ist. Gesundheit geht eben vor.

  • Sehe es wie Zockerkönig: Entscheidend ist für mich die Gesundheit des Spielers, dabei kann es u. U. um Sekunden gehen. Wer meint, mir da einen Vorwurf zu machen, wenn ich sofort unterbreche, solle sich mal Gedanken machen, wie es wäre, wenn der eigene Torwart betroffen ist.

  • Hallo vielleicht hilft hier etwas die Regelecke des DHB


    Spielfortsetzung nach TW-Kopf- oder Körpertreffer

    a) Ein Gegenstoß von Mannschaft A: Spieler A5 läuft mit Ball allein in Richtung Tor von B. Abwehrspieler B2 versucht ihn einzuholen, schafft dies aber nicht mehr. A5 wirft nun freistehend auf das Tor von B und trifft den springenden TW B12 mit dem Ball erkennbar ins Gesicht. B12 fällt zu Boden und bleibt regungslos liegen .Der von seinem Kopf abprallende Ball fliegt in die Hände des mitgelaufenen Spielers A7. Er hat nun B2 vor sich und spielt den Ball zum inzwischen wieder im Spielfeld befindlichen A5, der über den am Boden liegenden TW B12 den Ball ins leere Tor wirft. Der TSR entscheidet auf "Tor".

    b) Ein Gegenstoß von Mannschaft A: Spieler A5 läuft mit Ball allein in Richtung Tor von B. Abwehrspieler B2 versucht ihn einzuholen, schafft dies aber nicht mehr. A5 wirft nun freistehend auf das Tor von B und trifft den springenden TW B12 mit dem Ball erkennbar ins Gesicht. B12 fällt zu Boden und bleibt regungslos liegen. Der von seinem Kopf abprallende Ball fliegt in die Hände des mitgelaufenen und am Torraum wartenden Spielers A7, der über den am Boden liegenden TW B12 ins leere Tor werfen könnte. Kurz vor dem Wurf kommt der sofortige SR-Pfiff zur Unterbrechung des Spiels aufgrund der Folgen des Kopftreffers.

    c) Der Rechtsaußen A7 springt mit Ball zum Torwurf ab. Er trifft den Torwart so ins Gesicht, dass er deutlich sichtbar "k.o." geht. Der Ball prallt von dessen Kopf in die Luft (über dem Torraum) ab. In diesem Moment pfeift der TSR das Spiel ab. Der Ball fällt unmittelbar danach auf den taumelnden Torwart und gelangt von dort ins Tor. Nach Verletzungspause haben die SR das Spiel mit FW für A7 wieder aufgenommen.

    d) vgl. abc: Der Ball liegt oder rollt beim Pfiff des SR nach dem Kopf-/Körpertreffer noch im Torraum.



    Lösung:

    Der TW hätte keine Chance eine Abwehraktion durchzuführen, was dem Spielgedanken und dem Gesundheitsbewusstsein entgegen steht. Der Vorteil könnte nur dann gewährt werden, wenn der zeitliche Unterschied zwischen vermuteter Verletzung und nachfolgendem Torwurf so klein war, dass eine Unterbrechung durch die SR nicht mehr möglich gewesen wäre.

    a) In diesem Fall haben die SR falsch entschieden, denn die Gesundheit eines Spielers hat Vorrang, weshalb nicht auf Vorteil, schon gar nicht so lange, entschieden werden durfte. Die SR hätten das Spiel unterbrechen müssen, sobald ein Spieler (egal von welcher Mannschaft) in Ballbesitz gekommen wäre. Da es sich allerdings in diesem Fall um eine Tatsachenfeststellung der SR handelt, kann daraus kein Einspruchsgrund abgeleitet werden.

    b) Hier muss auf Freiwurf für den Ballbesitzer (A7) entschieden werden, da die SR vor dem Wurf das Spiel unterbrochen haben. Es kann nicht auf 7-m-Wurf für A7 entschieden werden. Es handelt sich auch nicht um einen "unberechtigten Abpfiff", da ja die SR von sich aus entschieden haben.

    c) Der Pfiff zur Spielunterbrechung ist vielleicht ein wenig zu früh gekommen (Tatsachenfeststellung gemäß Regel), denn die ein oder zwei Sekunden zu warten, wäre vertretbar gewesen. Hier müsste auf FW mit Anpfiff entschieden werden für die Mannschaft, die zuletzt in Ballbesitz war, also die Mannschaft des Werfers. Auf 7-m darf schon gar nicht entschieden werden, da dies kein "unberechtigter Pfiff" war, denn einer der Schiedsrichter hat entschieden!

    d) Das Spiel geht mit Abwurf für den TW weiter.

    Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann. (Cicero)