Sinkende Manndeckung

  • Im Heft 4 / 2011 der "handballtraining" wird von einigen Experten Anregungen zur Weiterentwicklung der Wettspielstruktur gegeben. Nun ist es immer problematisch, wenn gutmeinende Pädagogen in allerbester Absicht Ideen kreieren, die sich nacher in der Praxis nicht umsetzen lassen. So lehnen beispielsweise meine guten Spieler die 2x3+3-Spielerei ab, weil sie dort in der Abwehr nicht gut aussehen können. Nun wird u.a. vorgeschlagen, in der D-Jugend eine sinkende Manndeckung zu praktizieren. Ich habe das mal ausprobiert, aber feststellen müssen, dass die Spieler überfordert sind. Sie beobachten einmal ihren direkten Gegenspieler, sollen aber auch zum Ball schauen und entsprechend ihre Position nach hinten korrigieren. Die Abwehrspieler entfernen sich dann zu weit vom zu Deckenden, werden abgelenkt und sehr leicht überlaufen. :mad: :pillepalle: :wall: :/:
    Meine Frage nun: Hat (ausser Klaus Feldmann) das noch jemand schon mal ausprobiert ??

  • Zitat

    Hat (ausser Klaus Feldmann) das noch jemand schon mal ausprobiert ?

    Ja, habe ich schon ausprobiert.Funktioniert. Daher teile ich deine Kritik nicht

    Meiner Meinung nach muss man da methodisch über Spieleranzahl bzw. Raum
    eine kontinuierliche Steigerung erzielen.


    Zitat

    Die Abwehrspieler entfernen sich dann zu weit vom zu Deckenden, werden abgelenkt und sehr leicht überlaufen. :mad: :pillepalle: :wall: :/:

    Beschreibe mal die Situation bitte genauer? Was meinst du mit zu weit, abgelenkt und überlaufen?

  • Kurz vorab: Ich habe die sinkende Manndeckung noch nie spielen lassen und praktiziere den "harten Umbruch" von Manndeckung zur Raumdeckung.


    Zitat

    Nun wird u.a. vorgeschlagen, in der D-Jugend eine sinkende Manndeckung zu praktizieren. Ich habe das mal ausprobiert, aber feststellen müssen, dass die Spieler überfordert sind.


    Vor neun Jahren habe ich eine weibliche E-Jugend übernommen, die ausschließlich aus Minis (Altjahrgang F-Jugend) bestand. Es hat zweiundzwanzig Monate gedauert, bis die offene Manndeckung über das gesamte Feld funktioniert hat. Waren die Mädchen mit der Deckungsweise "überfordert"? Klar. Aber wir haben weiter daran gearbeitet und rund fünf Jahre nach meinem Einstieg mussten wir in der Bezirksmeisterschaft wD in einem Turnier im entscheidenden Spiel auf die Manndeckung zurückgreifen, um eine nötige Tordifferenz zu erarbeiten und haben auch das geschafft. Also Geduld! ;)

    Ich selbst empfinde es als wesentlich dankbarer, den 9m Kreis als Orientierungspunkt beim Umbruch Richtung Raumdeckung auszugeben als die "Balllinie". Den radikalen Schnitt führe ich mit Parteiballvarianten ein, bei dem es ein räumliches Ziel gibt, um zu punkten (also kein bloßes Passspiel). Zunächst wird Manndeckung gespielt, dann folgt die Regeländerung "keine Pässe nach vorne" (Raumgewinn mit drei Schritten oder mit prellen). Die Abwehr soll sich als Kette formieren und jede Spielerin von außen abzählen, wen sie deckt. Raustreten, zurücksinken, aushelfen - die Feinheiten müssen intensiv im Spiel angesagt / korrigiert werden. Mit Spielfeldbreite / Spielerzahl kann ich den Lerneffekt steuern. Irgendwann dominiert dann hoffentlich die Abwehr den Angriff, dann muss ich den Angriff coachen und mit den Mädels die Schwachstellen der Abwehr erarbeiten und diese dann gezielt nutzen. Hierbei habe ich den Vorteil, dass aufgrund der Angreiferregel "Pässe nur zur Seite oder nach hinten" und des Problems "Raumgewinn" gleichzeitig Raumdeckung und sinkende Manndeckung eingeführt werden kann. Dass es keine Einläufer gibt, lässt sich verkraften.

    "Perfektes Spiel für unruhige Zeiten: Schach und die große Sehnsucht nach Entschleunigung"

    Die hiesige Tageszeitung bereitet uns schon mal auf die Besatzung durch den Ivan vor.

  • Okay, nochmals die Punkte: Mein Team verwirft und kehrt in die eigene Hälfte zurück. Alles dreht sich dann ab der 15m-Wechselmarke um. Der Gegner schickt 3 Spieler vor (LA, RA, Kreis), 3 Abwehrspieler ordnen sich ihnen zu und laufen mit auf Aussen Rechts, Aussen LInks und Hinten Mitte. Der Gegner hat noch 3 Rückraumspieler übrig auf RL, RM und RR. Meine 3 vorgezogenen Spieler ordnen sich ihnen 1zu1 zu. Sie stehen auf einer Linie, die vom ballbesitzenden Angreifer (Ballhöhe) bestimmt wird, es sei mal der RL. -- Fall 1: Sind RM und RR weiter hinten, z.B. hinter der Mittellinie, werden sie sozusagen nur mit halber Kraft beobachtet, es wird hauptsächlich auf den Ballbesitzer geachtet, ob dieser etwa in die Mitte prellt und man ihn ZUSÄTZLICH angreifen kann. In dieser Situation bringt sinkMitte was, prellt der RL aber aussen durch, können die beiden nicht eingreifen. -- Fall 2: Laufen RM und RR ein, müssen ja wohl meine Abwehrspieler mitlaufen und die sinkMit bringt gar nichts mehr, weil keiner mehr da ist, der gegen den RL noch attackieren könnte. -- Ich kann also nur in EINER Situation erkennen, dass das Zurücksinken abwehrmässig etwas bringt. Spiele ich häufig gegen miese Teams, bei denen sich die Spieler nicht ohne Ball bewegen und nicht einlaufen, sondern sich 5 Mann ganz cool an der Mittellinie aufstellen, wird es sogar langweilig, weil der Ballbesitzer immer nach hinten frei abspielen kann. Was bringt also sinkMit ? ?(

  • Ich versteh Dein Problem nicht ganz. Eine sinkende Manndeckung unterscheidet sich von der "klassischen" (= Pressdeckung) Manndeckung nur insoweit, als dass die Abwehrspieler eben nicht nur den Mann, sondern auch den Ball im Blick haben müssen. Das heißt, diese Variante soll als Zwischenstufe zwischen der Pressdeckung und der Raumdeckung (wo erst der Ball, dann der Mann im Vordergrund steht) dienen.

    Diese sinkende Manndeckung soll vor allem die Einführung der Abwehrtechniken "Übergeben-Übernehmen" und "Helfen" einführen helfen – ich behaupte, dass eine Anfängermannschaft, die eine Pressedeckung halbwegs spielen kann, große Probleme damit haben würde, aus dieser Aufstellung Gegner zu übergeben – was ja auch nicht Sinn dieser Formation ist. Indem die Abwehrspieler nun sinken und damit den Ball ins Blickfeld nehmen müssen, lernen sie automatisch, den Blick zu "öffnen" – weg nur vom Mann, hin zum kollektiven Spiel und dessen ausschlaggebendem Faktor, dem Ball. Das das anfangs überfordert, ist doch keine Überraschung und auch kein Ausschlusskriterium für diese Deckungsvariante. Das gilt auch in der Manndeckung, wenn Spielanfänger immer dem Ball hinterherschauen (und -trennen) und deshalb ihren "Mann" aus den Augen verlieren – einfaches Gegentor.

    Was Du da beschreibst ist eine ganz andere Spielsituation – Rückzug und Zuordnung / Organisation gegen die dritte Welle. Wenn Du dann die dritte Welle weiter verteidigst, dann hast du doch genau die gewünschte Ausgangslage: RM läuft ein und der vor ihm "zurückgesunkene" Abwehrspieler sinkt mit = begleitet ihn. Oder er übergibt ihn, wenn das situativ die effektivere Lösung ist (und die Buben das können).

    Und wo ist das Problem, dass der Ballbesitzer nach hinten abspielen kann? Da steht doch nicht Dein Tor.

    Das Ganze ist eine Schulungshilfe, wie ja auch die 1:5 Abwehr eine reine Schulungsabwehr ist. Spielst Du im Positionsangriff, dann ergeben sich diese Schlungseffekte. Halte den Gegner vor Dir (und irgendwann Verteidige Deinen Raum) ist da einfach ein Schritt weiter.

  • So allmählich scheine ich es besser zu begreifen. Sinkende Manndeckung = Schulungsabwehr, okay, gut. Normale Manndeckung sei eine Pressdeckung, d.h nach einer Rückzugsphase und einer Orientierungsphase versucht jeder seinen Gegenspieler zu finden und nahe an ihn ranzugehen. Die Frage ist nun: WO mache ich dies - möglichst schnell nach Ballverlust in der gegnerischen Hälfte (was sehr überraschende Effekte haben kann) - ODER ab der Mittellinie - ODER ab der 15-m- Wechselmarke. Es dürfte klar sein, dass je früher meine Spieler attackieren und Mann-Deckung anwenden, desto öfter kann die sinkende Manndeckung überhaupt zum Tragen kommen. Wenn ich an der Freiwurflinie hinten allmählich manndecke, dann wird es wohl nicht viel mit sinken, denn dann stehe ich eher in einer 6:0-Abwehr da...
    Was mir schleierhaft bleibt, ist die Absicht, das Übergeben-Übernehmen zu fördern. Das Übergeben kommt in 2 Fällen überhaupt zustande: a) wenn gekreuzt wird, b) wenn der Mitspieler überlaufen ist und ich als Verteidiger noch eingreifen kann. Nun dürfte in dieser Altersstufe selten gekreuzt werden, das ist insbesonders ein (geistiges) Entwicklungsproblem. Und wenn ich aushelfen muss, dann könnte das ja auch standardmässig ein LIBERO machen.
    Man könnte ja auch Manndeckung mit Libero spielen... Sollte der DHB in die Rahmenrichtlinien aufnehmen. Oder man könnte - wie jetzt im Fussball grosse Mode - doppeln gegen den Ballführer. Es gibt da durchaus kreative Möglichkeiten, die der DHB zulassen sollte. :hi:
    Dass die sinkende Manndeckung beim Grundproblem helfen soll, als Verteidiger mal den Blick vom Gegenspieler zu lösen und auch den Ball in den Blick zu bekommen, also abwechselnd beides zu beobachten, ist komisch. Dies dürfte sowieso eine generelle Forderung bei der normalen Press-Mann-Deckung sein. Findet man auch in der einschlägigen Literatur dauernd aufgeführt. Und das ist leicht zu schulen. Denn die Kinder sind in dem Alter doch alle geil drauf, den Pass abzufangen. Spätestens wenn Du Parteiball im Training mit gar nicht oder nur 1 x Prellen spielst, wird das doch geschult.

  • Möglicherweise vermengst Du die beiden Ansätze zum Übergang Manndeckung zur Raumdeckung (oder ich tue das). Mir sind zwei Varianten bekannt:

    1. Harter Umbruch

    Von der Manndeckung über das ganze Feld (Zuordnung schon bei Ballverlust) lasse ich die Spieler später zurücklaufen und ab der Mittellinie ihre "Partner" suchen, zum Schluss ab dem Neuner. Es wird weiterhin konsequent Manndeckung gespielt, nur eben schneller der Tiefenraum vor dem Tor besetzt und später der Gegenspieler gesucht. Die Abwehr ist auch in der letzten Variante noch in der Tiefe verstreut. Und wenn ich die Kleinen erst mal am Neuner habe, stelle ich irgendwann radikal auf Raumdeckung um.

    2. Weicher Umbruch

    Nach der Manndeckung über das ganze Feld folgt die "sinkende Manndeckung". Kein Abwehrspieler überschreitet die Balllinie, der Gegenspieler ist im Einzelfall mehrere Meter entfernt, aber auf demselben "Breitengrad". Der Orientierungspunkt Ball wird wichtiger als bisher, die Beobachtungsaufgaben somit schwieriger. Automatisch verdichtet sich die Abwehr zur Abwehrkette (im Gegensatz zur "späten Manndeckung", wo noch mehr im Tiefenraum gearbeitet wird) , hat allerdings keinen festen Orientierungspunkt (Neuner) sondern einen variablen (Ball). Übergeben vor der Abwehr ist so etwas einfacher, weil die Abwehr nicht gestaffelt steht, sondern eher auf einer Linie. Übergeben/Übernehmen ist allerdings eher auf die Spitzenmannschaften mit entsprechenden Trainern beschränkt (deswegen spiele ich ja auch die erste Variante :D ).


    Dass die Verbände in ihren Vorschriften teilweise wie wild mit Fachbegriffen um sich werfen, um den Trainern und Schieris eine Handhabe zu geben, diese Begriffe aber manchmal gar nicht verstehen oder was ganz anderes meinen, steht auf einem anderen Blatt. Schönstes Beispiel war in Niedersachsen, wo kluge Köpfe sich viele Gedanken gemacht haben, dann aber bei der Formulierung der Regeln nicht mehr beteiligt waren. Da hieß es dann plötzlich bei den erlaubten Deckungsformen in der E-Jugend, dass ausschließlich eine Manndeckung über das gesamte Feld gespielt werden musste. Das war dann der juristische Tod der "sinkenden Manndeckung" - was in der Praxis aber mit Sicherheit niemand gemerkt hat. Oder für die C-Jugend heißt es in etwa: "Offensive 2-Linien-Abwehr, z.B. 1:5, 2:4, 3:2:1, 3:3, 4:2 usw." Was "undsoweiter" ist, bleibt leider ungeklärt.

    "Perfektes Spiel für unruhige Zeiten: Schach und die große Sehnsucht nach Entschleunigung"

    Die hiesige Tageszeitung bereitet uns schon mal auf die Besatzung durch den Ivan vor.

  • Okay, ich setze nochmals an: Meine Mannschaft verliert den Ball im Angriff, alles muss zurück in die Abwehr. FRAGE: Wie finden die Spieler ihren Gegenspieler? Normalerweise gibt man ihnen doch zwei Anweisungen: a) Abzählen von aussen (von links oder rechts), Fritze nimmt z.B. immer den Dritten von links. b) Zurücklaufen zur MIttellinie, dann umdrehen (und abzählen) und dann ran an den angreifenden Gegenspieler. === Sinkende Manndeckung bezieht sich meines Erachtens dann auf b) und kann dann nur heissen, zurücklaufen bis auf Ballhöhe und dann umdrehen. Na ja. Was passiert im Folgenden: Angreifer mit Ball bricht ab und versucht zu passen. Sind seine Mitspieler hinter ihm, rückt die Manndeckung weiter vor. Läuft ein Mitspieler schräg nach vorne ein und kann angespielt werden, müssen die anderen zurücksinken. Und genau das ist für mich der KNACKPUNKT: Da gibt es Orientierungsprobleme, man geht weg vom Gegenspieler und ist anfällig fürs Überlaufen. Man kann natürlich auch sagen: Ja, man sinkt zurück, um dem verteidigenden Teamkollegen beim schräg einlaufenden Angreifer auszuhelfen, aber das ist illusorisch, weil die Entfernungen meistens zu gross sind. == Tut mir leid, aber ich sehe keinen grossen Gewinn bei der sinkenden Verteidigung, weder bei der Weiterentwicklung der Kinder noch beim besseren Verteidigen im Sinne von mehr Siegen. :) :) ---- Ich verlange im übrigen von meinen Spielern beim Übergang von der E-Jugend zur D-Jugend den hier oft genannten "harten Umbruch". Die Entwicklungssprünge in der D-Jugend lassen das zu. Am Besten finde ich noch eine 3:2:1-Abwehr, wo möglichst 2 Spieler immer zusammenarbeiten. Das "Helfen" geschieht dann aber positionsspezifisch (z.B. arbeiten der Aussen und der Halb zusammen), das "Übernehmen" mit lauter Ansage ist leicht zu lernen, denn die Verteidiger bleiben dann beim Kreuzen einfach stehen. ---
    Letzte Frage: Gibt es eigentlich ein Video, das die sinkende Manndeckung idealtypisch zeigt ?? ?(

  • Ich glaube Klaus Feldmann wird hier nicht richtig verstanden. Mit der sinkenden Manndeckung hat er nur versucht, Trainer und Spieler Umsetzbare Ansatzpunkte/Grundregeln für den Übergang von der Manndeckung zur Raumdeckung zu geben. Es wird genausowenig eine optimale sinkende Manndeckung geben, wie es vorher eine optimale Pressdeckung oder später dann eine optimale Raumdeckung gibt. Es soll lediglich den Kindern helfen die Umstellung zu vollziehen. Wer vorher bei der Manndeckung überlaufen wurde, wird es auch bei der sinkenden Manndeckung oder Raumdeckung. Knackpunkt ist hier die individuelle Stärke, der individuelle Leistungsstand, der einzelnen Spieler im 1-1 Verhalten mit und ohne Ball. Tore, also Fehler der Abwehr, wird es immer geben. Wer aber im 1-1 schwach ist, wird in jeder Abwehrform Probleme haben.

    Ich bin deshalb auch nicht dafür, die Umstellung bereits in der D-Jugend durchzuführen. Übergeben/Übernehmen, Helfen und Sichern halte ich in diesem Alter noch nicht für das oberste Ausbildungsziel. Die Spieler, die im 1-1 schon ziemlich weit oder ihrem Gegenspieler weit überlegen sind, werden das Übergeben/Übernehmen auch ohne taktische Anweisung des Trainers praktizieren, weil sie es sich selbst erarbeiten haben. Sie erkennen einfach, zum Teil auch aus Faulheit, dass es einfacher/bequemer ist einen Gegenspieler zum nächsten Abwehrspieler zu begleiten und zu übergeben, als ihn über das gesamte Feld zu verfolgen. Dafür muss man sie aber auch selbst nach Lösungen suchen lassen. Hier sollte man die Kinder nicht unterschätzen. Die allgemein gültigen Grundregeln des Abwehrspiels finden die Kinder zumindest in den Grundzügen auch selbst heraus, einfach weil sie gewinnen wollen und deshalb nach den besten Lösungsmöglichkeiten suchen. Hier würden Hilfestellungen des Trainers wahrscheinlich ausreichen. Und nicht zu vergessen ist, dass Lösungen, die die Kinder sich selbst erarbeitet haben, von diesen meist auch viel besser umgesetzt werden.

    Gruß,

    TSVROT