Krafttraining im späten Schulkindalter und Pubeszenz

  • Hallo Handballecke,
    ich bin grade am Planen der nächsten Trainingseinheiten und habe das Internet nach kreativen und interessanten Ideen zur Ganzkörperkräftigung durchsucht.

    Gestoßen bin ich dabei auf eine Menge von Seiten (ob sinnvoll oder sinnlos sei dahingestellt). Unter Anderem auch auf diese. Hat jemand mal Ringen und Kämpfen in seinem Training ausprobiert? Mag mir jemand seine Erfahrungen mitteilen? ;)

    Und wenn ich grade sowieso am posten bin, dann auch noch schnell folgende Frage: Hat einer neuste Erkenntnisse zum Krafttraining von Kinder vor der Pubertät? (Das es sinnvoll ist, ist unanfechtbar, aber wie weit sollte es gehen?) Die Threats der Handballecke (teilweise 2004 und älter) sind bereits überholt, weshalb mir die Suchfunktion nicht wirklich half. In Kampfsportarten und Turnen werden in diesem Alter (10-13) bereits zahlreiche Liegestütz und andere Kraftübungen durchgeführt. Was haltet ihr davon? Wie gestaltet ihr das "Krafttraining" eurer Jugendmannschaften? Könnt ihr bestimmte Lektüren zu diesem Thema empfehlen?

    Mit vielen offenen Fragen und vielen Grüßen verabschiede ich mich.

    Jan

    Das ist Handball!

  • Hallo Dreamkeeper!

    1. Ringen und Raufen habe ich schon im Training umgesetzt (etwas anders wie abgebildet). Ich meine in einem der letzten Handballtraining-Hefte waren dazu auch einige Übungen. Meine Erfahrungen waren durchweg positiv. Den Jugendlichen hat es Spaß gemacht. Es war anstrengend und abwechslungsreich.

    2. 10-13 Jahre ist nicht meine derzeitige Zielgruppe. Grundsätzlich würde ich mal das Thema Krafttraining in die drei Haupgruppen Schnellkrafttraining, Kraftausdauertraining und Maximalkrafttraining aufteilen. Wenn ich deine Altersstufe trainieren würde, würde ich vor allem die Schnellkraft trainieren und Richtung Beginn der ersten puberalen Phase immer mehr Kraftausdauertraining miteinfließen lassen.
    Das alles sollte recht spielerisch sein. Zum Beispiel durch Ringen und Raufen ;)

    Quellen zum Kinder- und Jugentraining lt Skript meines C-Scheins (ohne die Bücher je gelesen zu haben):
    -Handbuch Kinder- und Jugendtraining von D. Martin, J. Nicolaus.....
    -Das neue Konditionstraining für alle Sportarten, für Kinder, Jugendliche und Aktive von M. Grosser, S. Starischka, E. Zimmermann
    -Optimales Training von J. Weineck

    Hier habe ich noch etwas im Netz von der Uni Hamburg gefunden:
    http://www1.uni-hamburg.de/spomed/scripte…oordination.pdf

  • Bezüglich Krafttraining in so jungem Alter ist meine Meinung, dass man natürlich verschiedene Übungen mit dem eigenen Körpergewicht durchführen kann (Liegestütz, Kniebeugen, Situps, Ring- und Raufübungen, ezc.). Das sollte kein Problem darstellen. Jedoch rate ich entschieden von schwerem Kraftsport mit Gewichten ab. Vor allem von speziellem Maximalkrafttraining oder auch Schnellkrafttraining. Die Knochen, Gelenke und Bänder sind solchen Belastungen oft noch nicht gewachsen und können auch mit den Entwicklungsfortschritten der Muskulatur bei weitem nicht mithalten.
    Schnellkrafttraining kann natürlich in Form von Sprüngen und Sprints und solchen Dingen durchgeführt werden, aber bitte nicht mit schweren Langhanteln und Gumminbändern. Und wenn es unbedingt Krafttraining mit Hanteln sein soll, dann bitte mit wenig Gewicht, hohen Wiederholungszahlen im Kraftausdauerbereich und absolut sauberer Technik für mindestens zwei Jahre, bevor es schwer wird.

  • Wieso den keine Gummibänder/Thera-Bänder bei richtig dosierter Belastung?

    Das in so jungem Alter nur Übungen mit dem eigenen Körpergewicht gemacht werden sollen halte ich für eine Binsenweisheit die nicht stimmt.

    Überspitzt formuliert wäre nach der Regel eine Belastung mit einem Gewicht von 30-40kg (eigenes Körpergewicht) schonender als eine Belastung an der Hantel oder dem Gummiband mit 5-10kg.

  • Also bei "Technik geht vor" werde ich (und wird auch hoffentlich kein Anderer) dir keines Falls widersprechen, aber Thera-Bänder kann man durchaus zu Stabilisation benutzen (Es muss ja nicht zwingend das schwarze, extrem starke sein :)) Aber geht es da dann natürlich auch erstmal um die Technik. (Ich halt sogar Maschinen für Kinder nicht ungeeignet, da man dort sogar mit noch leichteren Gewichten als dem Körpergewicht arbeiten, d.h. noch mehr auf die Technik und korrekte Ausführung achten, kann.)
    Wir hatten in Badenstedt einmal einen Trainer, der einigen Spielern die Wurfbewegung sogar nur durch Therabänder gelehrt hat. Geschadet hat ihm das nicht!

    Mir geht es aber eigentlich mehr in Richtung "Kraft mit dem Körpergewicht" (welche deshalb einen Vorteil gegenüber dem Hantel- und Maschinentraining haben, dass sie meist auch die Rumpfstabilität fördern).
    Wenn ich in diesem Bereich trainiere, sollte ja hauptsächlich über eine hohe Serienzahl (viele Durchgänge mit weniger Wiederholungen) trainiert werden. Kann man am Ende einer Trainingseinheit dennoch eine "Bis zur Erschöpfung"-Phase einbauen? Bringt ein komplettes Auspowern auch Erfolge, oder nur müde Spieler und guten Schlaf?

    Das ist Handball!

  • OK. Ich gebe zu, dass ich mich vielleicht etwas schwammig ausgedrückt habe.

    Das mit dem eigenen Körpergewicht sage ich deshalb immer, weil die meisten sich unter Krafttraining schwere Kniebeugen, Bankdrücken, Kreuzheben und Schulterpressen vorstellen. Am besten noch im Bereich von 6 oder weniger Wiederholungen. Und DAS wird dem jungen Knochengerüst und Gelenkapparat eines 11 Jährigen auf keinen Fall gut tun.

    Und das Training mit Bändern kenne ich persönlich nur als Schnellkrafttraining. Und das halte ich für Anfänger oder etwas "wilde" Kinder auch für ungeeignet, weil sich dort ohne die nötige Disziplin und bereits erlernte saubere Technik gaaaanz schnell Fehler einschleichen, zu zu Bänder- und Gelenkverschleiß führen. (Auf die Technik komme ich noch beim Bankdrücken zu sprechen)
    Wenn man schwächere Therabänder nimmt, dann könnte man aber natürlich auch langsame Wiederholungen durchführen. Sagen wir mal 2 bis drei Sekunden positive und 2 bis 3 Sekunden negative Phase. Das stärkt natürölich die gesamte Haltemuskulatur und sollte unbedenklich sein. Da stimme ich zu.

    Zitat

    Überspitzt formuliert wäre nach der Regel eine Belastung mit einem Gewicht von 30-40kg (eigenes Körpergewicht) schonender als eine Belastung an der Hantel oder dem Gummiband mit 5-10kg.


    Das könnte man meinen Äußerungen tatsächlich so entnehmen und ein ganz klein wenig meinte ich es auch so.
    Nehmen wir Liegestütze als erstes Beispiel. Meinetwegen wiegt ein 12 jähriger Junge 50 Kilogramm. Auf seine Brust, seine Schultern, seine Trizeps und Handgelenke wirkt alo bei Liegestützen eine Belastung von etwa 25 Kilogramm (ganz grob, realistisch wahrscheinlich eher 18kg). Dazu kommt natürlich die Haltearbeit der Bauch-, Rücken- und Beinmuskulatur, die diese Übung so wertvoll macht. Allerdings simulieren Liegestütze nicht das klassische Bankdrücken (Flachbankdrüken), wie viele meinen, sondern das Negativbankdrücken, bei dem der Latissimus mithelfen kann. Das ist Punkt 1. Punkt 2: Wenn dieser Junge jetzt mit 25 Kilogramm Bankdrücken durchführt, dann gibt es tausende von Fehlerquellen: Die Amstellung, die Schulterhaltung, Die Handgelenke, der Griff der Finger, die Lage auf der Bank, die Position der Beine, die Geschwindigkeit der Stange und und und. Und leider, ich möchte niemandem zu Nahe treten, traue ich den meisten auch wirklich guten Handballtrainern nicht zu, dass sie genau wissen wie perfektes Bankdrücken auszusehen hat und worauf es für welche Ziele ankommt, weil sie es selbst nie exzessiv oder auf Wettkämpfen betrieben haben. (Ist echt nicht böse gemeint sondern nur Erfahrungssache).
    Das war mal Liegestütz als Beispiel. Jetzt einmal andersherum: Ich gehe mit einem Kind ins Fitnesstudio und lasse es Schulterdrücken machen. Im Kindesalter sind Hormonspiegel und Regeneration gut, also werden die Schultern schnell stark und es kann meinetwegen nach drei Monaten mit 30kg drücken. Zum einen werden aber Bänder und Gelenke viel langsamer an eine Belastung angepasst, als die Muskulatur, und zum anderen ist es eine recht unnatürlich Bewegung die ohne das Hilfmittel "Hantel" eigentlich so gut wie nie vorkommt und deshalb halte ich sie bei Kindern eher für fraglich.

    Zitat

    Bringt ein komplettes Auspowern auch Erfolge, oder nur müde Spieler und guten Schlaf?

    Es gibt im Kraftsport immer zwei Möglichkeiten, den Reiz auf die Muskulatur zu erhöhen und Wachstum anzuregen: Mehr Gewicht oder mehr Wiederholungen. Und gerade bei Kindern und "Ausdauersportlern" ist "mehr Wiederholungen" oft das probatere Mittel zum Erfolg. Wobei ein Krafttraining nicht immer bis zum Muskelversagen durchgeführt werden muss / sollte. Abwechslung bringt auch hier neue Reize.

    Bezüglich des Maschinentrainings sehe ich kaum Probleme: Die Bewegung ist so geführt, dass man bei korrektem Sitz nicht von der Bewegungsrichtung abweichen kann und die meisten Maschinen haben recht gute Sicherheitsmaßnahmen eingebaut. Daher ist das sowieso für Anfänger oder auch Kinder immer das Beste. Und nach einer Weile des Trainings an Maschinen ist der Körper auch auf Freihanteln vorbereitet.


    So. Ich hoffe, jetzt konnte ich etwas differenzierter zeigen, worauf ich hinauswollte. :)

  • Hallo Funeral!

    Guter Post und gute Differenzierung. Meiner Meinung nach sind wir da auf einer Linie.

    Hast du das Buch (unten in deiner Signatur) selbst geschrieben?

    @all:
    -Hat jemand eine Quelle zur Schädlichkeit von Maximalkraftraining und Krauftausdauertraining im späten Schulkindalter?
    -Weiß jemand wie die Gewichtheberjugend trainiert? Technische Perfektion, Höhe der Gewichte, Spätfolgen?

  • Hey Coach,

    na dann sind wir uns ja einig. :D

    Das Buch hab ich tatsächlich selbst geschrieben. In mittlerer Zukunft soll dann ein zweiter Teil folgen mit richtigen Schweineübungen (Maximalkraft, Deuserbänder, Ketten, Negativtraining, usw. usw.)

    Zu Deiner zweiten Frage: Ich weiß nicht, wie es bei Gewichthebern aussieht, aber es gibt ja auch Jugendklassen im Powerlifting / Kraftdreikampf. Da schenken die sich nix und trainieren richtig heftig Maximalkraft und heben teilweise Gewichte, wo ich die Augen verdreh und mir denke: "Sch... man, dass schaff ich ja nichtmal!". Aber ob das für das junge Knochengerüst so gut ist, sei mal dahingestellt. Dazu hab ich aber keine wissenschaftlichen Quellen.

  • Ähem, Jungs, war neulich in einem Vortrag von Prof. Franke (Heidelberg), diesem Anti-Doping-Aktivisten. Da wurde es mir ganz anders. Hat Dokumente aus der Ex-DDR vorgestellt, bei denen nichts anderes als Testreihen am Leistungssport-Menschen durchgeführt wurden. Besonders eindrucksvoll war der Bericht über die Dissertation eines Mediziners, der 10 tote Bodybuilder (Mr. Universum etc.) seziert hat und deren Leber-Ödeme (so hiess das glaube ich) untersuchte. Mit anderen Worten: Die Gewichtheber-Szene ist verseucht von oben bis unten... Da gehen bei mir als Handballer doch ziemlich die Warnlampen an.
    -- Dann noch etwas: Hatte immer im Kraftraum Gelegenheit, dem Schwimmer-Nachwuchs zuzuschauen. So ab 13 Jahren, minimale Gewichte, sehr viele Wiederholungen. Und das 2 mal die Woche. Na gut, dachte ich, bei so geringen Belastungen ?? Dann sprach ich zufällig mit einer etablierten Physiotherapeutin, die die lokale Sportlerszene breit betreut und habe erfahren, was da alles vom Schwimmernachwuchs bei ihr eingelaufen ist. Mit anderen Worten: Beim Krafttraining mit Gewichten kann eine Menge schief laufen.. Vor der A-Jugend würde ich da keinen Stress machen. Als Erwachsene im Leistungsbereich kommt das noch früh genug. Vielleicht bin ich konservativ, aber zumindest wäre ich zurückhaltender ... Sorry.
    :wall: ;( :cool: :mad: :/:

  • Zitat

    Original von LagoTrainer
    Mit anderen Worten: Die Gewichtheber-Szene ist verseucht von oben bis unten... Da gehen bei mir als Handballer doch ziemlich die Warnlampen an.

    Sorry wenn ich dazu leider einmal ganz unprofessionell und politisch inkorrekt "LOL" sagen muss. Als ob nur Kraftsportler Doping betreiben würden. Was ist bitte mit EPO und Eigenblut-Doping im Ausdauersport? Steroiden im Football, Baseball, Basketball UND AUCH Handball? Oder im "normalen Leben", wo sich Studenten und Manager mit Kokain, Amphetaminen und Mescalin über Wasser halten? usw. usw. usw.

    Um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen: Überall, wo man (mit Sport) auch nur etwas Geld verdienen kann, gibt es auch Dopingfälle und Beschiss. Punkt.

    Sorry für den kleinen "Ausraster", aber nach all den Jahren kotzt es mich inzwischen richtig an, dass jeder, der mal irgendwas von Doping und leistungsteigernder Chemie gelesen, gehört oder gesehen hat, es fast immer ausschließlich auf den Kraftsport bezieht.

    Zu den Schwimmerinnen: Der Kommentar der Physiotherapeutin ist natürlich besorgniserregend. Allerdings fehlen weitere wichtige Parameter neben dem Sport, wie z.B. ob der Trainer die Übungen auch vernünftig und richtig erklärt hat, wie es mit der Ernährung aussieht, mit der Regeneration, usw. Das soll jetzt aber nicht den physiotherapeutischen Einwand schmälern, sondern nur zum weiteren Nachdenken anregen.