Die grundlegende Frage ist, ob man die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft auf ein generelles Problem in der Ausbildung und Nachwuchsförderung schiebt oder es sich nur um eine Anhäufung von Einzelproblemen handelt, weil Spieler in ihrer Entwicklung stagnieren. Talentierte deutsche Spieler gibt es meiner Meinung nach genug (was nicht zuletzt auch die Erfolge der Jugend-Nationalmannschaften zeigen), aber der Schritt zur absolten Weltklasse fehlt. Dieser letzte Schritt geschieht aber nicht in der Jugendförderung, sondern in den Bundesligavereinen. Die spielerischen und taktischen Grundlagen müssen die Spieler in der Jugend und den Auswahlmannschaften erlernen. Der letzte Schritt zum kompletten Spieler kann jedoch nur erfolgen, indem sie sich in leistungsstarken Mannschaften behaupten und durchsetzen.
Der Aufbau einer Nationalmannschaft mit Perspektive für Olympia 2012 setzt voraus, dass sich die derzeitigen Nationalspieler weiterentwickeln. Nur leider habe ich bei kaum einem aktuellen Nationalspieler das Gefühl, dass er sich gegenüber den letzten großen Turnieren (Olympia, WM) weiterentwickelt hat. Die Torhüter, ehemals eine Paradepositon im deutschen Handball und oft Garant für den Erfolg, waren bei diesem Turnier nur Mittelmaß. Bei Johannes Bitter ist möglicherweise die Operation kurz vor der EM mitverantwortlich dafür, dass er sich nicht in Bestform präsentiert. Bei Silvio Heinevetter sehe ich das Problem, dass er in seiner Entwicklung stagniert. In Magdeburg war er der gefeierte Held und die unumstrittene Nummer 1 im Tor, aber in Berlin hat er Probleme sich gegen Stochl zu behaupten und konnte diese Saison nur selten glänzen.
Mimi Kraus war 2007 der Überflieger und profitierte dabei von seiner ungewohnten Spielweise, die die Gegner noch nicht kannten. Drei Jahre und vier Turniere später ist er immer noch der Bravo Boy der aus der zweiten Welle mit seiner Schnelligkeit Gefahr ausstrahlt, aber im Positionsspiel immer noch nicht gelernt hat als Spielmacher zu agieren und als Kapitän die Mannschaft zu führen.
Generell sehe ich das Kernprobleme im Fehlen eines echten Spielmachers. Kaufmann und Glandorf sind gute Rückraum-Shooter, aber in hohem Maße davon abhängig, dass sie von ihren Mitspielern in Szene gesetzt werden. Sie haben ihre Stärken im Torabschluss, aber schaffen es nicht selber die Initiative zu ergreifen und ihrerseits Mitspieler in aussichtsreiche Wurfpositionen zu bringen. Darunter leiden letztendlich auch die Außen, die von den Halben kaum mit ins Spiel einbezogen werden. Dabei könnte vorallem von Linksaußen mit Jansen und Gensheimer eine hohe Torgefahr ausgehen.
Zu guter Letzt habe ich bei Roggisch das Gefühl, dass seine Patzer in der Abwehr immer dilletantischer werden. Natürlich leidet er darunter, dass die Schiedsrichter immer ein besonderes Augenmerk auf ihn legen, aber tut auch nichts um an dieser Situation etwas zu ändern. Er lamentiert nach jeder zweiten Entscheidung der Schiedsrichter, beschwert sich grundsätzlich über jede Zeitstrafe gegen ihn und mit völlig überflüsigen Fouls, wie nach dem Siebenmeter von Joli, steigert er sein "Bad boy"-Image nur immer weiter. Er sollte vielleicht mal überlegen ob ein etwas zurückhaltenderes Auftreten gegenüber den Schiedsrichtern nicht förderlich wäre. Roggisch hat bei 2:21 Stunden Spielzeit im bisherigen Turnier drei Gelbe Karten, acht Zeitstrafen und eine Disqualifiaction angesammelt. Zum Vergleich: Didier Dinart, mit dem Rogggisch gerne verglichen wird, hat bei 2:24 Stunden Spielzeit bislang nur zwei Gelbe Karten gesehen!