ZitatOriginal von michel b.
Zu dieser Vergangenheitsverklärung fällt mir nur ein, dass bei anderen Regierungskoalitionen (nicht nur Schwarz-Gelb) es auch genügend Affären gab. Ohne Groß nachzudenken fallen mir die Guillaume-Geschichte, die Kurnaz-Sache oder die Visumsaffäre ein.
Für den Guillaume konnte keiner was. Es gab auch bei der Union reichlich Stasispitzel. Kurnaz ist ein Punkt für dich, das finde ich auch skandalös, aber ich finde überhaupt die ganze Verstrickung Deutschlands in diesen Krieg abscheulich.
ZitatOriginal von michel b.
Schwarz-Gelb regiert in den meisten Bundesländern recht erfolgreich, wieso sollte das nicht auch im Bund gelingen?
Mich würde ja mal interessieren, worin dieser "Erfolg" denn eigentlich genau besteht oder bemessen werden kann?
So, und eine kleinere Einlassung zum Wahlrecht und auch zur (tatsächlich nur gefühlten) "Deutlichkeit" des gestrigen Ergebnisses:
Hier in Sachsen standen gestern neun Parteien auf dem Zettel (die anderen 18 sind hier alle nicht angetreten). Neben den "big five" waren das noch NPD, die REP, MLPD und BüSo.
Es ist mir nicht leicht gefallen aus diesem Kreis eine Partei auszuwählen, bei der ich mein Kreuz setzen konnte, da sechs der neun angebotenen Parteien (aus unterschiedlichen Gründen!) für mich schon per se ausscheiden und ich die drei verbleibenden ebenfalls derzeit nicht überzeugend finde.
Irgendwen per Wahlpflicht mußte man in der DDR wählen. Ob ich nun gezwungen bin, einen aus neun auszuwählen, die mir alle nicht zusagen, oder ob ich die Kandidaten der NF zu wählen habe, die mir auch alle nicht zusagen, ist vom Prinzip kein Unterschied.
Der Unterschied besteht eben genau darin, daß ich auch das Recht habe, allen der angebotenen Kandidaten meine Unterstützung zu versagen, wenn ich mich von ihnen nicht vertreten fühle, ohne danach erstmal für drei Wochen in einem Kellerloch zu verschwinden. Erst dieses Recht unterscheidet unser Wahlrecht von dem in China, Myanmar oder der DDR.
Es ist nicht die Aufgabe des Bürgers, das Parteiensystem gefälligst so zu akzeptieren wie es ist (das wäre DDR, China, Myanmar), sondern es ist die Aufgabe der Parteien, den Bürger von sich zu überzeugen. Wenn das nicht gelingt und mehr als 30% der Wähler befinden, daß keine der angetretenen Parteien ihre Interessen vertritt, ist das eine Aussage, über die unsere Politik schnellstens mal nachdenken sollte. Der gesamte Bundestag vertritt nur noch 65,59% der Wahlberechtigten, also noch nicht mal zwei Drittel. Das ist schon hart an der Legitimationsgrenze.
Es hat gestern nicht etwa "das halbe Land" schwarz/gelb gewählt, sondern de facto nur etwas mehr als ein Drittel (20,97 von 62,13 Millionen oder 33,75% der Wahlberechtigten). Die gesammelte Opposition hat (19,78 Mio. / 31,84% der WB) auf sich vereinigt. Der tatsächliche Unterschied in der Zustimmung des Wählers zu neuer Regierung bzw. Opposition beträgt damit de facto weniger als zwei Prozentpunkte oder im relativen Verhältnis ausgedrückt 1,06:1. (Die Sitzverteilung beträgt vermutlich allerdings dank der vielen Überhangmandate 1,15:1).
18,77 Millionen Wähler (30,21 % der WB, Enthaltungen plus ungültig abgegebene Stimmen) fanden aber überhaupt keine der zur Wahl stehenden Parteien unterstützungswürdig - das ist das Erschreckende. Die sind nicht alle zu faul. Wenn es jemanden gäbe, den sie unterstützen wollten, dann würden sie das auch tun. Das ist die Denksportaufgabe für unsere Politik, darüber nachzudenken, warum sich so viele Menschen in diesem Land mittlerweile jeder Partei verweigern oder wie die restlichen 1,28 Millionen Extremisten oder sonstwie Abseitiges wählen.