Vor der Entscheidung
Essen, 23.10.2008, Von Ralf Ritter
Noch gibt es keine klare Ansage zur Zukunft des Erstligisten. Doch vieles deutet darauf hin, dass ein Neuanfang in der 2. Liga unter neuer Führung angestrebt wird. Eine Analyse
DIE KRISE BEIM TUSEM
Sie tanzten und lächelten einfach weiter, die jungen Cheerleader, kurz vor dem Pokalspiel des Tusem gegen Wetzlar. Dabei gaben den Takt die Anhänger auf den Tribünen der Halle Margarethenhöhe mit rhythmischem Klatschen vor - die Musik streikte.
Eine Randnotiz nur, in diesen Tagen aber symptomatisch für die dramatische Situation beim Noch-Erstligisten: Nur die treuesten Fans, die 500, die die junge Mannschaft am Mittwochabend trotz des Pokal-Debakels (20:32) gegen Wetzlar hochleben ließen, sorgen noch für Krach mit positivem Klang. Ansonsten herrscht Funkstille und Krisenstimmung auf allen Ebenen: Finanziell steht die Tusem HSB vor dem Kollaps, sportlich ist das Team in dieser dünnen Besetzung selbst gegen einen Abstiegskandidaten wie Wetzlar absolut chancenlos. Weiterhin fehlt es an klaren Ansagen, wie - und ob - es weitergeht. In der nächsten Woche.
In dieser Woche nämlich, so versicherte Geschäftsführer Horst-Gerhard Edelmeier, werde es "auf gar keinen Fall einen Insolvenzantrag" geben. Er selbst aber ist offenbar nicht mehr gewillt und in der Lage, dem Tusem zu helfen - und er scheint bereit, Platz zu machen für einen Neuanfang. "Ich hänge nicht an meinem Stuhl", sagte er der WAZ. Gesamtvereins-Präsident Ulrich Gaißmayer, der am Freitag in Essen erwartet wird, hatte bereits erklärt, dass man einen "neuen Mann" schon im Auge habe. Als Topkandidat gilt Niels Ellwanger, der mit Klaus Schorn die Nachwuchs- und Amateurabteilung des Vereins erfolgreich verantwortet.
Bezeichnend für die Zustände eines führungslosen Tusem: Es war die Mannschaft, die seit zwei Monaten auf ihr Gehalt wartet, die den dafür hauptverantwortlichen Geschäftsführer nach der Partie in die Kabine bat, um wenigstens über den Stand der Dinge informiert zu werden. "Wir werden absolut im Unklaren gelassen", monierte Spieler Aljoscha Schmidt direkt nach dem Pokal-Aus einmal mehr, und auch nach Edelmeiers Kurz-Auftritt war keiner schlauer: Erst Anfang nächster Woche, berichtete Trainer Kristof Szargiej aus der Kabine, könne Edelmeier etwas sagen.
Am Wochenende sollen, ja, müssen Entscheidungen fallen. Vieles deutet darauf hin, dass Edelmeier sein Amt zur Verfügung stellt und der Klub, sollte nicht doch kurzfristig genug Geld für eine Rettung aufgetrieben werden, eine Insolvenz der Spielbetriebsgesellschaft anstrebt - mit dem Kalkül, unter neuer Führung neue (und alte) Sponsoren zu gewinnen. So hat Manager Stefan Hecker nach eigenen Angaben einige Sponsoren in der Hinterhand. Ziel dürfte sein, die Saison trotz Insolvenz zu Ende zu spielen. Der Tusem würde dann zwar als Zwangsabsteiger feststehen, könnte aber - im Optimalfall - in der kommenden Saison in der 2. Liga einen Neuanfang starten. "Ich gehe davon aus, dass wir uns in der 2. Liga gesund stoßen müssen", so Stephan Krebietke, der Sportliche Leiter, vielsagend. Mit neuem Konzept, neuer Struktur: "Die Verantwortung muss auf mehrere Schultern verteilt werden."
Ob die Rechnung aufgeht, ist freilich offen, es bleiben viele Fragen. Neben der rein finanziellen auch diese: Mit welcher Mannschaft könnte ein insolventer Tusem noch 25 (!) Erstliga-Spiele bestreiten, in denen es um nichts mehr ginge - aber die Spieler bezahlt werden müssen? Schließlich sollen dem Tusem bis Jahresende 400 000 Euro fehlen, insgesamt eine Millionen Euro.
Längst gibt es konkrete Anfragen, Torwart Gerrie Eijlers, Barna Putics, Sergio Ruiz Casanova und Aljoscha Schmidt dürften auf der Wunschliste anderer Klubs stehen. Im Insolvenzfall, räumt Krebietke ein, "würden wir sicher nicht jeden halten können".
Quelle: WAZ