01.10.2007 - TOYOTA Handball-Bundesliga: VfL Gummersbach – THW Kiel
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der THW Kiel in der laufenden Saison als fast unschlagbar. Der Triple-Gewinner 2007 (Deutsche Meisterschaft, Pokal und Champions Laegue) hatte sich schließlich im Sommer spektakulär verstärkt und dabei laut dem Fachmagazin "Handballwoche" 600 000 Euro in Ablösesummen investiert.
Doch seit gut einer Woche hat dieses Image der Übermannschaft die ersten Risse. Der ewige Nordrivale SG Flensburg-Handewitt schaffte am 24. September in der Campushalle nicht nur einen 37:32 Sieg, viel schwerer wog für die Kieler die Knieverletzung von Neuzugang Filip Jicha, die sich der Tscheche an diesem Tag zuzog. Die Diagnose ergab wenig später: Riss im Außenmeniskus und nach der Operation vier Monate Pause. Rund zwei Monate zuvor war schon Nationalspieler Christian Zeitz an der Hüfte operiert worden, und der saß in Flensburg nur in der Trainingshose auf der Bank. Die Kieler hatten es aber schon in der vergangenen Saison mit ihrem breiten Kader von Weltklassespielern geschafft, teilweise fünf Ausfälle aufzufangen und schließlich alles zu gewinnen, was es zu gewinnen gab. Seit Samstag herrschte aber an der Förde zunächst tiefe Depression, denn beim Champions-League-Duell in Montpellier folgte der Supergau der unglaublichen Pechsträhne, der 34:32 Sieg bei den seit acht Jahren zu Hause ungeschlagenen Franzosen geriet völlig zur Nebensache. Nikola Karabatic, der derzeit vielleicht beste Handballer der Welt, wurde nach einem Foul an der Schulter so schwer verletzt, dass im schlimmsten Fall mit einer einer sechsmonatigen Zwangspause spekuliert wurde. Nach der Aktion des Tunesiers Issam Tej gab es im Übrigen auch öffentlich erregte Diskussionen über den Unfall. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Die Kernspintomograhie am Montagmorgen ergab, dass eine Operation am verletzten Schultereckgelenk zunächst nicht geplant ist. "Die Schulter wird jetzt 10 bis 14 Tage ruhig gestellt", berichtet THW-Sprecher Björn Goos, "wir gehen jetzt nur von einer mehrwöchigen Pause aus".
Damit fehlen dem THW also am Mittwoch (15 Uhr) zum Kölnarena-Schlager gegen den VfL drei Spieler. Ohne Linkshänder Christian Zeitz (soll auf ärztlichen Rat eigentlich noch zwei Wochen geschont werden), ohne Rechtshänder Filip Jicha und ohne den Haupttorschützen und Abwehrchef Nikola Karabatic sind die Alternativen im 16-er Kader zwar geringer geworden, trotzdem steht dem Meister aller Klassen noch immer eine exzellente Auswahl mit neun aktuellen Nationalspielern zur Verfügung, die zudem vom Schweden Stefan Lövgren angeführt werden, der 268 Mal für sein Heimatland spielte und vor kurzem seinen Vertrag nach neun Spielzeiten für ein weiteres Jahr verlängerte. Der 36 Jahre alte Kapitän muss wohl am Mittwoch in erster Linie auf der halblinken Position die Rolle von Karabatic übernehmen. Die andere Variante heißt Viktor Szilagy, aber auch der Österreicher gilt nach seiner langen Pause noch nicht als voll belastbar. "Wir haben in der letzten Saison gelernt, dass man nie den Kopf in den Sand stecken soll", sagt Björn Goos, "wir haben bewiesen, dass man auch mit einem kleinen Kader viel erreichen kann." Es sei inzwischen eine Kieler Tugend, dass man immer das Beste aus jeder Situation mache. Für Optmismus sorge zudem der Umstand, dass der Kern der Mannschaft unverändert sei. "Wir sehen deshalb auch am Mittwoch eine realistische Chance, die gute Serie in der Kölnarena zu bewahren", so Björn Goos.
Das Statement von VfL-Trainer Alfred Gislason:
"Dass es gegen den THW Kiel nicht leicht wird, wissen wir. Daran ändert auch die aktuelle personelle Situation nichts. Wir treffen trotzdem auf eine der besten Mannschaften der Welt, die auch die beiden Rechtshänder Filip Jicha und Nikola Karabatic im Rückraum ersetzen kann. Ich rechne außerdem persönlich damit, dass Christian Zeitz am Mittwoch spielt.
Der Kader hat so oder so eine unglaubliche Qualität. Das Erfolgsgeheimnis ist wohl, dass alle Spieler im Angriff und in der Abwehr spielen. So haben sie keine Wechselprobleme und halten das Tempo ständig auf höchstem Niveau. Wenn einer müde wird, kommt der Nächste, und es gibt keinen Qualitätsverlust. Die Mannschaft wurde über Jahre kontinuierlich mit großem Sachverstand verstärkt. Derselbe Trainer sorgt seit fast siebzehn Jahren für eine klare Struktur. Sie machen nur wenige Fehler und sind im Rückraum durch alle Spieler gefährlich.
Das macht es so schwer gegen Kiel. Geht die Abwehr raus, bekommt Kreisläufer Marcus Ahlm den Ball. Bleibt die Abwehr am Kreis stehen, knallt es aus dem Rückraum. Hinten steht die 6-0-Abwehr kompakt und kann sich mit Thierry Omeyer auf einen Supertorwart verlassen, der die freien Bälle hält. Aber es ist müßig, einzelne Spieler zu bewerten. Auf uns wartet auf jeder Position ein Gegenspieler mit Weltklasseformat.
Für uns war natürlich erfreulich, dass die Tour nach Island wie erhofft verlief. Wir haben gegen Reykjavik sofort für klare Verhältnisse gesorgt und uns so Stress erspart. Wir werden immer besser, die Tendenz ist positiv, und die Leistungskurve zeigt nach oben. Die wichtigen Erkenntnis sind: Adrian Wagner macht sich gut auf Linksaußen, Geoffroy Krantz wird immer besser, und bei Momir Ilic ist der Knoten geplatzt. Auch in der Breite des Kaders haben wir zugelegt.
Eine gute Stimmung in der Kölnarena ist am Mittwoch natürlich extrem wichtig, wir brauchen die Unterstützung der Fans. Wir werden alles versuchen."