Ergebnisprotokoll
Erste offene Vereinskonferenz in Halle
geschrieben am: 01.07.2007 11:50 31 Handballverbände und – Vereine aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sprechen sich einstimmig in Halle für die Gründung eines 6. Regionalverbandes aus
Kaum jemand hatte bei der Einberufung der „Ersten offenen Vereinskonferenz“ Anfang Mai 2007 zu hoffen gewagt, dass es am Ende der Zusammenkunft derart klare und vor allem einstimmige Ergebnisse erzielt werden konnten. Denn die mehr als 50 Konferenzteilnehmer einigten sich nach fast dreistündiger intensiver und lebhafter Diskussion darauf, nun alles daran zu setzen, einen 6. Regionalli-gaverband ins Leben zu rufen, der bis auf weiteres als „Mitteldeutscher Handball-verband“ (Arbeitsname) bezeichnet wird. Da jeder vom DHB anerkannte Regio-nalverband eine eigene Regionalliga unterhalten kann, erhoffen sich die Teilneh-mer mit dessen Gründung die Lösung der akuten Probleme infolge der derzeiti-gen Verbandsstrukturen.
Wäre diese Einigung „nur“ unter den anwesenden Vereinsvertretern erzielt wor-den, man hätte sie leicht wegwischen können. Gewicht kommt dieser einstimmi-gen Erklärung aber zu, weil sie erstmals auch von den anwesenden Vertretern der Handballlandesverbände Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens voll mit-getragen wurde. Auch wenn dies erst der erste Schritt auf dem schweren Weg zur Neugründung ist – eine kleine Handballsensation ist dies schon!
Und als wäre diese Erklärung nicht schon als beispiellos genug, konnten die Ver-eine ihren Landesverbänden noch eine weitere verbindliche Zusage abringen. Denn zum Abschluss der Konferenz verpflichteten sich die Landesverbände zu-dem, noch im Juli diesen Jahres zu einem gemeinsamen Arbeitstreffen zusam-men zu kommen, um die zur Gründung eines 6. Regionalligaverbandes nötigen Schritte zu beraten und festzulegen.
Denn die Zeit drängt aus zweierlei Gesichtspunkten:
Vertreter aller Vereine machten zum einen deutlich, dass die aktuelle Regionalli-gastruktur im gesamten Handball, d. h. neben dem Männerbereich vor allem auch im Frauen- und Jugendhandball nicht nur im mitteldeutschen Raum derart große Probleme aufwirft, das über kurz oder lang die weitere Existenz des Hand-balls als Sportart Nr. 2 in Frage gestellt ist, weil sich auf Dauer die Vereine die Kosten der zum Teil aberwitzig weiten Fahrten von mehr als 1000 km nicht mehr leisten können und zudem kaum mehr Nachwuchs und Zuschauer für die Regio-nalligen zu begeistern sind.
Nachdem die Initiatoren Frank Paulat (HCE Halle) und Matthias Berger (HSG Wol-fen) nochmals die tragenden Gründe der gemeinsamen Initiative verdeutlich hat-ten (hierzu sei auf die anliegende PowerPoint-Präsentation verwiesen) nahm die Diskussion Fahrt auf.
Der Vertreter des Frauenregionalligisten Naunhof, Jörg Funke, machte deutlich, dass sich die jährlichen Fahrtkosten seines Regionalligateams auf 16.000 € be-laufen – eine Summe die der Verein zu erwirtschaften nicht länger in der Lage ist. Auch sein Pedant vom HSV Apolda, Harald Dittmann, erklärte, dass „genau diese horrenden Kosten uns bewogen haben, im nächsten Jahr nicht in die Regi-onalliga aufzusteigen.“ Er verwies auch auf den Faktor Zeit: „Ich kann doch un-seren Frauen, die zum großen Teil bereits Familie haben, nicht zumuten, sich das ganze Wochenende nur für ein Spiel im Saarland von ihren Kindern zu verab-schieden. Wir spielen doch nicht in der Bundesliga!“.
Unisono wurde der Fakt, dass aus Thüringen und Sachsen-Anhalt in dieser Sai-son kein einziger Verein bereit ist, in die Regionalliga aufzusteigen, als deutlicher Fingerzeig für den Reformbedarf gewertet. Der Vertreter des LSV Ziegelheim, Harald Moritz, wertete es angesichts dieser Entwicklung als Skandal, dass nun im Südwestdeutschen Handballverband eine Regelung erlassen wurde, nach der ein Verein, der auf sein Aufstiegsrecht z. B. von der Oberliga in die Regionalliga ver-zichtet, vom Verband in die Bezirksklasse (7. Ligaebene!) zwangsversetzt werden kann. „Da wissen einige Funktionäre nicht mehr was sie zu tun“, so Moritz.
Noch dramatischer bezeichneten die Teilnehmer die Lage im Jugendbereich. Während Vereinsvertreter aus Sachsen-Anhalt anhand einer Reihe von plasti-schen Beispielen aufzeigten, welche negativen Auswirkungen die Fahrtzeiten in der Jugendregionalliga Nord auf die Schulausbildung der Kindern hat, beklagten die sächsischen Vereine, dass aufgrund der derzeitigen Regionalligastruktur gleich gar keine Regionalliga im Jugendbereich gebildet werden kann.
Vor diesem Hintergrund appellierten die Teilnehmer auch an den Deutschen Handballbund. Dieser sei aus seinen Statuen heraus verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Handball bundesweit zukunftsfähig aufgestellt ist. Hanno Richter vom SV Hermsdorf: „Ein weiteres Festhalten an den jetzigen Strukturen gefähr-det den Handball in der Breite nicht nur Mitteldeutschland.“
Doch auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus, ist rasches Handeln gebo-ten. Michael Kulus vom Handballverband Berlin und seines Zeichen langjähriges Mitglied der DHB-Strukturkommission zeigte den Anwesen den beschwerlichen Weg auf, der erforderlich ist, um einen neuen Regionalligaverband ins Leben zu rufen. „Der Bundestag des Deutschen Handballbundes muss diesen neuen Regio-nalligaverband per Satzungsänderung aufnehmen. Hierfür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Da der Bundestag bereits in 2008 tagt und zuvor entspre-chende Antragsfristen auch zunächst beim Erweiterten Präsidium des DHB zu beachten sind, ist Handeln ohne Zögern geboten.“
Er erklärte aber im gleichem Atemzug, „dass sich der Handballverband Berlin ei-ner sinnvollen Neustrukturierung wie sie hier heute ins Auge gefasst wird, nicht verschließen werde“ und deute damit an, dass auch Berlin und Brandenburg nicht abgeneigt sind, ggfs. dem neuen Regionalligaverband beizutreten. Für den HV Brandenburg bestätigte dessen Präsident Olaf Ermling diese Position.
Die Initiative ergriff dann der Sächsische Handballverband. „Wir vom Handball-Verband Sachsen erklären hiermit ohne wenn und aber, dass wir von unseren Vereinen den Auftrag haben, gemeinsam mit Thüringen und Sachsen-Anhalt ei-nen neuen, sechsten Regionalverband zu gründen“ und übergab den Initiatoren unter großem Beifall der Vereinsvertreter gleich ein entsprechende Erklärung des Präsidiums.
Dem schlossen sich dann auch die Präsidenten des THV, Wolfgang Birth, und vom HVSA, Eberhard Gläser, an. So erklärte Wolfgang Birth: „Den Willen der hier anwesenden Vereine unseres Bundeslandes können und werden wir nicht ignorie-ren, dass lag auch nie in unserer Absicht.“ Er stellte zudem klar, warum er sich bislang zunächst nur für die Wiedervereinführung der RL-Staffel Mitte ausgespro-chen hatte: „Die Gründung der Mittestaffel war damals der kleinste gemeinsame Nenner und erschien uns angesichts der hohen Hürden einer Umstrukturierung als schneller erreichbar. Jetzt ist die Sachlage dank der Unterstützung der Verei-ne aber eine ganz andere und auch wir sind bereit, diesen Weg zu beschreiten.“
Und auch HVSA-Präsident Eberhard Gläser verwies auf die Notwendigkeit der Vereinsopposition: „Diese Initiative könnte man als zwar ´Revolution von unten` bezeichnen, doch sie ist ungemein wichtig. Als 1998 schon einmal eine Umstruk-turierung im Raume stand, fehlte uns die Unterstützung der Vereine. Ich bin da-her sehr froh, dass nun von den Vereinen diese Initiative ausgeht, die wir vom HVSA gern aufgreifen werden.“
Alle drei Landesverbände verpflichten sich dann, ihre Vereine bis zum 31. Juli über die Ergebnisse ihres Treffens zu informieren und so schnell wie irgend mög-lich auch das Erweiterte Präsidium des DHB über die beabsichtigte Neugründung zu informieren und das Räderwerk zur Anerkennung des neuen Verbandes in Gang zu setzen.
Nicht außer Acht ließen die Konferenzteilnehmer, die Wirkungen der Gründung des 6. Verbandes auf die bestehenden Strukturen. Helmuth Wöbke als Vertreter des leider kurzfristig zur EHF nach Wien beorderten Präsidenten des NHV, Reiner Witte, wies darauf hin, dass es Probleme aufwirft, wenn plötzlich Bremen und Niedersachsen im NHV allein da stehen. „Unsere Initiative darf keinesfalls dazu führen, dass unsere Probleme in andere Regionen verschoben werden“, warnte deshalb Frank Paulat vom HC Einheit Halle.
Die darüber hinaus denkbaren Möglichkeiten zur Lösung der aktuellen Probleme (z. B. eine Wiedereinführung der Staffel Mitte) wurden aufgrund ihrer doch gro-ßen Unwägbarkeiten (ständige Kündigungsmöglichkeit) auch vor dem Hinter-grund sich langfristig gesehen anbahnender Umstrukturierungen in den Bundes-ligen (Stichwort eingleisige zweite Bundesliga) einhellig verworfen.
Im Rahmen der Konferenz warb Fritz Zenk aus Regensburg für seine Idee der Gründung einer Interessengemeinschaft der Regionalligavereine, die vor allem bei anstehenden Staffeleinteilungen nach regionalen Gesichtspunkten ein gewichtiges Wort mitreden konnte. Für seine Idee erhielt auch er Beifall.
Frank Otto appellierte abschließend an die Vereine, jetzt nicht nachzulassen. „Wir alle sind jetzt gefordert, unsere Landesverbände durch unsere Stimme weiter zu unterstützen“.
Er forderte deshalb die Vereine auf, schnell für eine noch breitere Unterstützung zu werben und den Verbänden entsprechende Erklärungen zuzuleiten.
Nicht unerwähnt bleiben soll nicht zuletzt, dass im Vorfeld der Konferenz eine große Anzahl weiterer überregionaler Vereine u. a. aus Bayreuth, Coburg, Ede-wecht, Horneburg oder Waiblingen ihre Zustimmung zur Initiative des HC Einheit Halle erklärt hatten. Ihre Wortmeldungen sind teilweise in der anliegenden Po-werPoint-Präsentation dokumentiert.