Vor vier Wochen wurde Deutschland Weltmeister und Dank des Titels war Handball tatsächlich einmal ganz oben bei den Sportnachrichten platziert. Zwei Tage bejubelten die Sportredaktionen die neu gefundenen Helden. Und viele der Journalisten, insbesondere bei den öffentlich rechtlichen Sendern, die vor der WM das Ereignis eher stiefmütterlich, da nicht Quoten geeignet, behandelten, mahnten die Handballzunft an, die gewonnene Popularität für neuen Schwung zu nutzen.
Am letzten Wochenende haben die deutschen Mannschaften sich gute Ausgangspositionen für die Viertelfinalrückspiele in den europäischen Wettbewerben erkämpft. Gestern hat der deutsche Meister THW Kiel das Champions League Halbfinale bereits erreicht. Nach dem kommenden Wochenende werden womöglich fünf deutsche Mannschaften im Halbfinale der europäischen Pokalwettbewerbe stehen. Erneut kündigt sich eine Erfolgsbilanz an, von der die deutsche Fußballlandschaft nur träumen kann.
Im Prinzip also eine Situation, bei der man erwarten würde, dass eine Sportart, die hierzulande sehr erfolgreich ist, die über Tradition verfügt und auch im Amateurbereich über eine ordentliche Breite an Aktiven verfügt, in der Medienlandschaft eine sichtbare Resonanz findet.
Doch beim Durchstöbern von Print- und Online-Medien stoße auf ganz andere sportliche Highlights der Woche. Ich lese einen seitenlangen Bericht, dass Lukas Podolski im Spitzenspiel Bayern gegen Wolfsburg einen Elfmeter verwandelt hat. Welch herausragende Leistung für einen hochbezahlten Profi! Ich lese, dass es Stefan Effenberg mit seiner Nachbarin treibt. Ich lese, dass sich Jan Ulrich bei einem Interview total lächerlich macht. Ich lese, dass Anni Friesinger nicht beim Weltcup startet, da sie Fieber hat. Ich lese, dass ein ehemaliger HSV-Profifußballer, dessen Namen ich vorher nie gehört habe, in U-Haft sitzt. Ich lese, dass die DSV-Langlauf-Staffel keine Medaille gewinnt und nie eine Chance dazu hatte. Ich finde Berichte über Dallas Mavericks, wo der hoch bezahlte Dirk Nowitzki spielt, Meldungen über David Beckham und Didier Drogba und jede Menge Vorberichte zu den Spielen des nächsten Fußball-Bundesligaspieltages.
Moment bitte. Bin ich hier als Sport treibender und sportbegeisterter Mensch im Allgemeinen und am Handball Interessierter im Speziellen einer Fehlinformation aufgesessen. Gab es da nicht ein paar tolle und positive Nachrichten von den deutschen Handball Bundesligisten. Oh, tatsächlich finde ich doch noch hier und da sogar einen Artikel über den gestrigen Kieler Sieg in der Champions League. Nicht überall und wenn, dann so an achter bis zwölfter Position. Das ist doch wenigstens etwas.
Schon vor der Weltmeisterschaft wussten wir Anhänger der Randsportart Handball, dass zweite Plätze bei Olympia und der Weltmeisterschaft und eine gewonnene Europameisterschaft nicht genug sind, um die deutschen Sportredaktionen für Handball dauerhaft zu begeistern. Und jetzt scheint auch der WM-Titel nicht genug, um ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen. Was fehlt sind Aktaufnahmen von Florian Kehrmann, eine Liaison von Christian Zeitz mit Claudia Schiffer, ein Überfall von Markus Bauer auf die Lemgoer Sparkasse und abstruse Millionengehälter für die Topspieler. Erst dann, wenn neben der Leistung auch endlich richtige Storys geliefert werden, wird wohl der in diesem Forum gern gehegte Wunsch nach Medienpräsenz des guten, alten Handballsports erfüllt.
Aber so ganz sicher bin ich nicht, ob ich mir das wirklich wünsche. Da ist mir der Status Quo mit dem DSF-Spiel der Woche und dem ein oder anderen Hallenbesuch doch lieber.