FA Göppingen in der überregionalen Presse

  • Im neuen Spiegel steht ein schöner Bericht über die Situation in Göppingen: Neue Halle, Zuschauer usw....


    Göppinger Handball-Star Kraus: „Die ganze Halle hüpft, öle, öle"

    Eins, zwei, drei. Oberkörper frei
    Die Begeisterung um die Weltmeister ist auch in Göppingen
    angekommen. Dort spielt das Teenie-Idol Michael Kraus - aber
    wie lange noch?

    Der neue deutsche Handball-Überschwang ist an der Nördlichen Ringstraße in Göppingen zu Hause, gegenüber den Barbarossa-Thermen. Links vom Parkplatz steht das weiße Leichtbauzelt für die Honoratioren, das nur einmal im Jahr abgeschraubt werden muss, wenn die Stadt es für den Maientag braucht. Rechts die Hohenstaufenhalle, die seit 40 Jahren dort steht, Heimat des elffachen Deutschen Meisters Frisch Auf Göppingen mit dem neuen Weltmeister Michael „Mimi" Kraus: eine nüchterne Turnhalle, Neonröhren unter Betonträgern, für Fernsehspiele kommt grüner Gummibelag auf den verschlissenen PVC-Boden.
    Frisch Auf, ein Bundesligist wie ein Wandergruß: Die Prosecco-Schorle kostet 2,50 Büro, im VIP-Zelt sind die Fleischküchle nach altem Hausrezept gratis, vis-ä-vis der Umkleide können die Spieler Wertsachen in hölzernen Fächern verschließen. „Die ganze Halle hüpft, öle, öle", singen genau sechs Mann vom Fanclub „Evergreen". Frisch Auf spielt gegen GWD Minden, es ist die erste Begegnung des Bun-desligisten seit der Weltmeisterschaft. Mit 3976 Besuchern ist die Halle ausverkauft. „Hebet's", rufen die Leute schwäbelnd, wenn der Gegner den Ball besitzt: Haltet sie! Als einem Mindener das Trikot reißt, johlt man: „Eins, zwei, drei - Oberkörper frei!" Erst nach Spielschluss entlädt sich die Begeisterung, als Hunderte neun- bis zwölfjährige Mädchen den Innenraum fluten und ihren Liebling umlagern, Mimi Kraus. In Göppingen ist aus dem WM-Rausch eine Mimi-Manie geworden.
    Kraus, 23, wird vom Schwärm der Teenies hin und her gespült, wie ein Ertrinkender sucht der Spielmacher Schutz hinter dem Zeitnehmertisch. Da nimmt er Platz, abgeschirmt von drei Männern, die Armbinden mit dem Wort „Ordner" tragen. Auch Jutta Ehrmann, eine der beiden Schiedsrichterinnen des gerade zu Ende gegangenen Spiels, steht vor dem Tisch und lässt sich ein Autogramm geben. Sie ist 43 Jahre alt und pfeift seit zehn Jahren Männer-Handball, aber so etwas hat sie noch nicht erlebt. In der Hand hält sie ein Mimi-Kraus-Plakat, das ihn mit entblößtem Oberkörper zeigt. Ein „scheene Buab", sagt sie.

    Kraus ist der Popstar der WM-Mannschaft, Tokio Hotel aus dem Rückraum. Mimi war mit 16 Jahren „,Bravo'-Boy", ein Handball-Model, dessen Stern beim WM-Gruppenspiel gegen Frankreich aufging, als Aushilfe auf der Mittelposition. Nach dem Finale knuffte er den Bundespräsidenten in die Seite. Jetzt ist er zweitpopulärster Göppinger nach Jürgen Klinsmann. „Mimi, wir brauchen dich", steht auf einem Transparent in der Halle.
    Kraus verdient rund 5000 Büro netto im Monat, anderswo in der Bundesliga gäbe es dreimal so viel. Erste Angebote sind da. Frisch-Auf-Manager Andreas Schweickert nutzt den Hype um Mimi in Verhandlungen mit der Stadt. Nur wenn endlich mit dem Ausbau der Hohenstaufenhalle begonnen werde, argumentiert er, könne der Club den Umworbenen halten. Es fehlt der Baubeschluss, die Finanzierung ist unklar.
    Gezielt hat Schweickert nun Termine für Heimspiele in der Stuttgarter Porsche-Arena gebucht. Es, könnte ein Testlauf sein füf «inen möglichen Komplettumzug. In Stuttgart gäbe es Logen zu vermarkten und vielleicht mehr Sponsoren. Für die Gemeinde Göppingen ist das eine Drohung.
    Eigentlich soll Frisch Auf „den familiären Charakter behalten", meint Schweickert. Ihm schwebt eine Partnerschaft mit dem örtlichen Modelleisenbahnhersteller vor. Göppingens Halle könnte dann vielleicht Märklin-Arena heißen, „Spielzüge" ein Slogan für Synergien sein.
    Auch der Mimi, sagt der Marketingmann, müsse „spüren, dass er hier seine Wurzeln hat". Also kreierte der örtliche Bäcker einen Hefeteigkuchen, mit Rosinen und Kraus' Konterfei aus Zuckerguss. Der Weltmeister, Auszubildender bei der Kreissparkasse, sagt, er fühle sich „perfekt wohl". Zu klären sei aber „eine große Summe von Faktoren", damit er bleibe.
    Er hat jetzt die Leistungsnadel in Gold vom Verein, die goldene Ehrennadel des württembergischen Verbandes, den Kuchen. Der Landrat hat seine Laudatio in Reimform vorgetragen. Kraus genießt den Rummel. Die Cousine muss in der Schule ein Referat über ihn schreiben. Seine Mutter hat jetzt ein Freiabo auf Lebenszeit beim Friseur. Bei Ebay bot jemand, vermutlich der Nachmieter, Kraus' Klobrille an.
    Nach dem Spiel stehen im VIP-Zelt die Honoratioren an Bartischen, offensichtlich die Großväter der entrückten Teens, die in der Halle für Mimi toben. Im deutschen Handball-Publikum sieht es aus, als fehle eine Generation. Auch Bernhard Kempa, 86, zweimal Weltmeister im Feldhandball und Erfinder des berühmten „Kempa-Tricks", kommt noch immer zu Frisch Auf ins Zelt. Er hat mal ein Buch geschrieben, es heißt „Ball ist Trumpf". Sie warten auf Mimi, aber Mimi kommt nicht, er ist auf dem Weg zum nächsten TV-Termin.
    Alles muss schnell gehen. In der Zeitung stand, dass Kraus neulich geblitzt wurde und verbotswidrig mit Handy am Ohr in eine Polizeikontrolle geriet. Die Beamten hätten ihn an seiner Goldmedaille erkannt und sich mit einem Erinnerungsfoto zufriedengegeben.
    Doch der Handball-Boom hält nicht ewig. Schon meldete sich die Staatsanwaltschaft. Sie ermittele gegen die Polizisten wegen Strafvereitelung im Amt.



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    DER SPIEGEL 8/2007

    Nachsatz von mir: Ich lese seit üb er 20 Jahren den SPIEGEL wöchentlich als Abbonent, aber es ist das erste mal (so ich mich erinnere), daß ein so langer Bericht über Handball drin steht.....

    Bei Vorbildern ist es unwichtig, ob es sich dabei um einen toten Dichter, um Mahatma Gandhi oder um Onkel Fritz handelt, wenn es nur ein Mensch ist, der ohne Wimpernzucken gesagt oder getan hat, wovor wir zögern.

    Erich Kästner

    5 Mal editiert, zuletzt von Poweruser (18. Februar 2007 um 10:58)

  • Zitat

    Original von Experte
    Geört das nicht in "Handball in den Medien"?

    Auch richtig, ich fand nix anderes. Vielleicht kann das jemand "umlegen".

    Bei Vorbildern ist es unwichtig, ob es sich dabei um einen toten Dichter, um Mahatma Gandhi oder um Onkel Fritz handelt, wenn es nur ein Mensch ist, der ohne Wimpernzucken gesagt oder getan hat, wovor wir zögern.

    Erich Kästner