"Minimalisten-Team"

Hallo Kollegen,

hier mal wieder ein Beitrag von mir:
Vor der letzten Saison 05/06 habe ich nach acht Jahren mit Mädchenmannschaften zum ersten Mal wieder eine männliche Jugendmannschaft übernommen. Das hat zunächst alles super geklappt und eigentlich klappt es auch immer noch gut. In der letzten Saison wurde ich mit dieser männlichen B-Jugend gleich Bezirksmeister, wobei schon die Mannschaft schon damals in der falschen Klasse gespielt hat. Zu viele Spiele konnten die Jungs zu einfach gewinnen. Deshalb wäre damals schon Oberliga angebracht gewesen. Ich vertrete sowieso die Einstellung, lieber Letzter in der Oberliga, als erster im Bezirk.
Die meisten der Spieler von damals sind jetzt altersbedingt in der A-Jugend, die ich als Trainer dorthin begleitet habe.
Leider haben die Jungs, trotz klasse Einstellung, wieder die Quali für die Oberliga knapp verpasst. Das heißt - wieder Bezirksklasse.
Nichts anderes als die Meisterschaft kann da unser Ziel sein. Es gibt in dieser Klasse einen großen Konkurrenten, nur wenig schwächer als wir. Der Rest der Bezirksklasse kann man mit 15 guten Minuten schlagen.
Nur leider haben das jetzt auch meine Spieler bemerkt. In den letzten Spielen ruft die Mannschaft wirklich nur noch in 10 bis 15 Minuten pro Spiel ihre Leistung ab. Nur in dieser Zeit wird in der Abwehr einigermaßen mit Willen und Einsatz gespielt, in der restlichen Zeit könnte man auch gut und gerne sechs Pylonen hinstellen. Diese würden genau so gut stehen. Da die Mannschaft im Angriff sehr stark ist, bleiben die Spiele meist ausgeglichen, bis die Jungs sich irgendwann mal entschließen, 10 Minuten Abwehr zu spielen. Das Problem ist, das reicht denen immer!
Ich - und wahrscheinlich auch ihr - sehe da halt folgende Probleme:

kurzfristig: Im Rückspiel gegen den direkten Konkurrenten (Hinspiel 30:31 gewonnen) wird diese Spielart so in den Spielern stecken, dass es schwer werden wird, den Schalter wieder umzulegen => Niederlage und Meisterschaft verpasst...
langfristig: Die Spieler sind allesamt talentiert und können es kurz- oder mittelfristig in die Landesligamannschaft packen. Hierzu muss sich aber an dieser Einstellung dringend etwas ändern.

Sicherlich, die einfachste Lösung wäre gewesen, wir hätten die Quali zur Oberliga gepackt, aber das kann man jetzt nicht mehr ändern.

Damit ihr mich nicht falsch versteht, ich habe weiterhin einen guten Draht zu dieser Mannschaft, die Einstellung im Training und zu Training stimmt. Große Teile der Mannschaft trainieren in den Seniorenmannschaften mit und kommen auch regelmäßig in der ersten und zweiten Mannschaft zu Einsätzen. Und sie sind in den Spielen auch motiviert. Aber sie packen es einfach nicht (und haben es das letzte Mal in der Quali geschafft), in ihren Punktspielen kämpferisch konstant gut zu spielen.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen oder Tipps, bin ein wenig ratlos.

ja klar, so sehe ich das auch. Für was gibt es die Quali? Natürlich haben sie die nicht geschafft, deshalb spielen sie verdient auch nicht in der Oberliga. Nur glaube ich, dass wir oben durchaus mithalten hätten können. Die beiden Teams, die sich aus unserem Bezirk qualifiziert haben, sind unter den ersten vier zu finden und wir haben in der Quali beide Teams einmal geschlagen. Leider die beiden Auswärtsspiele deutlich verloren.
Aber da kann man nichts machen, das ist halt so.
Was mir halt fehlt, ist eine Klasse zwischendrin, in die wir eigentlich reingehören.

Spieler, die bisher wenig zum Einsatz gekommen sind, gibt es nicht. Habe gerade mal einen Kader von acht Feldspielern. Der Rest wird mit B-Jugendlichen aufgefüllt, die zwar von ihrem Talent her (die B-Jugend hat es in die OL geschafft) ohne Probleme mitspielen können, aber sich dem "Schlendrian" der anderenziemlich schnell anpassen.

Ich versteh zwar was du meinst, aber es gibt meiner Meinung nach da ein sehr großer Unterschied zwischen Jugend- und Erwachsenenmannschaften. Im Erwachsenenbereich steht letztendlich der Erfolg an sich im Vordergrund. Hier zählt, was ist, fertig, aus, Amen.

Im Jugendbereich ist das nicht so. Hier ist es wichtig, dass die Jugendlichen und auch schon die Kinder gefördert werden. Und zwar indem sie weder über- noch unterfordert werden. Meine Jungs werden in der Bezirksklasse definitiv unterfordert. Glücklicherweise können die meisten - zumindest die, die es zu was bringen wollen - sowohl in der ersten Mannschaft (Landesliga) als auch in der zweiten Mannschaft Spielerfahrungen im Seniorenbereich sammeln können. Komischerweise bringen sie dort ganz andere Leistungen (vor allem in der Abwehr).
Ich habe gestern im Training das Thema mal angesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass sie selbst ein wenig erleichtert waren, dass ich das mal angesprochen habe - und sie sehen ihre Leistungen selbst sehr kritisch.
Das ist denke ich der erste Weg zur Besserung. Am Samstag spielen wir, mal wieder gegen einen schwächeren Gegner. Mal schaun, ob sich die "Krisensitzung" bemerkbar macht.
Desweiteren habe ich mir fest vorgenommen, im Training etwas anzuziehen, das sollte auch was bringen.

Wie sagt der Kaiser: "Schaun mer mal!"

EDIT: Ach ja, wahrscheinlich hast du mich auch falsch verstanden. An der hier entstandenen Situation gibt es nichts zu rütteln. Das mit der Zwischenliga wäre lediglich die Optimallösung für die Jungs, die es aber definitiv nicht gibt.
Nur, geht es jetzt darum, das beste daraus zu machen. Was ist das Beste? Es ist für mich einfach ein unbefriedigendes Ziel, mit einer Jugendmannschaft unbedingt Meister werden zu wollen. Ich will - und das sollte das primäre Ziel eines jeden Jugendtrainers sein - die Jungs möglichst gut auszubilden. Ob das geht, wenn jedes Spiel nur mit halbem Aufwand gewonnen wird, erscheint wohl nicht nur mir fraglich.
Das mit der Zwischenliga habe ich nur angeführt, um die Situation zu klären, in der ich mich als Trainer befinde - zu schlecht für die Oberliga, zu gut für die Bezirksklasse!

Hi Zickenbändiger,

mal sehen, wie lang ichs ohne "Zicken" aushalte

Wie du schon erwähnt hast, sehe ich in den beiden Standpunkten keinen Widerspruch. Zur Ausbildung gehört meiner Meinung auch, dass die Spieler lernen, wie man wichtige Spiele gewinnt (zumindest in den älteren Jahrgängen gehört das dazu).

Ich brauche die Bezirksmeisterschaft nicht unbedingt für die Quali, das spielt keine Rolle. Ich brauche sie auch nicht unbedingt für mein Ego.
Nur, wie soll ich das verhindern? Bei einem Kader von acht Feldspielern, "schmoren" höchstens zwei Spieler auf der Bank, und sehr große Leistungsunterschiede sehe ich in dem Team auch nicht.

Nur, sie werden jetzt dann alle 18 (manche sinds schon), ich versuche etwas, an ihre Vernunft zu appelieren, in jedem Spiel alles zu geben. Denn sie wollen es zu etwas bringen und da hilft nur das.
Ich warte jetzt mal das morgige Spiel ab, dann werde ich sehen, wie ich weiter verfahren kann.

Die können erste und zweite Mannschaft spielen. Es gibt also auch tatsächlich Partien, in denen sie gefordert sind.
Am letzten Samstag haben wir, man glaubt es kaum, als ungeschlagener Tabellenführer zum ersten Mal wieder weniger als 30 Gegentreffer gefangen. Endergebnis 32:23. Im Angriff lange nicht unser bestes Spiel, aber wenigstens der Kampfgeist in der Defensive war wieder etwas da.