Training im Schlaf
Das Geheimnis des Klarträumens
Träumen wir nicht alle davon, im Schlaf zu lernen? Was utopisch scheint, gibt es aber wirklich. Ein Sportwissenschaftler der Universität Heidelberg untersucht die Möglichkeit, Bewegungen im nächtlichen Traum zu erlernen. Machbar wird dies durch die Fähigkeit einiger weniger Menschen, "klar zu träumen". Dabei sind die Schlafenden in der Lage, ihre Träume so zu gestalten, wie sie es wollen.
Was bedeuten unsere Träume
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UB Heidelberg: Dissertation von Daniel Erlacher
Klartraum.de
Neurobiologische Schlafforschung, MPG
Im Klartraum oder auch im luziden (von lateinisch lux für Licht) Traum ist sich das so genannte Traum-Ich bewusst, dass es träumt. Es kann sogar steuernd in das Traumgeschehen eingreifen. Einige Forscher haben herausgefunden, dass Bewegungen im Traum trainierbar sind. Als einziger Wissenschaftler in Deutschland untersucht Dr. Daniel Erlacher von der Universität Heidelberg genau dieses Phänomen.
Motorisches Lernen
Nicht viele Menschen verfügen über die besondere Fähigkeit des Klarträumens. Einige können im Traum Dinge, die in Wirklichkeit völlig unmöglich sind, wie etwa fliegen oder durch Wände gehen. Daniel Erlacher ist Sportwissenschaftler und hat sich diese Kunst selbst angeeignet. Für ihn ist die spannende Frage dabei, ob sich das Klarträumen auch für das Wachleben nutzen lässt. Können beispielsweise Sportler im Schlaf trainieren? Ein ideales Thema für seine Doktorarbeit, die er kürzlich an der Universität Heidelberg abgeschlossen hat.
In seiner Arbeit mit dem Titel "Motorisches Lernen im luziden Traum: Phänomenologische und experimentelle Betrachtungen" untersucht Erlacher, was im Körper seiner klarträumenden Probanden passiert. Gelingt es seinen Testpersonen, die Handlung im Traum zu kontrollieren, wäre es vielleicht auch möglich, komplizierte Bewegungsabläufe gezielt zu trainieren. Die Sportler könnten dann quasi im Schlaf ihre Leistung verbessern.
Test im Schlaflabor
Eine von Erlachers Testpersonen ist der Klarträumer und Leichtathlet Martin. Im Schlaflabor soll er kleine Aufgaben im Traum erledigen. Dazu ist Martin mit Elektroden verkabelt. Diese sind verbunden mit einem Computer, der Hirnströme, Muskelaktivität, Puls, Atemfrequenz und vor allem die Augenbewegung aufzeichnet. Sobald er klarträumt, soll er ein Signal geben, das die beiden zuvor vereinbart haben. Da sich nur die Augenmuskeln im Traum bewegen lassen, will Martin versuchen, sobald er klarträumt, mit den Augen ein Zeichen zu geben.
Für Erlacher stellt sich nun die Frage, ob es ihm gelingen kann, mit dem Träumenden während des Traums direkt in Kontakt zu treten und ihm sogar gezielte Anweisungen für ein Training mitzugeben. Und tatsächlich gibt Martin den vereinbarten Wink. Eine deutliche Augenbewegung aus dem Traum heraus: die Pupille bewegt sich zwei Mal hin und her, also Links-Rechts-Links-Rechts. Nun kann Erlacher mit dem abgesprochenen Programm beginnen.
Im Schlaf macht Martin Kniebeugen.
Schlafend aus der Puste
Martin soll Kniebeugen machen, da die Übung im Wachzustand viel Kraft kostet. Jetzt können nur die Daten auf dem Monitor bezeugen, ob die geträumten Übungen auch körperlich auf Martin wirken. Äußerlich sieht man ihm nichts an, er liegt ruhig schlafend im Laborbett. Die Kurven auf dem Bildschirm zeigen es aber eindeutig: Martins Puls steigt, ebenso seine Atemfrequenz. Die Nervenzellen im Gehirn feuern Signale ab, so als würde er tatsächlich Sport treiben. Martin leistet fast die optimiale Simulation. Der einzige Unterschied ist jedoch, dass im Rückenmark der Körper die Signalübertragung unterbricht. In Armen und Beinen kommen die Befehle aus dem Gehirn nicht an und bleiben daher ruhig.
Der Nachweis, dass das nächtliche Training tatsächlich einen körperlichen Effekt hat, ist damit erbracht - für Daniel Erlacher ein voller Erfolg. So hat er Ende Oktober für seine Forschungsarbeit den renommierten Wissenschaftspreis der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft erhalten. Erlachers Vermutung geht aber noch einen Schritt weiter: Wenn jemand im Traum trainiert, dann - so erwartet er - müsse der Sportler auch im Wachzustand bessere Resultate bringen. Darauf weisen die ersten positiven Ergebnisse.
Proband zur Traumforschung am MPI für Psychiatrie
Dem Träumen zusehen
Die Forschung ist den Träumen immer weiter auf der Spur. Am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie läuft zur Zeit ein einmaliger Versuch. Die Wissenschaftler wollen das Gehirn beim Schlafen und Träumen beobachten. Dazu kombinieren sie erstmals mittels simultaner Messung das klassische EEG mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT). Für die Probanden ist die Untersuchung ungefährlich. Strahlen sind sie nicht ausgesetzt, nur einem starken Magnetfeld. Aber es ist sehr laut in der Röhre. Um einschlafen zu können, sollen die Versuchspersonen daher vor dem Versuch zwei Nächte lang wach bleiben.
Die Traumforscher werten erste Daten aus.
Die tomographischen Bilder des Gehirns während des Schlafens zeigen deutlich, welche Regionen aktiv sind. An den EEG-Kurven erkennen die Forscher, in welcher Schlafphase sich der Proband gerade befindet. Im nächsten Schritt müssen sie diese Schlafphasen den Kernspinbildern zuordnen. Die Forscher sind sich sicher, dass sie irgendwann wissen werden, welche Hirnareale in den Traumepisoden des Schlafs für emotionale Träume zuständig sind. Sie hoffen auf Bilder, die ihnen ganz genau erschließen, wo sich etwas während des Schlafs und in den Träumen im Gehirn tut.
Noch sind die Experimente am Münchner Max-Planck-Institut in der Anfangsphase. Viele Testschläfer müssen sich in Zukunft noch dem aufwändigen Experiment aussetzen.
von Anne Hartmann
Quelle: zdf.de