Der Doc ist wieder im Geschäft

  • Vom Feindbild zum Feuerwehrmann

    Jürgen Gerlach soll die Mainzlarer Handballerinnen vor dem drohenden Abstieg retten

    VON ANNETTE SEITZ


    Die Mimik, die Gestik, die Wutausbrüche - alles ist so, wie es immer war. Jürgen Gerlach tobt, Jürgen Gerlach schimpft, Jürgen Gerlach leidet - so, wie er das stets getan hat, wenn er als Trainer des TV Lützellinden an der Seite stand. Nur dass der einstige Handball-Meistercoach nicht mehr die Gießenerinnen coacht, sondern am Samstag als neuer Trainer des mittelhessischen Erzrivalen TV Mainzlar sein Debüt in der Zweiten Bundesliga gab.

    Zahlreiche nationale und europäische Titel hat der 59-Jährige mit Lützellinden geholt. Die Mittelhessinnen waren die Nummer eins, bis sie 2004 aus finanziellen Gründen die Bundesliga-Lizenz nicht mehr erhielten und mittlerweile sogar aus der Bezirksoberliga zurückgezogen haben. Jetzt, nachdem er zuletzt unter anderem die A-Jugend des TV Lützellinden gecoacht hatte, ist Gerlach wieder da. Dass er seine Bundesliga-Rückkehr aber ausgerechnet als Trainer des TV Mainzlar feiert, ist eine Sensation.

    Ausgerechnet Mainzlar, der ungeliebte Nachbar, der in Lollar residiert, nur ein paar Kilometer von der Gießener Sporthalle Ost entfernt, der Heimstätte des TV Lützellinden, holte den Orthopäden als Nachfolger für den unter der Woche geschassten Iljo Duketis. Ausgerechnet jenen Klub soll Gerlach vor dem drohenden Abstieg in die Drittklassigkeit retten, für den er selbst nie mehr als ein spöttisches Lächeln übrig hatte. Das, was noch vor einigen Jahren als undenkbar galt, wurde am Samstag Wirklichkeit. Und als ob die versammelte mittelhessische Handballgemeinde sich mit eigenen Augen überzeugen wollte, ob das Unmögliche wirklich möglich ist, strömten die Massen zum Spiel gegen die TuS Metzingen in die Halle und ließen keinen Sitzplatz mehr frei. 400 Zuschauer zählte der ehemalige langjährige Vorsitzende Karl-Friedrich Zecher - Saisonrekord. "Die Reizfigur Gerlach hat uns die Halle gefüllt", so Zecher.

    Die Zuschauer mussten allerdings erleben, dass der Doc, wie der Orthopäde Gerlach auch genannt wird, kein Wunderheiler ist. Hielten die Mainzlarerinnen am Anfang noch gut mit, ging ihnen später die Puste aus. Mit 27:37 (16:14) verloren sie das Spiel. Gerlach, so viel ist klar, steht noch eine Menge Arbeit ins Haus, möglich, dass der eine oder andere Neuzugang noch geholt wird.


    "Mir war vorher sicherlich mulmig"

    "Wir haben enorme Defizite in Deckung und Konterspiel, aber die Mannschaft hat Charakter bewiesen", sagte der Coach, der sich vor der sportlichen Analyse übers Hallenmikro in hoher Diplomatie versuchte: "Ich möchte mich bedanken, dass Sie mich so freundlich aufgenommen haben, das war sehr fair vom Publikum. Mir war vorher sicherlich mulmig." Das ist freilich nur zu verständlich. Galt doch der Trainer, fachlich unumstritten, menschlich aber nicht, als Feindbild Nummer eins in Mainzlar. Für viele Anhänger wird er das auch bleiben. So sollen nach Bekanntgabe der Verpflichtung vereinzelt Dauerkarten zurück gegeben worden sein. Die Diskussionen, ob der einstige Lieblingsfeind angesichts der desolaten Lage der Mainzlarerinnen verpflichtet werden soll, seien auch hart geführt worden, bestätigt Zecher: "Jeder von uns musste bis zu einem gewissen Grad über seinen Schatten springen. Die einen mehr, die anderen weniger." Am Ende haben wohl die Stimmen überwogen, die Gerlach als Einzigen sahen, der die Karre noch aus dem Dreck ziehen kann. Wobei die Mainzlarer Entscheidungsträger bei einem Engagement Gerlachs, neben der Sicherung des mittelhessischen Handball-Standortes, auch die Möglichkeit im Blick hatten, den Kader mit Talenten aus der A-Jugend des TV Lützellinden zu ergänzen.


    Quelle: Frankfurter Rundschau

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  • Gut eine Woche nach dem Trainerwechsel können die Verantwortlichen des Zweitbundesligisten TV Mainzlar bereits die ersten Neuzugänge verkünden. Seit dem 20.01.2006 sind die ehemaligen Lützellindener Spielerinnen Miroslava Ritskiavicius und Anja Groschopp (geborene Unger) für die Staufenbergerinnen spielberechtigt. Während Ritskiavicius bereits beim heutigen Auswärtsspiel in Zwickau dabei sein wird, ist noch unklar, ob Anja Groschopp die Fahrt nach Zwickau antreten wird. Spätestens aber zum nächsten Spiel wird auch Groschopp einsatzbereit sein.


    Am gestrigen Abend fand in der Stadthalle Staufenberg die öffentliche Vorstellung des neuen Trainers Dr. Jürgen Gerlach statt. Gerlach präsentierte sein Konzept und beantwortete im Anschluß ausführlich die Fragen der Anwesenden. Für Gerlach gab es zwei Gründe, als Trainer beim TVM zu arbeiten: "Zum einen wäre es schade, wenn der Frauenhandball in Mittelhessen verschwinden würde und zum anderen habe ich in Lützellinden wohl die letzten Talente im hessischen Handball. Davon sind bestimmt acht Spielerinnen, die ohne weiteres 2. Liga spielen können."
    Gerlach sieht erhebliche Defizite seiner Mannschaft im konditionellen Bereich, hier könne aber durch intensive Arbeit 20-30 % zugelegt werden. Die Mannschaft hat sich bereiterklärt, öfter zu trainieren und wird nach Gerlachs Ansicht durch die Arbeit den Spaß wiedergewinnen und dadurch besser spielen und auch wieder erfolgreich sein. "Wir müssen ganz einfach die Klasse halten". An diesem Ziel arbeiten neben der Mannschaft und dem Trainer auch alle Verantwortlichen und Helfer des TV Mainzlar. "Das Umfeld stimmt hier in Mainzlar. Hier gibt es so viele ehrenamtliche Helfer, ohne die das alles nicht möglich wäre", sagte Gerlach. Auch bedankte er sich nochmals bei allen dafür, dass er sehr fair aufgenommen wurde.


    handball-world

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  • Ich muß den Gerlach mal in Schutz nehmen(wer hätte das gedacht):
    Er sprach definitiv von den letzten "heimischen" Talenten, von "hessischen" war nicht die Rede. Die Aussage bezog sich darauf, diesen Talenten eine Perspektive im heimischen Raum, also in Mittelhessen zu geben.
    Sicher gibt es auch in Nord und Südhessen guten Nachwuchs.

  • noch ein trainer:

    Das stimmt nur bedingt,Lützelinden hat immer erfolgreiche A- und B-Jugendmannschaften gehabt ,die auch um die Deutsche Meisterschaft mitgespielt haben und zumindest teilweise von Gerlach trainiert wurden,aber was er mit Sicherheit nicht hatte, war die Geduld, sie in seine erste Mannschaft einzubauen.Trotzdem fallen mir jetzt in der 1.und 2.Bundesliga auf Anhieb 5-10 Spielerinnen ein, die aus der Lützelindener A-Jugend kommen.
    Aber jetzt kann er ja das Gegenteil beweisen,da man in Mainzlar definitiv kein Geld hat ,um fertige Spielerinnen zu kaufen wird er auf seine Talente zurückgreifen müssen.
    Geben wir ihm also eine Chance zu beweisen das er es doch kann,Mainzlar (siehe Tabelle) hat ja nichts mehr zu verlieren.

  • :) aber zugeben muss man ehrlicherweise dann doch, dass diesen beiden eine gewissen stabilität in das ganze, vor allem die abwehr, bringen...und die verjüngung kommt dann ja ab dem nächsten jahr, wenn die a-jugendlichen soweit sind. JETZT kann s ja nur heissen: klassenerhalt um jeden preis....und das scheint nur mit den alten zu funktioneren.... ;(

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  • Erstmal gehts ums nackte Überleben in der 2.Liga,wenn man den mit einer Seniorenmannschaft mit Durchschnittsalter 60 Jahre schaffen könnte, dann wäre das auch recht, in der jetzigen Situation zählt nur die Leistung auf dem Feld. Eine Verpflichtung der beiden stand übrigens schon im Raum, bevor Gerlach nach Mainzlar kam.
    Erst wenn der Klassenerhalt gesichert ist, kann man mit dem Verjüngen anfangen,
    Außerdem gehts ja nicht ums Verjüngen an sich,sondern darum endlich durch bessere Nachwuchsarbeit in der Region gute Spielerinnen zu "produzieren",statt welche von irgendwo kaufen zu müssen, die man sich nicht leisten kann und die einem eventuell auch nicht weiter bringen,wie man in Mainzlar in der letzten Bundesligasaison ja erfahren mußte.
    Ob Gerlach dafür der Richtige ist,darf gerne bezweifelt werden, aber beurteilen kann man das erst in 1-2 Jahren, falls es solange gutgeht.

    "Gerlachs Talente" sind übrigens 15-17 Jahre alt, die kann und darf man keinesfalls schon jetzt in der 2.Bundesliga verheizen, sondern man muß sie langsam heranführen.2-3 davon könnten eventuell in der nächsten Saison den Sprung in die 2.Liga schaffen, wenn der Klassenerhalt in Mainzlar gelingt,in diesem Alter ist man ja darauf angewiesen, das man neben der Ausbildung wohnortnah trainieren und möglichst hochklassig spielen kann,dazu muß man in Mainzlar aber erstmal einen angemessenen Unterbau zur 1.Mannschaft schaffen(die 2.spielt in der BezirksligaA !)

  • Zitat

    Original von Nocheinmainzlarer
    (...) aber beurteilen kann man das erst in 1-2 Jahren, falls es solange gutgeht.

    beurteilen kann man das - wenn ich dich richtig verstanden habe - in 10-12 jahren. dann wären die heutigen minis reif. ;)

  • Zitat

    Original von Nocheinmainzlarer
    "Gerlachs Talente" sind übrigens 15-17 Jahre alt, die kann und darf man keinesfalls schon jetzt in der 2.Bundesliga verheizen, sondern man muß sie langsam heranführen.

    Das kann man getrost auch anders sehen. Wenn das denn echte Talente sind sollten sie ohne weiteres in der zweiten Liga bestehen können. Blomberg-Lippe setzt schon seid Jahren A-Jgd. Spielerinnen in der zweiten Liga ein. Oft sogar schon in ihrem ersten A-Jgd.-Jahr.

    Oder in diesem Jahr in der ersten Liga die 17-jährige Frederike Lütz (BVB). Die macht da sehr ordentliche Spiele und hat den Sprung direkt aus der BVB-A-Jgd. geschafft.

    Wenn Gerlach wirklich so gut ausbildet, sollte schon die eine oder andere Spielerin in der zweiten Liga spielen können.

    Grüsse
    Rolf

    Wer nur zurückschaut, sieht nicht, was auf ihn zukommt

  • Andere Frage: Warum verläßt ein heimisches Talent wie Julia Wenzel den mittelhessischen Raum - wenn doch dort der Ober-Talentförderer regiert?

    Wenn ich mir widerspreche, warum widersprechen Sie mir dann?

  • aber angeblich ist die infrastuktur beim tvl besser als in erfurt, da müssen die kinder mit der bahn ins training fahren, jawoll, hier werden sie mit dem auto gebracht! :baeh:

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