Stoiber und die Ossies

  • ich komme aus dem, was mal "SBZ" war, um mal mit gottfrieds worten zu reden und ich bin weder frustriert, noch dumm, noch verlange ich von der BRD, dass sie mir gefälligst eine festanstellung bereitet. UM GOTTES WILLEN!!! ich studiere, habe 2 nebenjobs, die super viel spaß machen und zeit für meinen freund.
    ich setz mich für meinen erfolg also selber hin und erwarte gar nichts von gar niemandem!
    so, und nun wäre es an der zeit, die scheiß beschissenen vorurteile, denen ich mich immer wieder ausgesetzt fühle, abzuschaffen.
    Keine angst, ich wähle nicht die linkspartei, auch, wenn ich aus dem "dummen, frustrierten osten" komme, was, wie so ziemlich alles, was man immer so über den osten glaubt, zu wissen, nicht zu pauschalisieren ist.

    liebe grüße
    Julia

    • Offizieller Beitrag

    Ich hätte mir in dem ganzen Zusammenhang von Edmund Stoiber etwas mehr Ehrlichkeit gewünscht.

    Da geht im der Gaul durch und er treibt eine polemische Hetzrede und will dann anschließend kleinlaut nichts mehr davon wissen.

    Die Ausrede mit den Frustrierten (angeblich Lafontaine und Gysi) kommt bei vielen noch relativ gut an. Aber hat er wirklich diese beiden gemeint?

    Für mich ist es nur ein schlechter Erklärungsversuch, denn tatsächlich sagte er ja auch es dürfe nicht sein dass die Wahl wieder im Osten entschieden werde.

    Vielleicht gehen in Bayern die Uhren wirklich anderst, aber ich habe verstanden was E. Stoiber meinte. Im Süden dürfen Wahlen entschieden werden, im Osten nicht.

    Aber unter einer Auseinandersetzung mit der Linkspartei verstehe ich etwas anderes - aber hier kneift er vor dem Mediengenie Oskar Lafontaine.


    Allerdings verstehe ich die Kritik bezüglich "nur die dümmsten Kälber..." nicht, denn damit hat Stoiber echte demokratische Bildung bewiesen:

    Denn dies stammt inhaltlich von Bert Brecht als Antwort auf das Horst-Wessel-Lied

    Zitat

    Und was gegen rechts (Nazis) erlaubt war / ist darf man auch gegen links benützen.

  • Zitat

    Original von juju
    ich komme aus dem, was mal "SBZ" war, um mal mit gottfrieds worten zu reden und ich bin weder frustriert, noch dumm, noch verlange ich von der BRD, dass sie mir gefälligst eine festanstellung bereitet. UM GOTTES WILLEN!!! ich studiere, habe 2 nebenjobs, die super viel spaß machen und zeit für meinen freund.......

    liebe grüße
    Julia

    das ist wie beim handball. viele flensburger fans sind auch keine ultras und ticken normal. gottfried hat nicht die gesamtheit der ossis gemeint.

    nur gehe ich nach dem ausgang der landtagswahlen und den hochrechnungen auch davon aus, dass ca. 1/3 der bevölkerung im osten ein wertebild hat, welches dem meinen in einer solchen weise gegenüber steht, dass ich mir schon meine gedanken mache und auch angst bekomme.

    Gottfried

    Zitat

    Meiner Meinung nach fehlt immer noch die Auseinandersetzung in der ehemaligen DDR mit der ehemaligen DDR; nicht daß man den Menschen dort ihr ganzes Vorleben vorhält, wie dies bislang besserwessihaft geschehen ist, sondern daß man auch mal klar und deutlich macht, daß die DDR von den Personen und Systemansätzen in den Abgrund gestürzt wurde, denen heute heuchlerisch-nostalgisch wieder Lafontaine, Gysi, Bisky und wie sie alle heißen mögen, nachfolgen.

    darüber habe ich auch lange nachgedacht und bin zu dem schluss gekommen, dass eine ehrlich und persönlliche abrechnung für die meisten menschen zu hart ist und daher die vergangenheit idealisiert wird.

    ich sehe das in meiner direkten verwandschaft. die wurden im alter von ca. 45 von der wende betroffen. das tiefere nachdenken über die "verschenkten" lebensjahre in bezug auf die ökonomische bewertung muss ein schock gewesen sein.

    ich nehme mal als beispiel meine mutter. die war lehrerin. ich kann mich erinnern, dass sie noch mitte der 80er jahre einen russischen schwarz-weiß-fernseher in vielen monatsraten abgestottert hatte.
    materiell gesehen war wohl jeder mcdonalds-verkäufer im westen besser gestellt als ein lehrer im osten.
    so stellt also eine ganze generation fest, dass die ganze buckelei, die jahre warterei auf den trabbi, die vielen stunden arbeit in der arbeiter-wohn-genossenschaft für die eigenen vier wände, nicht hätten sein müssen, wenn man einfach nur im westen geboren wäre.

    dies wohlgemerkt nur im vergleich an den rein materiellen indikatoren des wohlstandes. ob das leben im westen nun glücklicher gewesen, da der wohlstand einfacher zu erreichen war, steht ja auf einem anderen blatt.

    ich persönlich würde meine kindheit in der ddr auch als durchaus interessant beurteilen. mir hat das pionierlager spass gemacht und sport konnte man sowieso ohne ende machen.

    doch letztlich werden sich viele leute im osten fragen, wo sie jetzt stehen könnten, wenn sie ihre fertigkeiten in einen normale karriere im westen eingebracht hätten.

    sich einzustehen, dass 20 jahre arbeit im kosten-nutzen-verhätnis für den arsch waren, ist ziemlich hart. wenn dann die leute noch direkt in die arbeitslosigkeit wandern und keine chance haben, diesen "rückstand" je aufzuholen, ist der psychologische super-gau perfekt.

    das beispiel mit bautzen zieht meiner meinung nach nicht.
    die betroffenen fälle waren keine signifikante masse. ich denke eher, dass sich das bild im kopf festgesetzt hat, dass im vergleich zu den gulags in der SU, das ganze ein kindergarten war. politische inhaftierungen wurden in der ddr seit den 70er jahren ja eher selten. die widerspenstigen wurden aus ihren jobs gedrängt und mussten sich unter dem dach der kirche oder als malocher einen lebensunterhalt verdienen. das war aber in den 80er durchaus auch attraktiv.

  • @ Lord Vader

    Zitat

    Die Ausrede mit den Frustrierten (angeblich Lafontaine und Gysi) kommt bei vielen noch relativ gut an. Aber hat er wirklich diese beiden gemeint?

    Wen soll er sonst gemeint haben außer diesen beiden Demagogen? Den ganzen Osten, wie ihm vorgeworfen wird, sicher nicht.

    Zitat

    Ich hätte mir in dem ganzen Zusammenhang von Edmund Stoiber etwas mehr Ehrlichkeit gewünscht.

    Nun, wenn man Stoiber sei seinen Auftritten beobachtet, dann wünscht man sich manchmal, daß er nicht so offen und ehrlich seine Meinung äußert wie er es nun getan hat. Unehrlich und polemisch ist das Verlangen der SPD-Ministerpräsidenten (ich wußte gar nicht, daß es sowas noch gibt), von ihm eine Entschuldigung einzufordern.


    @ Wieland

    Klasse Beitrag. Ich kenne auch Leute im Alter von damals knapp 40, die nach der Wende feststellen mußten, daß ihnen einfach die gesamte Jugend verloren gegangen ist, was Urlaubsreisen, schnelle Autos, flotte Hifi-Anlagen betrifft. All das, was im Westen eben so selbstverständlich war und ist. Eine "verlorene Generation" mag man denken.

    Klar, nach der Wende haben sich hier viele schief gelacht, was "Ossis" ihnen für ihre gebrauchten Schrottkarren geboten haben. Man hat den Konsum in den Osten exportiert, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sich das eigentlich von selbst finanziert.

    Man hat ja schon fast vergessen, daß der Solidaritätszuschlag anfangs eingeführt wurde, um die Kosten der Wiedervereinigung dem Volk aufzubürden, und daß dieser schon nach kurzer Zeit wieder abgeschafft wurde, weil man dachte, daß die kurze Anschubfinanzierung ausreichen würde. Pustekuchen. Heute ist schon gar nicht mehr an die Abschaffung dieser Sondersteuer zu denken (im übrigen zahlen ja auch die "Ossis" den Soli, um mal mit dem beliebten Vorurteil aufzuräumen, es sei eine reine West-nach-Ost-Transfer-Steuer).

    Ebenso leichtfüßig hat Kohl seinerzeit den Zwangsumtausch von Ost- zu Westmark im Verhältnis 1 zu 1 durchgedrückt. Es ging total unter, daß der damalige Bundesbankpräsident aus Protest dagegen zurückgetreten ist, weil er die wirtschaftliche Unsinnigkeit dieser Maßnahme gesehen hat. Nur: Wer hätte es denn politisch verantworten wollen, den "Ossis" für ihre Ostmark nur 10 Westpfennig in die Hand zu drücken und ihnen so zu signalisieren, daß sie die armen Verwandten sind?

    Witzig finde ich die Aussage von "Wessis", daß es im Osten doch sowieso viel schönere Straßen gibt als hier im Westen. Na, hätte man die Straßen denn nur halb sanieren sollen, daß sie danach immer noch aus einer Reihe von Schlaglöchern bestanden hätte? Nach dem Motto "Damit Du nicht vergißt, daß Du aus dem Osten kommst, haben wir Dir schöne moderne Schlaglöcher in die Bundesstraße gemacht :pillepalle:?

    Was aber noch viel schlimmer war und sich heute bemerkbar macht, war der Export unseres Anspruchsdenkens in den Osten. "Sorge Dich nicht, der Staat regelt das für Dich". Gerade im Osten wäre man sicherlich eher bereit gewesen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, nachdem man bei der DDR sehen konnte, daß der Staat innerlich ausgeblutet war, wirtschaftlich am Ende, die Straßen im Eimer, Gebäude abbruchreif etc.

    Nein, hier hat man - auch mit viel Geld - Dinge versaubeutelt und der Vorwurf geht eindeutig an die "Wessis" wie mich, die Einheit nicht als Aufbruch genutzt zu haben sondern das "weiter so" in den Vordergrund zu stellen, obwohl auch hier schon erkennbar hätte sein müssen, daß unsere Art von Staatswesen - nämlich eine Art von DDR-light mit Reise- und Redefreiheit - auch auf dem absteigenden Ast war und ist.

    Meine Freundin hat ihre Kindheit auch in der DDR verbracht. Klar, für sie war es so oder so auch sehr schön und sie hat die Ausreise in den 80ern auch nicht verstanden. Aber auch ihre Mutter mußte ihr kleines Häuschen und ihren schönen Garten aufgeben und fand das auch nicht sehr prickelnd.

    Wie juju schon vollkommen zurecht angedeutet hat, erwartet sie ""nichts von niemanden". Und das ist etwas, was "Wessis" von "Ossis" lernen sollten. Zumindest von denen, die nicht auf Lafontaine und Gysi reinfallen.

    Einmal editiert, zuletzt von Gottfried (16. August 2005 um 08:48)

  • Zitat

    Nein, hier hat man - auch mit viel Geld - Dinge versaubeutelt und der Vorwurf geht eindeutig an die "Wessis" wie mich, die Einheit nicht als Aufbruch genutzt zu haben sondern das "weiter so" in den Vordergrund zu stellen, obwohl auch hier schon erkennbar hätte sein müssen, daß unsere Art von Staatswesen - nämlich eine Art von DDR-light mit Reise- und Redefreiheit - auch auf dem absteigenden Ast war und ist.

    meine überzeugung ist, dass in einer demokratie der leidensdruck für echte reformen schon mächtig groß sein muss, damit sie einsetzen. zur zeit der wende hatte sich das alles noch nicht abgezeichnet. die großen trends hatten noch nicht eingesetzt. ich hatte das glück 1991 für eine jahr nach korea zu gehen. das ist ja der absolute turbokapitalismus. ich hab mich damals schon gefragt, wie es die westdeutschen schaffen mit so wenig arbeit einen so hohen sozialstandard zu halten. mittlerweile sind firmen wie samsung vorbei gezogen und es zeigt sich immer mehr, dass vieles liebgewonnene nicht mehr finanzierbar ist.

    erschreckend ist jedoch die langsamkeit, mit der sich die reformen hinziehen. man denke an die renten- und gesundheitsreform.

    worüber ich am meisten den kopf schütteln muss, ist das verschliessen vor ganz einfachen fakten.
    beispiel rentenreform. die statistik belegt, dass die deutschen zu wenig kinder bekommen und der demographische wandel sehr stark ist.
    da kann man sich doch zusammenrechnen dass man entweder die renten kürzt oder das rentenalter hochsetzt. doch wenn dann themen wie "rente mit 70" auf den tisch kommen sind die aufschreie groß und viele schütteln immer noch ungläubig mit dem kopf.

  • Zitat

    Original von Wieland
    worüber ich am meisten den kopf schütteln muss, ist das verschliessen vor ganz einfachen fakten.
    beispiel rentenreform. die statistik belegt, dass die deutschen zu wenig kinder bekommen und der demographische wandel sehr stark ist.
    da kann man sich doch zusammenrechnen dass man entweder die renten kürzt oder das rentenalter hochsetzt. doch wenn dann themen wie "rente mit 70" auf den tisch kommen sind die aufschreie groß und viele schütteln immer noch ungläubig mit dem kopf.

    Pah, muss man gar nicht! :baeh:
    Ein kurzer Blick ins Wahlprogramm von SED-recycled genügt, um die perfekten Maßnahmen zu ergreifen: :lol:

    SED-recycled zum Thema Rente

    Aber jetzt mal im Ernst: Ich stimme Dir hier völlig zu, dass vor unbequemen Wahrheiten lieber die Augen verschlossen werden und jeder, der diese Wahrheiten kurz vor der Wahl ausspricht dafür gewaltig abgestraft wird.
    Wir werden auf Dauer mit diesem rumgeeiere und diesen "scheibchenweisen" Reförmchen nicht weiterkommen! Lieber jetzt Reformen zu den Themen Rente, Gesundheitssysteme etc. richtig angehen -auch wenns weh tut- als noch x Jahre warten - denn dann tuts noch mehr weh .......

  • Zitat

    Original von franky77
    SED-recycled zum Thema Rente.

    echt gut der link. vor allem der vorschlag der finanzierung. hat nicht der gute alte marx schon erkannt, dass das kapital dorthin fliesst wo es sich am schnellsten vermehrt. da würden die reichen aber schnell ihren wohnsitz verlagern.

    Zitat

    Die Beitragsbemessungsgrenze soll an- und später aufgehoben werden. Menschen mit höheren Einkommen sollen also in größerem Umfang für die solidarische Finanzierung der Renten herangezogen werden, ohne dass ihre Ansprüche in gleichem Maße steigen. Wenn alle Einkommen herangezogen werden, können die Beitragssätze gesenkt werden.

  • So, heute sind die ersten Wahlumfragen seit Stoibers Äußerungen über "den Osten" veröffentlicht worden, alle Experten hatten einen Absturz der Union im Osten prognostiziert und was ist passiert?
    CDU/CSU legen leicht zu und sind im Osten wieder stärkste Kraft - SED-recycled verliert laut Forsa im Osten gleich 5(!) Prozentpunkte!

    Wie bitteschön ist das zu erklären? 8o Haben die Linken Ihr volles Potential bereits ausgeschöft und durch Stoibers drastische Äußerungen wurden die restlichen Wähler mobilisiert?
    Oder wollten einige doch nicht zur Gruppe der dümmsten Kälber zählen? ;)

    Auf jeden Fall scheint die Rechnung von Stoiber aufzugehen, denn für "Ausrutscher" halte ich seine Aussagen nicht.

  • Vielleicht ein wenig lang, aber sehr interessant:

    Einmal editiert, zuletzt von Gottfried (19. August 2005 um 14:33)