Neben den Kröstis gibt es auch den Frauen-Handball"
HANDBALL: Erstligist TSG Ketsch hält an seinem Konzept auch nach dem Klassenerhalt fest / Spielbetriebs-GmbH kommt
© Schwetzinger Zeitung - 30.03.2006 Von unserem Redaktionsmitglied Steffi Lang
Die Handballerinnen der TSG Ketsch bleiben erstklassig und spielen auch in der Saison 2006/2007 in der 1. Handball-Bundesliga. TSG-Trainerin Karin Euler, Abteilungsleiter Franz Lemberger und Stefan Leitz aus dem Marketing waren zu einem Redaktionsgespräch in den Räumen unserer Zeitung zu Gast und stellten sich den Fragen von Chefredakteur Jürgen Gruler und den beiden Sportredakteuren Steffi Lang und Andreas Lin.
Totgesagte leben länger, dieser Satz trifft auf die TSG Ketsch im Kampf um den Klassenerhalt zu, denn die vermeintlich wichtigen Spiele gegen Rostock und Dortmund wurden nicht gewonnen, oder?
KARIN EULER: Ja, viele haben gemeint, dass wir nicht drin bleiben. Da liefen sogar Wetten. Die deutliche Mehrheit setzte darauf, dass wir nicht drin bleiben. In den Spielen gegen Rostock und Dortmund haben wir am Anfang hoch geführt, doch die Spiele sind dennoch verloren gegangen. Die Mannschaft aber hatte von Anfang an den Willen, nicht abzusteigen und sie ist nicht panisch geworden, auch nach der Niederlage in Rostock nicht.
Aber gerade die Zeit nach der Niederlage gegen Rostock war doch sehr turbulent und ging an die Leistungsgrenze, auch an die der Trainerin . . .
FRANZ LEMBERGER: Nach dem Rostock-Spiel haben wir uns zusammengesetzt und besprochen, was wir tun können und wie wir helfen können, auch weil Karin Euler in einem mentalen Tief steckte. Mit Heiko Gerling haben wir dann einen Co-Trainer verpflichtet, der die A-Lizenz hat und als Ex-Geschäftsführer bei der SG Leutershausen auch über fundierte Kenntnisse in der Handballszene verfügt. Zudem begann die Zusammenarbeit mit unserem Mentaltrainer Eberhard Schrott. Das hat uns psychisch gestärkt. Wir wollten ab dem Spiel gegen Frankfurt/Oder was bewegen und wir haben tatsächlich für die Überraschung gesorgt. Die Konkurrenz hat Bauklötze gestaunt.
Ist das auch ein Plus der TSG Ketsch, die Tatsache, dass man sich bei Problemen gleich zusammensetzt und diese versucht zu lösen?
KARIN EULER: Wir kennen uns schon so lange, da wird sofort und direkt angesprochen, wo der Schuh drückt.
Klären Sie uns bitte über den derzeitigen Stand der Personalplanungen auf . . .
KARIN EULER: Bis auf Nicole Mahr, Krisztina Konrad und Jeannette Ullrich bleiben alle Spielerinnen an Bord. Auch Ina Knobloch hat jetzt verlängert. Das ist eine sehr gute Basis. Zudem stoßen die Jugendspielerinnen Elli Garcia Almendaris und Marlene Zapf zum Kader. Astrid Wörner wollen wir unbedingt halten. Und mit Maike Brückmann aus Dortmund steht der erste Neuzugang bereits fest.
FRANZ LEMBERGER: Die Tatsache, dass früh mit Spielerinnen gesprochen wurde, brachte uns eine gute Ausgangssituation für die neue Saison. Wir bleiben bei unserem Konzept, nicht einfach blind zu kaufen, sondern wir schauen uns nach guten, talentierten Spielerinnen um. Diese Maßnahme war auch zum Jahreswechsel die richtige Entscheidung, dadurch wird auch unser Jugendkonzept gestärkt. Der HC Leipzig nennt unser Projekt "Jugend forscht", dies betrachten wir jedoch nicht als abwertend, sondern eher als Teil unserer Marke. Bei den Personalgesprächen gab es sehr viele Kontakte, bei denen das Thema Geld nicht ganz so wichtig war, sondern eher auch die Tatsache, dass Ketsch in der 1. Liga bleibt. In Ketsch wird Handball vor allem wegen des Spaßes und des Teamgeistes gespielt und nicht so sehr wegen des Geldes.
Und Karin Euler bleibt weiter Trainerin . . .
KARIN EULER: Es müssen zwar noch kleine Feinheiten mit Co-Trainer Heiko Gerling abgesprochen werden, aber da sollten wir ohne Probleme zu einer Einigung kommen können.
Werden sich die Bären nach dem Klassenerhalt nun in der nächsten Saison weiter nach oben in der Tabelle orientieren?
KARIN EULER: Mit dem jetzigen Kader werden wir immer gegen den Abstieg spielen. Da sind wir einfach im Rückraum zu schwach besetzt. Um ins Mittelfeld zu kommen, muss auch mehr trainiert werden, auch vormittags. Der FHC Frankfurt/Oder zum Beispiel trainiert acht Mal pro Woche. Das wäre dann ein weiterer Schritt vom Amateur zum Halbprofi. Bei uns sind aber alle berufstätig.
Aber es gibt doch Modelle, mit denen sich Sport und Beruf vereinbaren lassen . . .
KARIN EULER: Das ist das nordeuropäische Modell, bei dem Partner aus der Wirtschaft Patenschaften für Spielerinnen übernehmen.
STEFAN LEITZ: Die Wirtschaft ist dafür aber noch zu wenig zu bewegen, obwohl unser Konzept lebt und Früchte trägt. Da sind Emotionen dabei, in Ketsch herrscht eine familiäre Atmosphäre. Und wenn ich frage, was fehlt denn zu einem Engagement, dann heißt es, die Präsenz in den Medien. Das ist dann wie ein Kreislauf. Ich habe aber Hoffnung, dass sich da was tut, auch in Zusammenhang mit der Metropol-Sport-Region. Ketsch ist in der Region der einzige Frauen-Erstligist und hier wird gute Arbeit geleistet. Bei dem niedrigen Etat ist diese Leistung nicht hoch genug zu bewerten. Unser Ziel ist es, kurzfristig die Marke Ketscher Bären zu etablieren, um sich damit identifizieren zu können. Daran werden wir verstärkt arbeiten, um weitere Sponsoren gewinnen zu können.
Die TSG arbeitet auch sehr erfolgreich in der Jugend. Was zeichnet das Konzept aus?
KARIN EULER: Ein Jugendkonzept hängt von den Personen ab, die es mit Leben füllen.
FRANZ LEMBERGER: Da ist an erster Stelle Thomas Löbich zu nennen. Angefangen hat es 1994 mit den erfolgreichen Jahrgängen 1986 und 1987, die Mannschaft hatte sich gut entwickelt und da war Potenzial da. Mittlerweile ist es in Ketsch so, dass Spielerinnen aufgrund der guten Basisarbeit nach Ketsch kommen, weil sie erfolgreich spielen und trainieren wollen. Das Konzept von Karin Euler und der ersten Mannschaft wird bis runter in die Jugend weitergegeben. Somit ist gewährleistet, dass eine Spielerin problemlos zum Beispiel in der A-Jugend und in der zweiten Mannschaft spielen kann. Das ist dann eine runde Sache. Unsere A- und B-Jugend ist auch in diesem Jahr sehr erfolgreich und spielt um die süddeutsche Meisterschaft, die C-Jugend steht im Finale um die badische Meisterschaft. In diesem Jahr wollen wir mit der A-Jugend richtig angreifen. Im letzten Jahr haben wir uns nämlich verzettelt und so einige Spiele in den Sand gesetzt.
Ketsch ist DHB-Jugend-Stützpunkt. Zunehmend gibt es auch Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen, die es Talenten ermöglichen sollen, Unterricht und Sport besser vereinbaren zu können. Hat sich die TSG in Sachen Kooperation schon Gedanken gemacht?
FRANZ LEMBERGER: Einige unserer Jugend-Spielerinnen sind auf dem Ludwig-Frank-Gymnasium (ein Mannheimer Gymnasium mit Sportprofil Anm. d. Red.). Im männlichen Bereich wird das ja schon praktiziert, und im weiblichen Bereich ist auch genug Potenzial da. Wir müssen den Finger heben und dem BHV signalisieren, dass es nicht nur die WM 2007 im eigenen Land gibt, sondern es muss danach auch weitergehen, die Basis darf nicht verloren gehen. Wir wollen Türen öffnen und zeigen, dass es neben den Kröstis auch den Frauen-Handball gibt.
STEFAN LEITZ: Der Verband ist absolut gefordert, die WM auch als Plattform für Mädchen- und Frauenhandball zu nutzen. Wir haben da auch einige Ideen. Es steckt genug Potenzial in der Sportregion.
Wie sieht die Unterstützung der Gemeinde Ketsch für die TSG aus?
FRANZ LEMBERGER: Sie ist im Großen und Ganzen pro uns eingestellt. Die Ketscher Halle ist eine Gemeindehalle und wir kriegen die zu einem Super-Preis, nämlich für nichts. Wir gehen auch davon aus, dass wir nach der Bürgermeisterwahl mit dem neuen Bürgermeister gut zusammenarbeiten werden.
Stichwort Spielbetriebs-GmbH als Risiko-Minimierung für den Gesamtverein: Wie sieht es da bei der TSG Ketsch aus?
FRANZ LEMBERGER: Wir sind dabei, diese auf den Weg zu bringen. Die GmbH ist ein Muss. Es sind noch kleine Feinheiten zu klären, aber die Vorbereitungen sind fertig. Es wird wahrscheinlich keinen alleinigen Geschäftsführer geben, sondern eher Lösung mit einigen Leuten in einem Team. Es hat ja jeder noch einen Hauptberuf.
STEFAN LEITZ: Es ist eine Maßnahme, um den Verein zu entlasten. Im sportlichen Bereich und im Merchandising erlaubt es die Spielbetriebs-GmbH zusätzlich, ganz anders zu reagieren.