Kurzgeschichten

  • Wiglaf Droste:

    Die rauchende Frau
    Eine Liebeserklärung


    Frauen, die rauchen, sind klasse. Wenn man sie anruft, sagen sie Sachen wie »Nein, ich kann jetzt nicht, ich muß gerade meine Haare entbeinen«, und dann hört man sie einen tiefen Zug aus der Lulle nehmen. Man sieht sie vor sich, wie sie da in ihrer Küche sitzen, inmitten einer gigantischen Unordnung, und den ganzen Tag tun sie sinnlose Dinge, zu denen Männer oder nichtrauchende Frauen niemals fähig wären.
    Rauchende Frauen versetzen Männer in intellektuelle Raserei und stacheln sie, einfach so, nur durch ein bißchen Paffen, zu Höchstem an. Das Höchste aber ist dies: Ein ansonsten recht zurechnungsfähiger Mann verfällt angesichts einer schmökenden Frau schlagartig dem Wunsch, ihr zu gefallen, und sagt: »Ich brauche keine harte D-Mark. Hart bin ich selber.« Zur gerechten Strafe wird er in Folge von der rauchenden Frau zirka alle fünf Minuten angerufen und mit dem Satz »Junge, mach die D-Mark weich! Ja! Ja! Ja!« weiter angefeuert.
    Nichtrauchende Frauen sind völlig scheiße. Sie haben Sprühdosen dabei und sprühen »Männerkrieg ist Frauenmord« an irgendwelche Wände. Das finden sie gut, und es fällt ihnen dabei auch gar nichts auf. Nichtrauchende Frauen sind sowas wie Eva Braun und müssen daher das Schicksal Eva Brauns teilen: an der Seite eines bekloppten Vegetariers verdorren. Claudia Nolte zum Beispiel würde nie rauchen, denn: Die deutsche Frau raucht nicht! Sondern riecht ein bißchen nach Turnhalle und Medizinball. Und sieht auch genau so aus.
    Rauchende Frauen dagegen hätten den Faschismus verhindert. Hätten 1933 mehr deutsche Frauen geraucht, ein Würstchen wie Hitler hätte niemals etwas werden können. Doch statt zu rauchen, himmelte die deutsche Nichtraucherin den Führer an. Warum? Weil der auch nicht rauchte. So simpel sind Nichtraucherinnen oft gestrickt. Von der Roten Armee, die Hitler zu Fall brachte, sind dagegen folgende Verse überliefert: »Hört den Russen zärtlich hauchen: Komm Frau! Komm Frau! Du sollst rauchen!«
    Stoisch, ja heldenmütig läßt die rauchende Frau mannigfaltige Anfeindungen an sich abperlen. Aus der täglich größer und niederträchtiger werdenden Gemeinschaft der AOK-Aktiven, die joggend um die Häuser torkelt, ist sie, als »überraucht« eingestuft, längst ausgemustert worden. Das ficht sie nicht. Cool qualmend steht sie auch im Winter auf Balkonen von sogenannten guten Freunden, die ihren »Es ist nichts Persönliches, aber ich vertrage den Rauch einfach nicht«-Faschismus dringend ausleben müssen und anschließend weder gut sind noch Freunde, sondern unmenschlich hart gestraft: Unter sich und ihresgleichen müssen sie bleiben.
    Wundervoll ist es, einer rauchenden Frau bei ihrer Haupttätigkeit zuzusehen ö dem Rauchen. Lässig sitzt sie am Tisch, schlägt lange Beine übereinander und lackiert ihre Fingernägel. Und raucht dabei, die wippende Kippe zwischen den Lippen. Beziehungsweise die wuppende Fluppe zwuschen den Luppen. Da muß man dann nicht in ein zivilisiertes Land fliehen, sondern bleibt in der Barbarei, die allein gemildert wird durch das Frauenrauchen, durch die rauchende Frau.

    Quelle: http://www.treibhaus.at

  • Ich habe mal was zum Nachdenken:
    (nicht so passend fürs Fun-Forum, aber vll. lässt sich der Thread ja noch verschieben.)

    Eine wichtige Lektion

    Es war einmal ein alter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tisch saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch und es floss ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor. Und deshalb musste der alte Großvater hinter dem Ofen in der Ecke sitzen. Und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen, und dazu noch nicht einmal satt. Da sah er betrübt nach dem Tisch und die Augen wurden im nass. Einmal konnten seine zittrigen Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt ihn und kaufte ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Groschen. Daraus musste er nun essen.
    Wie sie nun dasaßen, so trug der kleine Enkel von vier Jahren kleine Bretter zusammen. "Was machst du da?", fragte der Vater. "Ich mache einen Trog", antwortete das Kind, "daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin!"
    Da sahen sich Frau und Mann an, fingen nach einer Weile endlich an zu weinen, holten sofort den Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.

    Gebrüder Grimm

  • Zitat

    Original von Ellob
    Wiglaf Droste:

    Die rauchende Frau
    Eine Liebeserklärung
    ...

    Rauchende Frauen finde ich doof, genau so wie diesen Text...

    Gruß, harmi

    :) Mache nie zwei mal den selben Fehler, die Auswahl ist doch groß genug! :)

  • Harmi, ich glaube du verstehst den Witz von Wiglaf Droste nicht.

    Hier ne 2te Leseprobe von ihm:

    Magersucht jetzt auch bei Männern!


    Von Wiglaf Droste.


    Nicht selten beschleicht mich neuerdings das Gefühl, ich sei von magersüchtigen Mädchen umgeben. Es sind aber meine Freunde. A. zum Beispiel, ein nageldürrer, graumelierter und sehr distinguierter Herr des Typs Gentleman, eiert häufig leidenden Gesichtsausdrucks durch die Welt. Fühlt er sich unbeobachtet, so befummelt und bedrückt er mit den Handballen seine Wespentaille, spielt mit den Fingern auf seinen spitzen Rippen Xylophon, rollt verzweifelt die Augen und jankt, er werde zusehends fett.


    Reagiert man auf dieses backfischhafte Getue angemessen, lacht ihn also aus und gibt ihm Spitznamen wie Meschuggi oder Fatty, der Fiesling, wird es auch nicht besser; schmollend verdrückt er sich und nimmt den Gesichtsausdruck des tragisch Unverstandenen womöglich tagelang nicht mehr ab. Unterstützt wird er in diesem albernen Gebaren von seiner, wie man so sagt, Lebenspartnerin, die der Gewohnheit anhängt, sich gehässig über angebliche oder tatsächliche Blähleibigkeit bei Männern zu beschweren, während sie sich tonnenweise Weingummi in den Kopf steckt. Sie selbst verfügt dabei über ein beachtliches Fahrgestell: Würfe man ihren Hintern über sagen wir Nürnberg ab, man erzielte dieselbe verheerende Wirkung wie die Amerikaner in Hiroshima 1945 - nur daß es in Nürnberg einmal nicht die Falschen träfe -, und die Waden der Dame sind so beschaffen, daß sie bei Mitgliedern atavistischer Volksgruppen zweifellos als Kriegskeulen Verwendung fänden.


    Wäre die Frau ein Mann und spräche so über Frauen, sie gälte zu Recht als Fossil und würde harsch gemaßregelt. Moderne Zivilisation aber bedeutet, daß Frauen aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit genauso ekelhaft sein dürfen wie Männer - während Männer die Adaption der spezifisch weiblichen Dummheit für sich in Anspruch nehmen. (In sich für besonders aufgeklärt und vorne haltenden Kreisen nennt man das Sex/ Gender-Theorie . Halleluja!)


    Und so sieht man denn Männer verzweifelt in trostlosen Magazinen blättern, die Fit for Magenknurren heißen oder Der Hungerleider. Zu Hause kleben sie sich Poster an die Wände, auf denen ihre neuen Idole zu sehen sind, die Kalkutta Dream Men. In Bauchbeobachtungsgruppen springen sie herum und leisten dreimal täglich den Fahneneid auf Lätta light: "Ich habe geschworen, niemals halbfett zu werden!" Griesgrämig und futterneidisch schielen diese halbverdorrten Manschgerln auf die Teller all jener, die sich nicht dem Ideal von Not, Elend und geistiger Sparsamkeit verschrieben haben. Ihr Erkennungszeichen ist der geizige Gang: Wenn es ganz schlimm kommt, mißgönnen sie sogar dem Sittich sein Trill oder stibitzen ihrer Luxuskatze das Minzeblättchen vom Sheba-Teller. Ihr ganz besonderes Steckenpferd ist die Anschaffung und Wartung eines sog. Waschbrettbauchs. Was wollen sie nur damit? Ihre sauer verschwitzten Hemden darauf durchwaschen, wenn sie vom Sport kommen? Oder Skiffle darauf spielen?


    Die einzige Freude, die dem magersüchtigen Mann bleibt, ist die, mit knochigem Finger auf alle zu zeigen, die ein bißchen mehr auf die Grammwaage bringen als er selbst. Hämatomisch lacht er in sich hinein und hat das Wichtigste vergessen: Dick sieht komisch aus, fühlt sich aber saugut an.

  • Die Rose

    Von Rainer Maria Rilke gibt es aus der Zeit seines ersten Pariser Aufenthaltes diese Geschichte:
    Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er um die Mittagszeit an einem Platz vorbei, an dem eine bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne irgendeinem Geber je anzusehen, saß die Frau immer am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück.

    Eines Tages fragte die Französin verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und Rilke gab zur Antwort: "Wir müssen ihrem herzen schenken, nicht ihrer Hand."

    Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah etwas Unerwartetes: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.

    Eine Woche lang war die Alte verschwunden. Nach acht Tagen saß sie plötzlich wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals.

    "Aber wovon hat sie denn all die Tage gelebt, da sie nichts erhielt?" fragte die Französin. Rilke antwortete: "Von der Rose..."

    Rainer Maria Rilke