Bundesligist SG Kronau/Östringen will Spitzenhandball dauerhaft in Mannheim etablieren / Nachwuchskonzept "Handball im Quadrat" wird forciert
"In der Arena müssen mehr Gensheimers spielen"
Der Plan steht. Akklimatisierung ohne Sorgen - so lautet das Ziel für die erste Saison. Doch schon in der näheren Zukunft will der frisch gebackene Bundesliga-Aufsteiger SG Kronau/Östringen den deutschen Handball-Großmächten aus Flensburg, Kiel und Magdeburg ordentlich Paroli bieten. Und das ist nur der Anfang. "Die neue Mannheimer SAP Arena soll dauerhaft eine der ersten Adressen in Sachen Spitzenhandball werden", deutet Dieter Matheis, Geschäftsführer des Vereinsunterbaus SG Kronau/Östringen GbR, an, woran derzeit die Funktionäre im Hintergrund fieberhaft arbeiten. Die Region, da sind sich die Experten einig, ist reif für ein Top-Team, das mittelfristig die norddeutsche Phalanx sprengen und den Handballsport als Marke dauerhaft etablieren könnte. Auf dem Prüfstand steht in diesem Zusammenhang derzeit auch der künftige Vereinsname. Längst beschlossene Sache sind Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, mittelfristig verstärkt einheimische Spieler ins Team einbauen zu können, die die Jugend mitreißen und die Fans mobilisieren sollen. Wahre Identifikationsfiguren eben. Doch die müssen erst gefunden werden. Wie, das erklären Dieter Matheis und "Aufstiegstrainer" Rolf Bechtold im Interview mit Sonntag Aktuell.
Herr Bechtold, am 1. Juli übernimmt Juri Schewzow das Kommando auf der Trainerbank, Sie selbst rücken wieder zurück ins vermeidlich zweite Glied . . .
Rolf Bechtold: Sie sagen es - vermeidlich. Denn meine künftige Aufgabe im Nachwuchsbereich des Vereins empfinde ich als enorm wichtig. Auch wenn sie gar nicht mehr so neu ist.
Das Nachwuchskonzept "Handball im Quadrat", das die Kröstis zusammen mit Mannheimer Vereinen ins Leben gerufen haben, ist nach dem Anfangsschwung allerdings noch nicht so weit gediehen, wie ursprünglich geplant . . .
Bechtold: Das stimmt, die Entwicklung hat uns ein wenig überrannt.
Dieter Matheis (schmunzelnd): Schließlich musste uns der Rolf erst einmal in die Bundesliga führen.
Bechtold: In der Tat ist das Nachwuchskonzept etwas in den Hintergrund gerückt, als ich im Januar noch einmal die erste Mannschaft übernommen habe. Doch meine Mission ist mit dem Aufstieg erfüllt. Jetzt gilt meine ganze Kraft dem Förderprojekt, das Rainer Kettner, Vorsitzender der Mannheimer Spielgemeinschaft HSG, in den vergangenen Monaten fast im Alleingang stemmen musste und das langfristig die Zukunft von Spitzenhandball in der Region sichern soll.
Das Konzept war im vergangenen Oktober der Öffentlichkeit präsentiert worden. Was hat sich seitdem verändert?
Bechtold: An der Zielsetzung gar nichts. Wir wollen generell das Image des Handballsports in der Region steigern und vor allem Talente frühzeitig entdecken und fördern. Dafür müssen wir in die Schulen hinein - und zwar bereits in die Grundschulen. Gleichzeitig beinhaltet unser Konzept auch die intensive Aus- und Weiterbildung der Vereinstrainer in der Region.
Dieter Matheis: Etwas ganz Entscheidendes hat sich aber gegenüber Oktober doch verändert: Wir planen nicht mehr nur den Aufstieg in die 1. Liga, sondern wir haben es geschafft. Ein Bundesligist verfügt doch gleich über eine ganz andere Anziehungskraft. Und unsere neue Heimat, die SAP Arena, steht für jeden sichtbar kurz vor der Fertigstellung.
Bechtold: Das stimmt. Und die Halle übt bereits eine große Faszination aus. Ich kenne Kinder, die schon jetzt davon träumen, einmal in der Arena vor einem großen Publikum Handball zu spielen. Genau das braucht unser Sport in dieser Region . . .
. . . die generell handballbegeistert ist. Nur in Mannheim fehlte bislang - zumindest auf hohem Niveau - der Durchbruch. Wie wollen Sie hier die Trendwende schaffen?
Bechtold: Wir haben es hier mit einem spezifischen Phänomen unserer Sportart zu tun. Handball ist auf dem Land, in Dörfern groß geworden. Gummersbach, Großwallstadt und wie sie alle heißen. In den Großstädten ist in der Regel Fußball die Sportart Nummer eins. Das war auch lange Zeit in Mannheim so. Aber jetzt sind die Voraussetzungen ideal: Bundesliga, die neue Halle, Aufbruchstimmung - und Spitzenfußball ist mittelfristig etwas in die Ferne gerückt.
Matheis: Richtig: In Mannheim soll künftig Spitzenhandball gespielt werden.
Das allein reicht aber doch kaum aus, um den Nachwuchs in die Trainingshalle zu bekommen?
Bechtold: Nein, ein Selbstläufer wird das sicher nicht. Wir müssen aktiv werden, noch viel aktiver als in den vergangenen Monaten. Wir wollen gezielt die Schulen in Mannheim ansprechen. Einige sitzen ja bereits mit uns in einem Boot, aber die Basis muss deutlich verbreitert werden. Nur dafür benötigen wir auch die finanziellen Mittel.
Welche Summen stehen denn im Raum?
Bechtold: Das ist pauschal nicht definierbar, weil die Nachwuchsförderung immer ein Prozess ist, der sich permanent weiterentwickeln muss. Aber klar ist, dass wir viele qualifizierte Übungsleiter benötigen, die in den Schulen und dann in den Vereinen ein geschultes Auge auf die Talente werfen. Und solches Personal kostet eben Geld. Auch für logistische Maßnahmen benötigen wir finanzielle Mittel. Wir können nicht erwarten, dass Eltern ihren Nachwuchs mehrmals pro Woche quer durch die Stadt zu einer Trainingshalle kutschieren. Auch hier müssen wir aktiv werden, zum Beispiel mit einem Shuttle-Service. Einiges läuft ja bereits. Wir haben auch schon Qualifizierungsmaßnahmen mit Vereinstrainern und -betreuern durchgeführt. Für die flächendeckende Förderung müssen aber noch ein paar finanzielle Dinge geklärt werden.
Matheis: Dabei sind wir auf dem besten Wege. In den nächsten zwei Wochen finden Gespräche mit sehr potenten potenziellen Sponsoren aus der Region statt. Auch die Dietmar-Hopp-Stiftung wird sich - ähnlich wie beim Jungadler-Projekt - engagieren. Und der Kreis derer, die sich engagieren wollen, darf sich ruhig noch ausdehnen.
Welche Auswirkungen versprechen Sie sich von Ihrem Förderkonzept langfristig für das Bundesligateam?
Bechtold: Mittel- bis langfristig wollen wir ein schlagkräftiges Team mit möglichst vielen Eigengewächsen aufs Parkett schicken. Nicht nur Stars kaufen, sondern welche machen, lautet unsere Philosophie. Nur so können wir für unseren Sport langfristig eine hohe Akzeptanz erreichen. Das Publikum will nicht ausschließlich ausländische Top-Spieler sehen, sondern braucht Identifikationsfiguren. In der SAP Arena müssen künftig viel mehr Spieler vom Schlage unseres Eigengewächses Uwe Gensheimer spielen.
Matheis: Die Arena spielt ohnehin eine ganz zentrale Rolle. Unsere Talentsichtung braucht sie als Zugpferd, als zusätzliche Motivation. Umgekehrt benötigen wir eine handballbegeisterte Jugend, um die neue Halle bei unseren Heimspielen füllen zu können. Hier könnte eine klassische Win-Win-Situation entstehen.
Noch muss die Jugend aber erst einmal an Bundesliga-Handball herangeführt werden . . .
Matheis: Das wird sie auch. Für Jugendliche ist zu Saisonbeginn ein breit angelegtes Paket geplant, das unter anderem Freikartenaktionen und Gewinnspiele enthalten soll.
Die Jugendlichen allein werden die Halle aber dauerhaft nicht füllen . . .
Matheis: Gehen Sie davon aus, dass wir derzeit Konzepte erarbeiten, wie wir langfristig ein breites Publikum erreichen können. Es ist ja auch kein Geheimnis mehr, dass bei diesen Überlegungen auch der Vereinsname zur Debatte steht. Wir prüfen, ob ein neuer Name das regionale Zusammengehörigkeitsgefühl stärken könnte, wollen dabei aber eine wichtige Frage nicht außer Acht lassen: Womit können sich die Fans identifizieren?
Und wie könnte der neue Handball-Bundesligist aus der neuen Metropol-region Rhein-Neckar künftig heißen?
Matheis: Das kann ich beim besten Willen noch nicht sagen. Diese Frage haben unsere Vereinsgremien zu klären. Letztendlich muss dann der Verband grünes Licht geben. Wie das mit den gültigen Statuten in Einklang gebracht werden kann, wird momentan noch geprüft. Wir hoffen, dass unsere Pläne relativ schnell realisiert werden können.
Stichwort Bundesliga, hinter der turbulente Wochen liegen: Trüben die Lizenzver-weigerungen gegenüber Traditionsvereinen wie TUSEM Essen oder Wallau-Massen-heim nicht das Image Ihrer Sportart?
Bechtold: Das sehe ich nicht so. Zumindest bei den Kindern, beim potenziellen Nachwuchs, spielen solche Entwicklungen noch überhaupt keine Rolle.
Matheis: Ich kann solchen Entscheidungen durchaus auch etwas Positives abgewinnen. Hier müssen nun Vereine, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben, die Konsequenzen tragen. Das ist eine große Chance für Klubs wie uns und gleichzeitig eine Bestätigung, weiterhin seriös zu wirtschaften.
Interview: Stefan Wagner
© Sonntag Aktuell - 12.06.2005