ZitatAlles anzeigenOriginal von nrz.de:
Tusem-Party im Disco-Flieger
HANDBALL / Auch Kapitän Pino Torgovanov ließ seiner Freude über Finaleinzug trotz Verletzung freien Lauf.
Alle, alle wollten sie ihm helfen. Und er wollte am liebsten gar keinen mehr sehen. Pino Torgovanov, eine Legende in seiner russischen Heimat, ließ schließlich einen erfahrenen russischen Arzt an seine verletzte Schulter, die gerade wieder eingerenkt worden war. Draußen wartete schon ein Krankenwagen, der Bürgermeister Astrachans und die Dynamo-Spieler sorgten sich um den Weltklassekreisläufer, der drei Minuten vor Schluss zu Boden gegangen war. In diesem Moment konnte sich keiner freuen über den Finaleinzug des Essener Handball-Bundesligisten.
Begeisterung bahnte sich Weg im Flugzeug
Die Begeisterung bahnte sich später auf dem Heimflug ihren Weg. Mit Pinos Hilfe. "Ich bin so stolz auf diese Truppe. Guck Dir unsere Spieler an. Sie haben ein Herz." Und nicht nur das. Sie haben auch kräftige Stimmen und durstige Kehlen. "Vorsänger" Christian Rose bringt Schwung in den Laden, Chrischa Hannawald juchzt und jodelt wie DJ Ötzi, Mario Kelentric und Viktor Szilagyi übernehmen den Service an Bord und tragen Essen aus, Oliver Roggisch funktioniert das Flugzeug in eine Disco um, Mark Schmetz verbringt im Cockpit staunend seine ersten Stunden und auch in Gudjon Sigurdsson schlummern Pilotenträume.Inmitten des Trubels und unter Wirkung einer Spritze kann der Kapitän die Sorgen um seine Finalteilnahme ein wenig verdrängen. Seinem Trainer Iouri Chevtsov bricht fast das Herz beim Anblick Torgovanovs. Er wollte den Abwehrchef schon auswechseln, doch Torgovanov war wieder einmal schneller und stürzte sich ins Getümmel. "Das ist Schicksal. Du kannst Dich in der ersten und in der letzten Minute verletzen", so Pino. Der Spielführer lässt es sich auch nicht nehmen, gemeinsam mit Oleg Velyky und Co-Trainer Kristof Szargiej beim Zwischenstopp in Kiew Getränke zu bunkern.
Eigentlich war schon alles geschlossen, aber das Trio ließ nicht locker und kehrte mit Tüten voller belegter Brötchen und Hochprozentigem eine halbe Stunde später wieder. Dann ging die Party erst richtig los...
Bei Tusem-Boss Klaus Schorn gingen die ersten Glückwünsche ein und die Nachfragen nach Spielverlegungen wegen der Finalteilnahme. "Erst müssen wir die Auslosung am Dienstag in Wien abwarten, dann können wir loslegen", so Schorn, der beim Getränkeausteilen kräftig mit anpackte.
Stewardess Sylvia musste sich nicht einmal mehr um Durchsagen kümmern. Das Bordmikrofon war fest in der Hand von Hannawald und Rose, der sich auch als Cocktail-Experte verdingte. Evars Klesniks feierte einen ganz persönlichen Triumph: er ist der erste Lette, der je in einem Europapokalfinale war. Auch vor Mark Schmetz erreichte noch nie ein Niederländer ein Cup-Finale. Dass es ein innerdeutsches sein wird, macht die Sache noch außergewöhnlicher.
Vor Astrachan, das geben sie zu, hatten sie schon ein bisschen Bammel. Selbst Oleg Velyky. "Ich hatte mehr erwartet von Dynamo." Viktor Szilagyi glaubt: "Die haben schnell resigniert. Das konnte man an ihrer Körpersprache sehen. Wir wurden immer sicherer nach den ersten zehn Minuten und damit war es gelaufen." Der Kapitän gibt zu, dass er sich geärgert hat, nicht in Astrachan gewonnen zu haben. "Das war möglich. Ich wollte unbedingt den Sieg holen."
Es wäre der erste einer deutschen Mannschaft gewesen. Jetzt will er unbedingt den ersten Europapokal-Titel seiner Weltkarriere. "Ich habe schon alles gewonnen, aber niemals mit einer Mannschaft den Europacup." Und Pino würde es mit keiner Mannschaft lieber erleben, als mit dieser. Doch ihm droht ein Operation. An der lädierten Schulter wurde ein Kapselanriss diagnostiziert, zudem sind die Bänder in Mitleidenschaft gezogen.
11.04.2005 SABINE HANNEN
ZitatAlles anzeigenOriginal von waz.de:
Europapokal-Party in luftiger Höhe
Finale, ohoo - Tusem-Party in luftiger Höhe. Auf dem Rückflug nach Düsseldorf waren die Handballer von der Margarethenhöhe wie schon im EHF-Halbfinale gegen Dynamo Astrachan nicht zu bremsen.
Die Profis strahlten und feierten. Christian Rose gab den kreativen Blödelbarden, und seine Mitspieler stimmten bierselig mit ein. Finale ohoo.
Der Charterflieger als Partykeller. Stewardess Silvia war ratlos und gab dann einfach auf. Die Jungs waren nicht zu bändigen. Oliver Roggisch versorgte die ausgelassene Bande per Laptop und Bordmikro mit fröhlichem Gedudel. Chrischa Hannawald servierte. Im Heck war die Getränkeausgabe. Finale ohoo.
Zwischenstopp in Kiew. Der Sprit war nach zweieinhalb Stunden alle. Während nachgetankt wurde, eilten Oleg Velyky und Co-Trainer Krzysztof Szargiej sowie der verletzte "Pino" Torgovanov als "Berater" per Bus zum Terminal und organisierten zu später Stunde durch die Hintertür weiteren Proviant. Finale ohoo.
Kapitän "Pino" war natürlich stolz auf seine Crew und versicherte schon fast trotzig, dass er im Endspiel dabei sein werde. "Ich habe mit Russland alles gewonnen, bin Weltmeister, Olympiasieger und Europameister", sinnierte er, "aber einen Europapokal habe ich mit sieben Vereinen noch nicht geholt." Gestern wurde im Bethesda-Krankenhaus eine Kernspintomographie von seiner Schulter gemacht. Die Diagnose: Kapselriss, die Bänder sind in Mitleidenschaft gezogen. Heute reist der Russe nach Bremen zum ehemaligen Mannschaftsarzt Dr. Pieper, der ein anerkannter Schulter-Spezialist ist. Finale ohoo?
Nicht nur für Torgovanov wäre es eine Premiere. "Noch nie hat ein Holländer ein europäisches Endspiel erreicht", strahlte Mark Schmetz. Das gilt auch für die Letten, die gegen Magdeburg von Evars Klesniks repräsentiert werden. Heute um 11 Uhr wird in Wien ausgelost, ob der Tusem am 30. April/1. Mai zuerst Heimrecht genießt. Finale ohoo.
Stolz war vor allem die russische Fraktion, die sich in "ihrer Heimat" bestens verkauft hatte. "Allerdings wollte ich schon gewinnen", grinste Dimitri Torgovanov. Der Nationalspieler ist ein Idol in seinem Land. Dass er von zwei Mädchen in Folklore vor dem Anpfiff ein Brot als symbolträchtiges Gastgeschenk überreicht bekam, machte ihn fast ein bisschen verlegen. Stolz war der Blonde in jedem Fall. Und als er sich kurz vor Spielschluss vor Schmerzen am Boden krümmte, war ganz Astrachan betroffen. Der Bürgermeister orderte sofort einen Krankenwagen und die Ärzte im Hospital zum Notdienst. Die Dynamo-Spieler kamen konsterniert in die Tusem-Kabine, entschuldigten sich für einen unglücklichen Zweikampf.
Trainer Iouri Chevtsov ist am Kapischen Meer gleichermaßen populär. Nach Spielschluss umringte ihn die versammelte heimische Presse, Fragen über Fragen an den früheren Weltklasse-Rechtsaußen von SKA Minsk. Der eher zurückhaltende Coach gab geduldig Interviews, genoss die Rückkehr nach Astrachan, wo er seit Jahren nicht mehr gewesen ist. Fast rührend mutete die Gastfreundschaft am Wolga-Delta an. Selbst Dynamo-Trainer Pschelyakov tauchte am Flughafen auf, um eine reibungslose Ausreise zu gewährleisten. Die Fete konnte beginnen. Finale, ohoo.
Diese Mannschaft funktioniert, hat Spaß miteinander, nicht nur auf dem Spielfeld. Dieses intakte Team wird jedoch am Ende der Saison gesprengt. Trainer Iouri Chevtsov geht, Linksaußen Sigurdsson ebenso wie Torhüter Hannawald. Bevor es soweit ist, muss sich der Tusem weiterhin in der Liga beweisen. Gleich am Mittwoch gegen den Post-SV Schwerin (19.30 Uhr, Hallo). Der Alltag hat sie wieder.
11.04.2005 Von Rolf Hantel