Quelle: sid, 31.01.2005
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/869185
ZitatAlles anzeigen"Grenze ist erreicht"
- Verletzungen nehmen zu - Ungehörte HilferufeSousse - Lädierte Knochen, leere Köpfe und keine Aussicht auf Besserung: Der Kampf gegen Körper und Geist ist für die Handball-Nationalspieler ob der immer größer werdenden Terminhatz längst zum Alltag geworden. Doch die müden Profis schlagen Alarm: "Die Grenze ist erreicht, es ist definitiv zu viel", klagte der deutsche Mannschafts-Kapitän Florian Kehrmann am Rande der derzeit in Tunesien stattfindenen WM. Der athletische Rechtsaußen weiß, wovon er spricht. Knapp 90 Spiele hat Kehrmann im vergangenen Olympia-Jahr absolviert - was bedeutet, dass der 27-Jährige umgerechnet fast jeden vierten Tag eine Partie auf nationalem oder internationalem Parkett bestritten hat.
Linkshänder Kehrmann hat die "Knochenmühle" bislang ohne größere Blessuren überstanden. Ganz im Gegensatz zu etlichen seiner Teamkollegen. Markus Baur und Daniel Stephan (beide Lemgo) sowie Jan-Olaf Immel (Wallau-Massenheim) und Keeper Henning Fritz (Kiel) mussten die WM schweren Herzens aus Verletzungsgründen absagen.
Für Hoffnungsträger Pascal Hens war das Großereignis in Nordafrika bereits nach dem ersten Spieltag wegen eines Muskelfaserrisses in der Wade beendet. Sein Hamburger Vereinskollege Bertrand Gille musste seinen weltmeisterlichen Einsatz im Trikot der Franzosen ebenso absagen wie der Brasilianer Bruno Souza vom Bundesligisten Frisch Auf Göppingen.
"Viele Blessuren sind schlicht und einfach auf die Überbelastung zurückzuführen", begründet Kehrmann mit skeptischem Blick auf den Mix aus Bundesliga, DHB-Pokal, Champions League, aber vor allen Dingen den im jährlichen Wechsel stattfindenden Welt- beziehungsweise Europameisterschaften. Seit der Gründung der Europäischen Handball-Federation (EHF) vor zwölf Jahren und der damit verbundenen Einführung von kontinentalen Meisterschaften hat sich die Situation erheblich verschärft.
Doch nicht nur der Körper zeigt auf Dauer Verschleisserscheinungen, auch die Seele kann unter dem Mammutprogramm leiden. Warnendes Beispiel: Nationalspieler Steffen Weber (Kronau-Östringen) klagte nach dem Gewinn des EM-Titels im vergangenen Jahr unter Schwindel und Lustlosigkeit und schloss einen Zusammenhang mit den physischen und psychischen Belastungen nicht aus.
Die Hilferufe der müden Profis wurden aber bislang ebenso wenig erhöht, wie die der Mannschaftsärzte. "Bei so engen Terminplänen habe ich manchmal das Gefühl, dass die Funktionäre nur für ihr Ego spielen lassen", polterte der deutsche Team-"Doc" Berthold Hallmaier unlängst. Der wachsende (Termin-)Druck auf die Spieler hat zum Leidwesen der Mediziner auch zur Folge, dass Blessuren nicht mehr richtig auskuriert werden. Für den erst 24-jährigen Hens beispielsweise war der Muskelfaserriss bei der WM nach einem ausgekugelten Ellenbogen, einer gebrochenen Hand und erheblichen Bandscheibenproblemen schon die vierte schwere Verletzung in drei Jahren.
Unbeeindruckt beharren indes sowohl die Bundesliga als auch der Weltverband IHF und die EHF auf die Beibehaltung des Ist-Zustands. Aufgrund von wirtschaftlichen Interessen wurde jüngst sogar die Champions League (32 Mannschaften) sowie vor zehn Jahren das WM-Teilnehmerfeld (24 Teams) aufgebläht.
"Aus sportpolitischen Gründen sind bei Weltmeisterschaften keine Änderungen geplant, denn wir wollen die Präsenz der nichteuropäischen Verbände sicherstellen", bekräftigte IHF-Direktor Frank Birkefeld und sieht auch keinen Grund, vom zweijährigen Rhythmus abzuweichen. Allerdings wird bei der WM 2007 in Deutschland in sechs Vierergruppen statt wie in Tunesien in vier Sechsergruppen gespielt. "Damit die weniger interessanten Partien der Außenseiter weniger werden", begründet Birkefeld. Für Kehrmann Co. ändert sich damit nichts.
Man kann sich vermutlich streiten, ob der Beitrag nicht besser ins Nationalmannschafts- oder ins Internationale Wettbewerbe-Forum passt. Ich habs hier rein gepostet, weil es um deutsche Spieler geht.